Öltanker Adrian Darya 1: Die USA drohen, Iran trickst
Die umgetaufte Grace 1, die wochenlang in Gibraltar festgehalten wurde, soll nach dem Willen der Regierung in Washington ihr Ziel nicht erreichen
Die USA drohen Mittelmeerstaaten, die dem iranischen Supertanker Adrian Darya 1 auf seiner Weiterreise helfen, mit Strafen. Unter dem Namen Grace 1 war das Schiff wochenlang in Gibraltar festgehalten worden. Umgetauft auf Adrian Darya 1 und nun unter iranischer Flagge konnte der Tanker mit angeblich 2 Millionen Fass leichtem Rohöl an Bord nach wochenlangem Festhalten weiterfahren. Der nächste Zielhafen könnte das griechische Kalamata sein.
Jedenfalls gehen die USA davon aus und haben der griechischen wie der zyprischen Regierung signalisiert, dass eine Unterstützung des Schiffs nicht in ihrem Interesse liegen kann, da sie, so Außenminister Pompeo, sonst US-Sanktionen zu fürchten hätten. Die neue Regierung in Athen gibt sich US-freundlich. Griechenland werde keinerlei Unterstützung für eine Öllieferung nach Syrien leisten und ein solches Unterfangen nicht erleichtern, sagte der stellvertretende Außenminister Miltiadis Varvitsiotis und sprach von einem "eindeutigen Signal".
In der Reuters-Meldung mit dieser Äußerung zeigt sich allerdings auch eine gewisse Distanz zur "Maximaldruck-Strategie" der USA. Die offizielle Begründung des griechischen Außenministers argumentiert nämlich mit der Größe des Tankers: Griechenland für einen VLCC-Tanker (very large crude carrier) keine geeigneten Hafenanlagen hat. Zugleich räumte Miltiadis Varvitsiotis ein, dass es die Möglichkeit gebe, dass der Tanker in griechischen Gewässern ankere. "In einem solchen Fall werden wir sehen, was dann passiert".
Festlegen wollte sich der Außenminister offensichtlich nicht, außer in einem Punkt: Man stehe nicht in Verhandlungen mit der iranischen Regierung, von dort sei keine Kontaktaufnahme erfolgt. Das Öl werde "offensichtlich nicht auf EU-Territorium" verladen.
Nach der Expertise (Video hier) der Tanker Trackers, die sich ausführlich mit dem Itinerar des Falles Grace 1/Adrian Darya 1 beschäftigen (was auch ihren Bekanntheitsgrad und möglicherweise die Zahl der Abonnenten erhöht hat), gibt es ein paar bemerkenswerte Eigenheiten: Schiffe, die unter iranischer Flagge fahren, sind - bislang zumindest - von Zugriffen verschont und der Supertanker, der jetzt als Adrian Darya 1 unter iranischer Flagge fährt, sei bekannt für Verladungen von Schiff zu Schiff (ship-to ship). Die Namensgebung der iranischen Schiffe sei meist signalträchtig und nicht selten humorvoll, was den Experten schmunzeln lässt.
Hölzernes Vorgehen der USA
Der Tanker-Trackers-Experte verfolgt die Sache mit einer Begeisterung desjenigen, der einer Geschichte entgegensieht, die Suspense zu bieten hat. Der Schwierigkeitsgrad von Manövern vor der Küste Syriens sei erhöht, weil die Pipelines des Hafens Baniyas, die mit Erdölraffinerien verbunden sind, sabotiert wurden. Allerdings berührt dies die von ihm erwarteten Transfermanöver nur indirekt.
Nach Informationen der Tanker Trackers gebe es mehrere Schiffe, die sich nach ihren Beobachtungen auf den Weg gemacht haben und dazu fähig wären, um die Ladung der Adrian Darya 1 in einer ship-to-ship-Verladeaktion in Teilen zu übernehmen und zwar außerhalb der kritischen Zone, die den Verdacht, wonach Öl in den Hafen von Baniyas geliefert wird, offensichtlich stützen würde. Was nach der Verladeaktion geschieht, ist wegen der Schwierigkeiten mit den Pipelines offen. Eine Öllieferung an Raffinerien in Baniyas würde unter EU-Sanktionen fallen.
Man kann nach dieser knapp 16-minütigen Experten-Ausführung ("Periscope-Video") die Vermutung anstellen, dass sich die USA, deren Führung, wenn es um die Iran-Agenda geht, sehr hölzern vorgeht, einiges einfallen lassen müssen, um die listenreichen Manöver auf der anderen Seite zu vereiteln (vgl. Ölschmuggel kontert US-Sanktionen).
Aus Sicht der iranischen Führung war die Beschlagnahme des Tankers obendrein nicht legitimiert, sondern ein eklatantes, wie auch fadenscheiniges politisches Manöver. Und dafür, dass vor Gibraltar eine "Falle" für den Tanker aufgebaut worden war, spricht auch einiges. Man war auf das Ankommen des Tankers, der lange brauchte, um Afrika zu umfahren (zu viel Tiefgang für den Suezkanal), vorbereitet; kurz vor seinem Eintritt in die Meerenge von Gibraltar trat eine gesetzliche Regelung in Kraft, die der Festsetzung zugrunde gelegt wurde (vgl. Stand der Kriegsvorbereitung gegen den Iran).
Durch eine Indiskretion des spanischen Außenministers kam ans Licht, dass die USA die Aktion initiiert hatten, eine Verletzung von EU-Sanktionen lag nicht vor, diese gründete sich auf Spekulationen, wonach der Tanker mit seiner Ladung eine Raffinerie in Baniyas bedienen würde. Dafür gab es aber keinerlei handfeste Beweise.
Nun droht Iran
Strittig war zudem, ob der Tanker nicht in internationalen Gewässern fuhr, wie es iranische Vertreter betonten. Der Tanker jedenfalls seit Anfang Juni in Gibraltar festgehalten trotz der Proteste Irans. Es war ein Machtspiel. Die USA versuchten bis zuletzt, die Behörden in Gibraltar von der Freisetzung des Tankers abzuhalten (Iranischer Gibraltar-Tanker: Beschlagnahmt oder bereit zur Weiterfahrt?).
Das Machtspiel geht nun weiter. Mit Drohungen aus Iran als Erwiderung. Der iranische Präsident Rouhani drohte nun seinerseits den USA, dass deren Ankündigung, die Ölexporte Irans auf Null zu reduzieren, die "Wasserwege nicht sicherer" machen werde. Außenminister Zarif sekundierte mit der Äußerung, dass auswärtige Staaten, die im persischen Golf eine Militärallianz aufstellen wollen, einer "Fehlkalkulation unterliegen" würden.
(Nachtrag: Angeblich hat der neue Name des Tankers mit dem Hadrianswall zu tun. Das behauptet die The National. Sie zitiert Informationen von der iranischen Nachrichtenagentur Farsi, wo man den Namen Adrian Darya 1 mit einer Mauer verbindet, die von Römern auf der britischen Insel erbaut wurde. Auch Iran wolle sich gegen britische Interessen schützen, zitiert die Zeitung. The National wird in Abu Dhabi produziert, wo man mit Iran nicht gerade auf Freundschaftsfuß steht. Das zeigt sich an der Bemerkung der Zeitung, dass der Hadrianswall nicht lange gehalten hat.)
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