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Seite 2: Blockade am spanischen Verfassungsgericht aufgelöst

Ministerpräsident Sánchez hat aber jetzt einen Stolperstein weniger. Die Blockade am spanischen Verfassungsgericht ist inzwischen aufgelöst.

Der umstrittene Oberste Justizrat (CGPJ) hob die seit über sechs Monaten währende Blockade bei der Neubesetzung von Richtern am Verfassungsgericht auf. "Die Demokratie hat über die Blockade der PP gesiegt", tönte Sánchez.

Einstimmig entsandte der CGPJ zwei neue Richter an das höchste Gericht. Die hätten gemäß der Verfassung spätestens vor sechs Monaten erneuert werden müssen. Möglich wurde dies, da die progressiveren Richter im Justizrat nicht auf beide progressiveren Kandidaten beharrten. Für die Wahl eines Konservativen akzeptierten sie, die progressivere María Luisa Segoviano mitzutragen. Da nun auch die Regierung zwei Richter für neun Jahre bestimmen kann, erhält das höchste Gericht nach fast zehn Jahren eine "progressive Mehrheit".

Über die rechte Mehrheit im höchsten Gericht konnte die rechte Volkspartei (PP) der Regierung immer wieder in die Parade fahren und wichtige Vorhaben stoppen, obwohl sie keine Mehrheit im Parlament hat. In der in zwei Lager gespaltenen Justiz bestimmt oft nicht das Gesetz, wie Richter entscheiden, sondern die politische Ausrichtung gibt vor, wie Gesetze oder die Verfassung interpretiert oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden. Urteile des Verfassungsgerichts werden deshalb nicht selten vor europäischen Gerichten kassiert.

Letzte Woche war es zum offenen Schlagabtausch zwischen Verfassungsgericht und der Parlamentsmehrheit gekommen. Denn mit knapper Mehrheit untersagte das Verfassungsgericht dem spanischen Parlament erstmals, nachdem eine Reform im Kongress schon beschlossen war, sie im Senat weiter zu debattieren und zu verabschieden. Ausgelöst wurde die schwerste institutionelle Krise seit Jahrzehnten und sogar von einem "Justizputsch" wurde gesprochen.

Das Verfassungsgericht urteilte zudem in eigener Sache. Denn die Mehrheit zur Ernennung von Verfassungsrichtern sollte geändert werden, um der PP den Blockadehebel zu nehmen. Die ließ die Reform per Eilantrag durch ihre rechten Richter stoppen. Verfassungswidrig sorgten ausgerechnet die zwei Richter für eine knappe Mehrheit, die seit sechs Monaten kein Mandat mehr haben.

Doch die Erneuerung der Richter basiert erneut auf einem Verfassungsbruch. Denn seit Jahren hat der CGPJ kein Mandat mehr, ist nur noch geschäftsführend im Amt. Der Rat darf deshalb eigentlich keine neuen Richter mehr ernennen, betonen Verfassungsrechtler wie Javier Pérez Royo immer wieder. Er spricht nun von einem "Präzedenzfall", der "aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hätte schlechter sein können".

Er mahnt Reformen auch mit Blick auf den CGPJ an. Denn dort hat sich die Rechte eingegraben und blockiert seit vier Jahren die Erneuerung, um die Kontrolle über die "Regierung der Richter" nicht zu verlieren.

Die Reform dieses wichtigen Gremiums steht aus – und mit dem Schachzug am Verfassungsgericht wurde quasi auch legitimiert, dass der Rat immer neue Richter ernannt hat und vermutlich weiter ernennen wird und damit die Vorherrschaft der Rechten in der Justiz über viele Jahre zementieren kann.

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