Pandemie und Pantomime
Kommentar: Über das Versagen der Religion in der Corona-Krise
Keine Frage, die Corona-Pandemie lässt viele Akteure dumm dastehen. Ganze Milieus, Geschäftsmodelle und Ideologien zeigen sich in der Auseinandersetzung mit dem Virus unbewaffnet und ahnungslos, oder sie offenbaren ihre Natur als zynischer Zirkus.
Der Fußball in Stuttgart und in Mailand, der Karneval in Heinsberg und in New Orleans, der glorreiche "freie Markt" und seine Unfähigkeit, irgendwas vernünftig zu regeln, Populisten wie Trump, Bolsonaro und die AfD (natürlich), und viele andere Stützen der Gesellschaft sind da nur ein paar Beispiele. Lustig ist das allenfalls für Sadisten, die an ihre eigene Unverwundbarkeit glauben.
Ganz besonders nackt stehen aber die Religionen da. Ihre Unfähigkeit, sinnvoll auf die Krise zu reagieren, sollte keine Überraschung sein - was in sich sinnlos ist, kann in Krisensitutationen nicht sinnvoller werden. Aber die Nachhaltigkeit, mit der sich der Budenzauber gerade blamiert, ist schon spektakulär; der Weg von der Religion zur Selbstsatire war noch selten kürzer.
Als erstes positionierten sich natürlich wieder einmal die besonders schattigen Vertreter der religiösen Zunft, wie zum Beispiel die Mullahs im Iran, die erst durch komplette Passivität und Ahnungslosigkeit glänzten, indem sie vielbesuchte Pilgerstätten geöffnet ließen und dann, wie üblich, mit lächerlichen Verschwörungstheorien von ihrer eigenen Unfähigkeit ablenken wollten. Das Ergebnis war bereits Mitte März aus dem Weltraum zu beobachten: Massengräber.
Amerikanische Dudelprediger konnten natürlich auch nicht auf der faulen Haut liegen. Besonders bezeichnend in dieser Hinsicht mag das Schicksal von Landon Spradlin sein, der erst meinte, die Aufregung um Sars-CoV2 sei eine gegen Trump gerichtete politische Waffe der Medien und der dann an Covid-19 starb.
Teilweise riskierten seine Kollegen den offenen Konflikt mit der Staatsmacht. Rabbis, die den Virus als Zeichen für das Nahen des Messias begriffen, moslemische Prediger, die selbstverständlich den Ursprung des Virus in den USA oder in Israel verorteten, griechisch-orthodoxe Geistliche, die ihre Gemeindeschäfchen dazu aufriefen, Ausgangssperren zu umgehen - keiner wollte beim grausigen Festival der Dummheit fehlen. Ein konservativer katholischer Kardinal namens Raymond Burke, für den es anscheinend in Italien gar nicht genug Tote geben kann, machte bei der Narrenparade natürlich auch mit.
Sein Chef ließ sich noch was Anderes einfallen. Am 15.3. ging er den kurzen Dienstweg und bat Gott umstandslos, die Pandemie zu beenden. Als Gott auf die Dringlichkeitsnote nicht hörte, richtete sich sein Stellvertreter wieder an das Kirchenvolk und spendete eine Extradosis Urbi et Orbi. Das "Expecto Patronum" des Katholizismus gibt es sonst nur zwei Mal im Jahr (und nach einer Papstwahl).
Immerhin war man nicht wahnsinnig genug, den Mummenschanz vor dem vollbesetzten Petersplatz aufzuführen, was Kardinal Burke wahrscheinlich wiederum begrüßt hätte. Das Geisterspiel ohne Publikum geriet dann unfreiwillig zu einem vernichtenden Kommentar über die ganze religiöse Pantomime. Erst auf der leeren Bühne, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, entfaltete sich die Nichtigkeit der Zaubersprüche mit allem Nachdruck. Wie der Autor und Journalist Günther Hack kann man vermuten, dass dieses Bild von der Corona-Krise bleiben wird.
Selbstverständlich macht es keinen Sinn, jetzt Virologen und Mediziner zu allwissenden Superhelden und quasireligiösen Ersatzautoritäten aufzubauen. Das erzeugt nur einen Erwartungsdruck, dem man sich als Wissenschaftler ja entziehen muss, um arbeitsfähig, ehrlich und nüchtern zu bleiben. Und selbstverständlich gibt es religiöse Menschen, die sich in allen möglichen Situationen und Positionen sinnvoll engagieren, genau wie nichtreligiöse.
Aber die Religionen als institutionalisierte und hierarchisierte Formen des magischen Denkens (und zumal ihre herausragenden Vertreter), geben das erwartbar jämmerliche Bild ab. Das törichte Herumgefuchtel mit Monstranzen, heiligen Texten und dummen Ideen ist im besten Fall nutzlos, im schlimmsten Fall kann es ungezählte Menschen das Leben kosten. Die Corona-Epidemie macht mit seltener Deutlichkeit klar: Die Religionen haben keine Probleme, sie sind ein Problem.