Panamakanal: Eine Arterie des Welthandels blutet aus
Panamakanal kämpft mit Trockenheit, der Suezkanal mit Angriffen der Huthi-Rebellen. Globale Seefracht befindet sich in der Krise – bald könnten neue Akteure mitmischen.
Anfang Januar dieses Jahres machte die Meldung weltweit die Runde: Der Panamakanal leidet unter Trockenheit, die Zahl der Schiffe, die ihn passieren, muss reduziert werden. Eine Schreckensnachricht für den Welthandel. Mittlerweile hat sich die Situation stabilisiert. Die Regenzeit, die in Panama im Mai beginnt, ließ die Pegel steigen.
Panamakanal: Trockene Zeiten für den Welthandel
Der vor wenigen Wochen ins Amt gewählte Präsident José Raúl Mulino kündigte unlängst an, den Schiffsverkehr zu erhöhen. Ab dem 1. Juni soll die Anzahl der Frachter auf bis zu 32 täglich angehoben werden.
Zurzeit sind es weniger – während noch vor der Wasserkrise jeden Tag 39 Frachter den Kanal durchkreuzten. Über den zentralamerikanischen Kanal werden rund sechs Prozent des Weltseehandels abgewickelt. 40 Prozent der Handelscontainer der USA kommen über die Landenge Panamas zu Uncle Sam.
Nicht nur die Anzahl der Frachter, auch das Gesamtgewicht der transportierten Waren musste von der Kanalverwaltung (ACP) zwangsläufig reduziert werden. Eine beispiellose Trockenperiode, kaum Regen – so wenig wie seit Jahrzehnten nicht – führte dazu, dass weniger Schiffe als sonst die Meeresenge passieren konnten.
Wassermangel in einer künstlich angelegten Wasserstraße zwischen zwei gigantischen Ozeanen scheint ironisch. Doch der Panamakanal wird weder vom Atlantik noch vom Pazifik gespeist. Der Gatúnsee, ein künstlich geschaffener Süßwasser-Stausee, versorgt den Panamakanal mit dem notwendigen Wasser. Er entstand durch die Aufstauung des 125 Kilometer langen Flusses Chagres.
Süßwasser als Lebensader des Panamakanals
Der Wasserstand des Gatúnsees sank auf ein kritisches Niveau herunter. Der Panamakanal mit seinem komplexen Schleusensystem verschluckt mit jedem Schiff, das ihn passiert, enorme Mengen Wasser.
Die Niederschläge betreffen jedoch nicht nur den Kanal – sie sind auch essenziell für die 4,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des zentralamerikanischen Landes. Rund die Hälfte des Trinkwassers hat seinen Ursprung im Kanal, einschließlich der Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt. Die Wasserstraße ist die wichtigste Einnahmequelle für den kleinen Staat.
Die Dürrephase schränkte den Kanalverkehr monatelang ein. Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd leitete Frachtschiffe von Asien über die Südspitze Afrikas und über den Atlantik an die Ostküste Amerikas um.
Anders als Hapag-Lloyd wähle die dänische Reederei Maersk einen völlig anderen Weg, berichtete der NDR im Januar:
Schiffe werden auf der einen Seite des Panamakanals entladen, die Container anschließend per Bahn auf die andere Kanalseite gebracht. Dort werden die Boxen wieder auf ein Schiff geladen und über See transportiert.
Kreative Lösungsansätze für eine durstige Wasserstraße
Panama ist eigentlich ein sehr regenreiches Land. Doch die Niederschlagsmengen scheinen zunehmend weniger und unvorhersehbarer zu werden.
Die fehlenden Regenfälle erhöhten zudem den Salzgehalt von Seen und Flüssen. Das ist problematisch, da diese ebenso als Trinkwasserquellen für die Bevölkerung dienen. Der Bau von Entsalzungsanlagen ist eine Möglichkeit hierfür – die jedoch kostspielig ausfällt. Auch über das sogenannte "Wolkenimpfen", dem Einbringen von Salzpartikeln in Wolken zur Steigerung der Niederschlagsmenge, wird nachgedacht.
