Ostdeutsche Industrie fordert Rückkehr zu russischem Gas und Öl

Eine Leitung mit Knoten in russischen Nationalfarben symbilisiert das Ölembargo gegen Russland.

Unternehmen wollen russische Energielieferungen. Chemiestandorte und Raffinerien kämpfen um ihre Existenz. Doch Berlin und Brüssel stehen den Forderungen entgegen.

Der Krieg in der Ukraine ist bislang nicht vorbei und in der Wirtschaft Ostdeutschlands mehren sich die Stimmen, wieder russisches Erdöl und Gas ins Land zu lassen. Ermutigt werden die Unternehmen von der Aussicht eines baldigen Friedensschlusses, der vom US-Präsidenten Donald Trump angestrebt wird.

Chemiestandort Leuna: Russisches Gas als wirtschaftliche Notwendigkeit

Für Christian Günther, dem Leiter eines der größten Chemiestandorte in Deutschland, sind russische Energieträger offenbar die einzige Möglichkeit, Branchen wie seine in der Bundesrepublik wieder auf die Beine zu bringen. Gegenüber Bloomberg sagte er, Deutschland müsse wirtschaftlich stark sein, um beim Wiederaufbau der Ukraine einen Beitrag leisten zu können.

Unterstützt wird er demnach von Sven Schulze (CDU), dem Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt. Ein Friedensabkommen würde auch die Einstellung zur Energie aus Russland verändern, sagte er laut Bericht.

Im politischen Berlin will man davon allerdings noch nichts hören, aber es rumort nicht nur im Chemiepark Leuna, sondern auch in der PCK-Raffinerie in Schwedt in Brandenburg. Dort macht sich die Belegschaft Sorgen um die Zukunft des Standorts. In einem Brief an die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt weisen Betriebsrat und Aufsichtsratsmitglieder auf die schwierige Lage hin, berichtet etwa die Lausitzer Rundschau (LR).

Gescheiterte Versprechen: Wasserstoffprojekte und Standortsicherung in Schwedt

Nachdem die russische Armee in der Ukraine eingefallen war, hatte die Europäische Union Sanktionen gegen Öllieferungen aus Russland verhängt, wobei leitungsgebundene Lieferungen davon ausgenommen waren. Die Bundesregierung verpflichtete sich aber freiwillig, auch auf diese Lieferungen zu verzichten.

Für die PCK-Raffinerie begann damit eine ungewisse Zukunft, und das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium beeilte sich, mit allerlei Versprechungen die Wogen in der Region wieder zu glätten. Mit grünem Wasserstoff sollte der Standort neu aufgestellt und vor Ort sollten 100-Megawatt-Elektrolyseure installiert werden. Jetzt heißt es: Das große Elektrolyseprojekt werde nicht weiterverfolgt.

Das ist aber nicht alles: Nachdem die russischen Öllieferungen gestoppt werden mussten, leitete Russland die Ströme um, etwa nach Indien. Dort wurde seitdem das günstige russische Erdöl verarbeitet und von dort gelangten günstige Ölprodukte auf die internationalen Märkte, was die Marktbedingungen für PCK-Raffinerie offenbar verschlechterte. Diese Marktsituation wird in dem Brief moniert, aber auch, dass in Indien ohne zusätzliche Umweltkosten, wie die CO2-Bepreisung, produziert werden kann.

Pipeline: Versprochen, aber bis heute nicht umgesetzt

Die Bundesregierung hatte zudem versprochen, dass eine Pipeline vom Hafen in Rostock nach Schwedt ertüchtigt werden soll. Dies wurde notwendig, da unter anderem Polen damals eine Sperrung der Druschba-Pipeline ins Spiel gebracht hatte. Deshalb sollte die Ölleitung von Rostock so ausgebaut werden, sodass rund neun Millionen Tonnen Erdöl auf diesem Weg geliefert werden und die Raffinerie wirtschaftlich arbeiten kann.

Allerdings hat sich hier auch nicht viel getan. Anfang Juli 2023 wurde der entsprechende Antrag bei Habecks Wirtschaftsministerium eingereicht. Bis heute wartet die Raffinerie auf eine Entscheidung. In dem Brief an die Ministerpräsidenten heißt es deshalb, es sei nicht absehbar, dass die Mittel jemals zur Ertüchtigung der Pipeline eingesetzt werden.

Während die Menschen in Schwedt und in der Region Leuna um ihre Zukunft bangen, ist es alles andere als absehbar, ob es ein Zurück zu russischem Öl und Gas geben wird. Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten verpflichten, bis 2027 auf Energieträger aus Russland zu verzichten – und die eine Abhängigkeit durch die Abhängigkeit von den USA zu ersetzen. Noch im kommenden Monat soll ein entsprechender Fahrplan präsentiert werden.