Offener Brief an die europäische Autoindustrie
Was ich mir von meinem nächsten Auto erwarte. Ein Wunschzettel für das Christkind.
Liebe europäische Autoindustrie!
Ich habe mir vor etwa einem Jahr ein neues Auto gekauft. Nein, keinen Diesel - das muss ich jetzt nicht extra begründen, oder? Sondern einen kleinen Benziner, einen City-SUV, wie man so schön sagt. Ja, ich gehöre zu denen, die sich nicht gerne ganz so tief beim Einsteigen bücken wollen. Man wird ja nicht jünger und bei einem Autodach, das bei mir schon im Normalfall deutlich unterhalb meiner Brustbeinhöhe liegt, wird das Einsteigen von der Bordsteinkante Jahr für Jahr nicht wirklich einfacher. Das ist aber auch alles, was ich SUV-mäßig brauche. Nein, ich brauche keinen Allradantrieb (hat er auch nicht). Und ich brauche keine 100+ PS. Meiner hat gerade mal knapp über achtzig, ich hätte auch noch weniger genommen, wenn es die denn gegeben hätte. Ich muss sagen, ich bin alles in allem mit dem Kauf bisher sehr zufrieden - es ist ein Europäer, nebenbei - und hoffe, dass ich dieses Auto zumindest die nächsten zehn Jahre, vielleicht sogar fünfzehn, wenn es so lange hält, fahren werde.
Warum ich dann überhaupt diesen Brief schreibe? Ich möchte schlicht schon jetzt deponieren, was ich mir von meinem nächsten Auto von Euch erwarte. Und damit Ihr dann auch wirklich das liefern könnt, was ich mir vorstelle, schreibe ich also zeitgerecht meinen Wunschzettel an das Christkind.
Ich fange einmal damit an, was ich definitiv NICHT möchte: nämlich ein batteriebetriebenes Elektroauto! Und jetzt bitte nicht falsch verstehen, für einen limitierten Anwendungszweck mag dieses Konzept schon durchaus taugen. Zum Beispiel für einen Bewohner des Umlandes, der eine Doppelgarage in seinem Haus besitzt und das Elektro-Zweitfahrzeug zum Pendeln nutzen will. Der hat auch die Chance, seine Kiste mit Fotovoltaik plus Zwischenspeicher zumindest ein bisschen umweltfreundlicher aufzuladen. Aber für einen Laternenparker ist das definitiv keine Lösung. Selbst für diejenigen, die sich den Luxus eines fixen Garagenplatzes in der Stadt leisten, würde es schwer werden, den Garagenbetreiber zu einer Investition in Ladesäulen zu bewegen. Und wenn doch, kann man sicher sein, danach Mondpreise für das Aufladen bezahlen zu müssen.
Aber es sprechen auch noch andere Gründe gegen batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge. Da wären zum Beispiel einmal neue Rohstoffabhängigkeiten: Lithium für die Batterieproduktion muss erst über sehr lange Transportwege von Übersee herangeschafft werden. Das allein drückt die Umweltbilanz von Elektroautos gewaltig. Und ob man sich statt von Saudi-Arabien wegen des Erdöls lieber von China wegen der seltenen Erden für die Elektromotorenproduktion abhängig machen will, lasse ich mal im Raum stehen.
Des Weiteren gehöre ich zu den Menschen, die so oft es geht lieber mit dem Auto in den Urlaub fahren, als die Umwelt exorbitant mit einer Flugreise oder einer Kreuzfahrt (oder einer Kombination aus beidem) zu belasten. Wer schon mal durch die malerische Toskana oder das herrliche Kroatien gebummelt ist, kann sicher den Leitspruch "Der Weg ist das Ziel" nachvollziehen. Mein Hang zum entschleunigten Bummeln inkludiert allerdings nicht alle 300km einen längeren Stopp zum Aufladen der Batterie, und das schon gar nicht auf der An- und Abreise. Außerdem sinkt die Reichweite massiv in der kalten Jahreszeit, wenn Batteriestrom für die Heizung abgezweigt werden muss. Das steht dann bei der Reichweitenangabe nicht im Prospekt. Besonders toll ist das dann, wenn man auf der Anfahrt zum Winterurlaub stundenlang im Stau steckt und die Wahl zwischen Frieren oder der Fähigkeit zum Weiterfahren hat. Ach ja, ich vergaß ganz, dass man in den Winterurlaub ja auch fliegen kann …
Ich habe es schon weiter oben angedeutet, ich fahre meine Autos aufgrund geringer Jahreskilometer meist sehr lange Zeit, wogegen nicht zuletzt auch die Lebensdauer der Batterien spricht, die zu ersetzen ja einen bedeutenden Kosten- und Umweltfaktor darstellen würden. Um die Umweltbilanz diesbezüglich zu schönen, wird munter eine Zweitverwertung der ausgelutschten Akkus als Puffer in Fotovoltaikanlagen herbeigeredet. Dort stört die gesunkene Speicherkapazität dann plötzlich nicht mehr? Außerdem müssen ja trotzdem neue Akkus für die Elektromobilität produziert werden.