Doch all diese Vorhaben sind langfristige Projekte. Die zunehmenden Schwächen des Panamakanals haben andere Länder bereits auf dem Radar – und planen entsprechende Alternativen.
Neue Transportrouten: Konkurrenz für den Panamakanal?
Eine Neuorientierung des globalen Frachtverkehrs könnte bevorstehen. Die Situation ist komplex: Klimawandel, Wetterphänomene, bewaffnete Attacken und Mega-Infrastrukturprojekte haben das Potenzial, die bestehende Hegemonie die großen Transportkanäle zu Fall zu bringen.
Während der Suezkanal von Angriffen der Huthi-Rebellen beeinträchtigt wird, der Panamakanal durch fehlendes Regenwasser in der Krise steckt, betritt ein weiterer Akteur das Parkett des Welthandels: Mexiko.
Der "Corredor Interoceánico" (Interozeanischer Korridor) ist eine Zugstrecke, die sich von der Golfküste Mexikos bis zum Pazifik erstreckt. Dieser Korridor befinde sich in der Region des Isthmus von Tehuantepec. Diese Landenge stellt die kürzeste Verbindung zwischen dem Golf Mexikos und dem Pazifik dar, die schmalste Stelle zwischen den beiden Ozeanen.
Mexikos Interozeanischer Korridor: Ambitioniertes Infrastrukturprojekt mit Hindernissen
Die Bauarbeiten des Großprojekts wurden von zahlreichen Protesten begleitet. Aktivistinnen und Aktivisten wurden kriminalisiert. Indigene Gemeinden kritisieren die fehlende Mitsprache am Infrastrukturvorhaben, befürchten zudem negative ökologische Auswirkungen der Zugstrecke.
Die Strecke dehnt sich auf 227 insgesamt Kilometern zwischen Coatzacoalcos (Bundesstaat Veracruz, Atlantik) und Salina Cruz (Bundesstaat Oaxaca, Pazifik) aus. Waren sowie Passagiere sollen von Küste zu Küste in nur drei Stunden gelangen.
Staatschef Andrés Manuel López Obrador, dessen Mandat bald endet, behauptete im Dezember vergangenen Jahres bei der Einweihung der ersten Zugfahrt des Projekts, dass "alle asiatischen Staaten" Interesse gezeigt hätten, da der Panamakanal ausgelastet sei.
Das Infrastrukturprojekt ist ein alter Traum eines Militärgenerals, der Mexiko für rund 35 Jahre regierte: Porfirio Díaz. Unter seiner Herrschaft wurde die Zugstrecke bereits vor mehr als 100 Jahren gebaut. Was bisher nicht fertig ist: Rund zehn Industrieparks, die – samt Steuervergünstigungen – Investitionen anlocken sollen.
Auch die Bauarbeiten in den Häfen in Salina Cruz und Coatzacoalcos sind nach wie vor nicht abgeschlossen. Sonst würde dem Projekt nicht mehr viel im Wege stehen – sofern Reedereien ihre Fracht tatsächlich nicht mehr über den Panamakanal transportieren wollen würden.
Die Fracht würde in Mexiko zudem von Küste zu Küste schneller transportiert werden können, als ein Schiff den Panamakanal durchquert. Ein gewichtiges Problem: Der Korridor kann maximal zwei Züge mit bis zu sechs Reisen am Tag bewältigen. Mehrere Hundert Container Ware, mehr geht nicht. Ein einziger Frachter, der den Panamakanal durchquert, kann bis zu 5.000 Container transportieren.
