Paderborner "Hirten unter Hitler"

Seite 2: Ein Journalist durchbricht den Panzer des klerikalen Männerbundes

Den harten Panzer des Schweige-, Vertuschungs- und Beschönigungskomplexes hat kein Kirchenhistoriker oder Vertreter der akademischen Geschichtswissenschaften aufgebrochen, sondern der katholische Journalist Wolfgang Stüken. Im Jubiläumsjahr 1999 der Kirche von Paderborn ("1200 Jahre Bistum") legte er sein folgenschweres Buch "Hirten unter Hitler" über die Rolle der beiden Paderborner Erzbischöfe in der NS-Zeit vor.

Dieses Werk, das den Boden für eine kritische Sichtweise grundgelegt hat, verleugnet in stilistischer Hinsicht keineswegs die journalistische Schreibwerkstatt. Gleichzeitig enthält die Darstellung jedoch auf Schritt und Tritt gründliche Quellennachweise: Belege aus einer langwierigen und umfangreichen Forschungsrecherche.

In den international verbreiteten "Holocaust and Genocide Studies" des United States Holocaust Memorial Museums (Washington DC, USA) erschien 2001 eine mehrseitige Besprechung. Die Zeitschrift Publik-Forum attestierte der "akribischen Studie", sie dokumentiere "auch die blamablen Bemühungen von Amtsbrüdern und kirchennahen Historikern, die traurige Realität zu verdrängen und zu vertuschen".

Erst nach zwei Jahrzehnten lässt sich heute die Wirkungsgeschichte dieser Arbeit überblicken. 2015 beantragte die "Demokratische Initiative Paderborn" (DIP) im Kommunalparlament, öffentliche Rühmungen Jaegers durch "Ehrenbürgerschaft", Straßennamen usw. zu beenden. Meine Stellungnahme für diese linke Ratsfraktion fußte weitgehend auf den Erkenntnissen von Wolfgang Stüken, die das kirchliche Schriftgut damals noch stillschweigend überging. Mit den Stimmen von CDU, FDP (!) und der "Freien Bürger Initiative" wurde der Antrag nach einer leidenschaftlichen öffentlichen Debatte abgebügelt.

Das Erzbistum beauftragte jetzt aber selbst Forschungen über Lorenz Jaeger. In einem 2020 veröffentlichten Buch der kircheneigenen Fakultät attackierte ein Historiker, der wie einstmals der Kardinal den "Rittern vom heiligen Grab" angehörte, noch einmal mit großer Schärfe Stükens wegweisende Veröffentlichung. In ihr walte eine "Hühnerhofmethode" und die Kritik grenze an "Geschichtsfälschung". Der Erzbischof habe 1941-1945 "seine Sache gut gemacht"!

In diesem Jahr ist nun aber ein ebenfalls in kirchlichem Auftrag erarbeiteter Tagungsband "Lorenz Jaeger als Kirchenpolitiker" erschienen, der als eindrucksvolle Bestätigung für den kritischen Ansatz des Paderborner Journalisten gelesen werden kann.

Im Rahmen des Projekts "Kirche & Weltkrieg" haben wir jetzt zur Weihnachtszeit eine Neuedition des schon lange vergriffenen Buches "Hirten unter Hitler" vorgelegt – zum wohlfeilen Preis, denn der Autor Wolfgang Stüken verzichtet zugunsten des friedensbewegten Geschichtsprojekts auf seine Tantiemen.