Oscargewinner "No Other Land" findet in den USA keinen Verleih

Szene aus dem Film "No Other Land"
(Bild: critic.com )
Der palästinensisch-israelische Dokumentarfilm "No Other Land" hat den Oscar gewonnen, ist in den USA aber schwer zu sehen. Kontroversen erschweren den Zugang. Wird er jemals die US-Kinos erreichen?
Der Dokumentarfilm "No Other Land" hat bei der Oscar-Verleihung am vergangenen Sonntag in Los Angeles den Preis für den besten Dokumentarfilm gewonnen. In deutschen Medien fand dies kaum Erwähnung – obwohl der Film hierzulande im Rahmen der Berlinale einst für Furore gesogt hat.
Auch in den USA hat es der Film nicht leicht. Obwohl der Oscargewinn für Independentfilme normalerweise zu breiter Aufmerksamkeit und kommerziellem Erfolg führt, findet das palästinensisch-israelische Werk in den USA bislang keinen Filmverleih.
Kontroverse in Berlin
"No Other Land" dokumentiert den Widerstand von Palästinensern im Westjordanland gegen israelische Pläne, ihre Dörfer zu zerstören, um Platz für einen Truppenübungsplatz zu schaffen. Regie führten die vier palästinensischen und israelischen Aktivisten und Journalisten Basel Adra, Yuval Abraham, Hamdan Ballal und Rachel Szor.
Adra, der selbst in dem von Abriss bedrohten Gebiet lebt, nutzte die Dankesrede in Los Angeles für ein politisches Statement: "Wir rufen die Welt auf, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um die Ungerechtigkeit zu beenden und die ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes zu stoppen", sagte er unter jubelndem Applaus des Publikums.
Sein Co-Regisseur Abraham prangerte die US-Außenpolitik an, die dazu beitrage, "einen Weg zum Frieden zu blockieren". Er forderte ein Ende der Zerstörung des Gazastreifens, bezeichnete aber auch die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 als Verbrechen und forderte die Freilassung israelischer Geiseln.
Schon bei der Berlinale 2024, wo der Film als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, hatten die Filmemacher mit drastischen Worten die israelische Besatzung und Ungleichbehandlung von Palästinensern angeprangert, was Antisemitismusvorwürfe auslöste. Dennoch fand "No Other Land" in 24 Ländern einen Verleih, darunter auch in Deutschland.
In den USA jedoch nicht, obwohl der Film auch dort von Kritikerverbänden ausgezeichnet wurde. Laut Abraham liegt dies an der in dem Film geäußerten Kritik an Israel, für die es in den USA wenig Raum gebe. Der israelische Kulturminister Miki Zohar twitterte etwa, der Film "verzerre" die israelische Realität und sabotiere den jüdischen Staat.
Der Film sei nicht einseitig, denn er zeige beide Seiten der Realität in den besetzten Gebieten, hält dem die deutsche Gruppe "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden" entgegen.
"Dies sind natürlich zwei asymmetrische Seiten, weil die Realität nicht symmetrisch ist, aber es sind zwei Seiten. Es gibt keine Möglichkeit, dies symmetrisch darzustellen, weil es nicht so ist", so die Organisation in einem Statement, unter dem sich auch der Link zu einem Stream des Films findet – der allerdings nur mittels VPN-Tunnel funktioniert, der über einen israelischen Server verbunden ist.
Nahost polarisiert die US-Politik
Dass kontroverse Dokumentarfilme Schwierigkeiten haben, US-Verleiher zu finden, ist ein Trend der letzten Jahre. Verschärfend kommt im Fall von "No Other Land" hinzu, dass der seit dem Herbst 2023 wieder eskalierte Nahostkonflikt auch die US-Innenpolitik polarisiert.
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Für palästinensische Filme ist es zudem schwierig, im auf Nationalstaaten ausgerichteten System von Festivals und Preisen wahrgenommen zu werden. Schon 2002 hatte die Academy einen Oscar-Beitrag aus Palästina abgelehnt, da das Land kein UN-Mitglied ist.
2021 boykottierte das Team des Films "Let It Be Morning" das Filmfestival Cannes, weil der Film als israelisch eingestuft wurde, obwohl fast der gesamte Cast aus Palästinensern bestand. Häufig werden Film-Events auch für politische Statements genutzt.
Die Oscar-Verleihung war dieses Jahr keine Ausnahme. Viele Gäste trugen rote Anstecker zur Unterstützung eines Waffenstillstands in Gaza, Proteste verzögerten den Beginn der Zeremonie.
Ob dies die Chancen für einen Verleih von "No Other Land" in den USA weiter schmälert, bleibt abzuwarten. Mustafa El Mesaoudi vom deutschen Verleih Immergutfilm hält es für möglich, dass der Film auch dort noch in die Kinos kommt.