Juan José Ramírez Bonilla, Forscher am Zentrum für Asien-Pazifik-Studien am Colegio de México, sagte der Zeitung Milenio gegenüber, dass Mexiko mit dem Interozeanischen Korridor eine großartige Möglichkeit habe, seine internationalen Handelsbeziehungen auszubauen. Zudem sei es "für die Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung, eine alternative Handelsroute zu ihrer Westküste zu haben", so der Wissenschaftler.
Alternativprojekte, die die dominante Rolle des Panamakanals aufweichen soll, gibt es schon länger. Kolumbien möchte 2025 eine 198 Kilometer lange Bahnstrecke einweihen. Dort sollen 16 Züge pro Tag durch die gesamte Darién-Region rollen. Seefrachtcontainer sollen so in kurzer Zeit vom Atlantik über den Pazifik transportiert werden.
Rund 90 Prozent des weltweiten Warenhandels wird via Seefracht abgewickelt. Da sowohl der Suezkanal in Ägypten als auch der Panamakanal in einer handfesten Krise stecken, werden potenzielle Alternativen wie der Interozeanische Korridor in Mexiko immer relevanter.
Klimawandel und Wetterphänomene: Ungewisse Zukunft für Panama
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsinstituts "World Weather Attribution", das Extremwetterereignisse untersucht, veröffentlichten vor knapp einem Monat eine Studie. Die Untersuchung konstatiert, dass 2023 eines der trockensten Jahre seit Aufzeichnung in Panama war.
Ausreichend Evidenz, dass der menschengemachte Klimawandel für diese Dürrephase hauptverantwortlich ist, sehen die Forschenden jedoch nicht – eher das Wetterphänomen El Niño. Dabei wirken sich veränderte Meeresströmungen aufs Klima in der Region Lateinamerika aus. El Niño ist zurzeit in Mexiko für eine Hitzewelle verantwortlich, die nach Angaben des Gesundheitsministeriums dort seit Mitte März 48 Tote und fast 1.000 Verletzte verursacht hat.
Temperaturen von über 45 Grad Celsius wurden erreicht. Die Autorinnen und Autoren der Studie zur Dürre-Problematik in Panama schlussfolgern, dass "die künftige Entwicklung in dieser Region bei anhaltender Erwärmung ungewiss" sei. Künftige Jahre, die das El-Niño-Phänomen mit sich bringen werden, führten zu "weiterhin geringen Niederschläge und – ohne Anpassungsmaßnahmen – ähnlich niedrige Seepegel". Das Problem des Panamakanals wird weiter bestehen.
Panamas wirtschaftliche Abhängigkeit vom Kanal
Lateinamerikaexperte Günther Maihold betont bei der Deutschen Welle, wie sehr Panama von seiner künstlichen Wasserstraße abhängt – und welche anderen Herausforderungen das Land bewältigen muss.
Die Reduzierung der Anzahl passierender Schiffe wirkt sich direkt aufs BIP aus, wovon in Panama rund acht Prozent direkt auf den Kanal zurückzuführen seien. Zwischen 500 und 700 Millionen US-Dollar werde man laut Kanalverwaltung alleine im Jahr 2024 an Einnahmen verlieren. Zusätzlich werde die mittelamerikanische Nation auf eine weitere relevante Einnahmequelle verzichten müssen: den Kupfertagebau.
Der Konservative José Raúl Mulino, der zu Beginn des Monats zum Präsidenten gewählt wurde, "steht vor der schwierigen Aufgabe, das Wirtschaftswachstum des Landes anzukurbeln, die Zahlungsunfähigkeit des Sozialversicherungssystems zu vermeiden, die Schulden zu bedienen und die Migrationswelle durch den Darién zu kontrollieren."
So schnell wird der Panamakanal nicht weichen – und kreative Vorschläge zur Problembewältigung gab es schon seit jeher. Die USA hatten sogar einst die Idee, den Panamakanal mithilfe nuklearer Sprengungen zu erweitern ("Operation Pflugschar"), oder gar einen ähnlichen Kanal in Nicaragua durch Atomexplosionen zu erzeugen.