Nein, aus all den genannten Gründen heraus: Was ich mir wirklich in zehn Jahren wünsche (und das ist doch wirklich genug Zeit, oder?), ist ein Fahrzeug, das mit - natürlich nachhaltig erzeugtem - Wasserstoff fährt, den ich im bis dahin hoffentlich europaweit flächendeckenden Wasserstofftankstellennetz (ja, da dürft Ihr gerne Lobbyarbeit leisten) in der üblichen Tankzeit nachfüllen kann. Pinkelpause inklusive, wenn es sein muss.
Und es muss dabei nicht einmal ein Brennstoffzellenfahrzeug sein. Wasserstoff kann man auch in einem Verbrennungsmotor zur Umwandlung in Antriebsenergie nützen, das ist beileibe keine neue Erfindung. Auch dabei entstehen keine umweltschädlichen Abgase, sondern schlicht - Wasser. Der angenehme Nebeneffekt wäre übrigens auch, dass Ihr Eure zweifellos vorhandenen Kompetenzen im Verbrennungsmotorenbau dabei weiterhin voll nützen könnt, und das sogar, ohne Angst vor lästigen Stickoxiden haben zu müssen (O.K., das war jetzt zugegebenermaßen ein bisschen gemein). Die hat man beim Wasserstoffverbrennungsmotor über das Massenverhältnis aus Luft und Brennstoff nämlich gut im Griff. Weil beim Hybrid- oder Elektroauto hechelt Ihr den Asiaten (oder Tesla) sowieso hoffnungslos hinterher.
Und dem angedrohten Abbau von Arbeitsplätzen durch den einfacheren Aufbau von Elektroautos (in meinen Augen sowieso nur eine willkommene Ausrede) wäre so ebenfalls entgegengewirkt. Ich glaube übrigens nicht (wie mir ein Manager eines deutschen Automobilkonzerns vor einiger Zeit im privaten Gespräch anvertraute), dass man dem Konsumenten "derzeit keinen Verbrennungsmotor als umweltfreundlich verkaufen kann". Wie gesagt: Aus dem Auspuff kommt nur Wasser, das kapieren die Leute schon, entsprechende mediale Aufklärung natürlich vorausgesetzt. Ja, ich weiß, der Wirkungsgrad. Aber lieber ein Fahrzeug mit schlechtem Wirkungsgrad, das umweltfreundlich ist, als eines, das optimiert mit fossilen Brennstoffen fährt, oder? Und die Schmiermittelproblematik wird man ja mit keramischen Laufflächen in absehbarer Zeit auch in den Griff bekommen. Wir sind ja in Europa technologisch sehr weit fortgeschritten, sagt man. Es wäre an der Zeit, das endlich einmal zu beweisen, finde ich.
So, und nun gleich zum nächsten Punkt auf meiner Liste, was ich in zehn Jahren sicher nicht haben möchte: ein zwangsvernetztes Auto! Ich habe auch schon beim letzten Autokauf auf ein integriertes Navi verzichtet, denn das hätte es nur in Verbindung mit einem Online-Abo gegeben. Nein, danke! Falls das dann obligatorisch sein sollte, kaufe ich mir lieber einen Oldtimer und lasse ihn herrichten. Das sichert auch Arbeitsplätze und ist in der Umweltbilanz bei meiner Jahreskilometerleistung sowieso besser als jede Neuwagenanschaffung, egal ob Verbrenner oder Elektro!
Was ich aber sehr wohl gerne hätte, wäre ein genormter Einbauschacht (ja, so etwas gab es schon einmal!) mit ebenfalls genormten Schnittstellen, in das ich ein Entertainment- und Navigationssystem meiner Wahl (Google, Apple oder Microsoft - oder vielleicht sogar Open Source?) hineinkaufen kann. Ihr dürft mir ja gerne eines als Option anbieten. Wenn es für mich passt, werde ich es auch von Euch kaufen. Und bitte keine Möglichkeit vorsehen, wie man sich vom Unterhaltungssystem aus ins Auto-Bussystem hineinhacken kann!
Also gerne noch mal zum Mitschreiben:
- Wasserstoff als Antrieb - Kompaktklasse, gerne auch etwas höher gebaut - deutlich unter 100PS - nicht zwangsweise vernetzt - Trennung zwischen Navi/Entertainment- und Carsystem - Kaufpreis auf Niveau eines vergleichbaren Benziners - europaweit flächendeckendes Wasserstofftankstellennetz
Wenn Ihr das in zehn Jahren bereitstellen könnt, dann gerne auf ein Wiedersehen. Sonst nicht. Die Asiaten werden es können.
Herausforderung angenommen?
Mit besten Grüßen
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