Olaf Scholz als SPD-Chef: Nur nichts ändern?
Der Befürworter der Koalition mit der Union hat angemeldet, dass er bereit sei anzutreten. Die Kandidatur spiegelt Druck und Ratlosigkeit innerhalb der Partei wider
Es rührt sich etwas bei der SPD, zumindest bei den Bewerbungen um den Vorsitz. Nun hat Olaf Scholz laut Informationen des Spiegels und der SZ seine Kandidatur angekündigt. Das "Rennen geht damit richtig los", kommentiert das Magazin. Ob die Aufregung auch von den Wählern geteilt wird?
Die SPD steht unter Druck. Sie muss gegen den Eindruck ankämpfen, dass sie "ohne Reißleine abstürzt". Gewählt werden soll die neue Spitze auf einem Parteitag Anfang Dezember. Zuvor gibt es Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen.
Für die Landtagswahl in Sachsen prophezeien ihr mehrere Umfrageinstitute ein einstelliges Ergebnis, in Brandenburg sieht es besser aus. Da werden ihr 17,8 Prozent vorhergesagt, sie liegt dort in enger Konkurrenz mit der CDU und den Grünen um Platz 2. Das beste Umfrageergebnis hat die AfD (21 Prozent). In Thüringen bescheinigt ihr Imap Aussichten auf ein einstelliges Ergebnis.
In Sachsen und Brandenburg wird am 1. September gewählt (in Thüringen erst am 27. Oktober). Am 1. September endet in der SPD Bewerbungsfrist für Teams und Kandidaten und am 26. Oktober wird das Abstimmungsergebnis der Mitgliederbefragung veröffentlicht.
Selbst wenn Kandidatur zur SPD-Spitze und die Wahl der Parteimitglieder nicht direkt mit den Landtagswahlen zu tun haben, werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach in den Kommentaren zum Abschneiden der SPD bei den Wahlen miteinander verbunden. Die Frage wird sein, welches Spitzenduo oder welcher Kandidat mit dem Druck am besten umgehen kann, wer die überzeugendsten Vorschläge hat, die SPD aus ihrem Tal herauszuführen.
Zwar gibt es mittlerweile unzählige Analysen der Talfahrt der SPD, aber noch kein Konzept, das in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, es könnte sich gegen den Glaubwürdigkeitsverlust stemmen. Der spielt eine Hauptrolle bei der Abwendung der Wähler und hat viele Ursachen. Der heute neu ausgerufene Spitzenkandidat Olaf Scholz steht für eine der Ursachen, den Verschleiß des SPD-Profils in der so genannten "Großen Koalition" durch eine Politik, die sich nicht traut oder es in diesem Rahmen nicht kann, eigene Richtung vorzugeben oder zu entwickeln.
Aufgaben wären ja genug da und, wie sich nicht nur in der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die von der SPD getragen wird, zeigt, gibt es in der Bevölkerung Wünsche für den Ausbau einer sozialen Demokratie (vgl. Die Distanz des "Wahlvolks").
Kandidat der betriebsimmanenten Vernunft
Das ist von Olaf Scholz nach Stand der Dinge nicht zu erwarten. Wie soll ein Transformationsprozess der SPD, die die Wähler neu für sich interessieren und begeistern muss, von einem Mann geleistet werden, der für den Verbleib in der Koalition mit der CDU ist, wo er als Vizekanzler und Finanzminister keinerlei Impulse gesetzt hat, die auf eine Erneuerung hindeuten.
Dass er nun gegenüber der vorläufig amtierenden SPD-Spitze - Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel - am Telefon erklärt hat: "Ich bin bereit anzutreten, wenn ihr das wollt", spricht nicht dafür, dass hier einer mit Ideen antritt, von denen er überzeugt ist, dass sie die Partei in eine Richtung mit besseren Zukunftsaussichten bringt, sondern dass hier eine Räson ausschlaggebend ist.
Olaf Scholz gilt als Politik-Profi, kein Anfänger und anders als viele Mitbewerber bei der Spitzen-Kandidatur ist er der großen Öffentlichkeit bekannt (wenn auch unter kritischen Beobachtern in der Rolle als "Sheriff von Nottingham" bei den G20-Protesten in Hamburg, wo der Apparatschik mit Planung und Vorgehen Anlass für ein Desaster lieferte).
Es ist wahrscheinlich, dass Scholz auf den Druck reagiert hat, der innerhalb der SPD laut geworden ist, wonach sich jemand aus der "ersten Reihe" als Kandidat melden soll. Aber diese betriebsimmanenten Zwänge und die daraus resultierende Personalpolitik (das lange Festhalten an den Agenda 2010-Politikern) haben mit dazu beigetragen, dass sich in der SPD in den letzten Jahren nichts Entscheidendes verändert hat und keine neue politische Orientierung laut wurde.
Aufgemischt wird das Betriebssystem SPD-Spitze mit einigem Gift, das intern bei Personaldebatten in der SPD unterwegs ist, wie es die Öffentlichkeit beim Rücktritt der Vorsitzenden Nahles mitbekommen hat und jedes Mal, wenn sich der enttäuschte Sigmar Gabriel zu Wort meldet. Das wird sich wahrscheinlich auch nach den Landtagswahlen zeigen.
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