Panorama, "Killerspiele" und die Filter-Firma
Für den in die Kritik geratenen Panorama-Beitrag des NDR wurde als "Experte" der Vorstand einer "Internetsicherheitsfirma" präsentiert, der schon häufiger wegen seiner umstrittenen Behauptungen aufgefallen ist
Der Beitrag Morden und Foltern als Freizeitspaß - Killerspiele im Internet des NDR-Magazins "Panorama" vom 22. Februar 2007 hat bisher vor allem die Spieler wegen der enthaltenen Fälschungen und Verunglimpfungen in Zorn versetzt. Doch noch bedeutsamer als eine umstrittene Meinungstendenz und -in diesem Fall gravierende- handwerkliche Fehler dürfte für die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Magazins die Nähe zu einem Unternehmen sein, das offensichtlich zu einem wesentlichen Teil an dem Beitrag beteiligt war und darin auch eine umfangreiche Darstellung erfuhr.
Die Hamburger Firma Pan Amp, deren Namenszug und Logo an eine verblichene US-Fluggesellschaft erinnern, kümmert sich nach eigenen Angaben um "IT-Sicherheit". Auf der Webseite nehmen Schadsoftware, Hacking und kriminelle Inhalte wie Betrug allerdings nur eine untergeordnete Rolle ein. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf Internetfiltern und politischer Agitation, zu Gunsten einer allgemeinen staatlichen Internetfilterung und verschärften Verbotsgesetzen, für deren Umsetzung natürlich die eigene Software "genau passend" wäre. Und auch einen eigenen Filter für "Ego-Shooter"-Spiele vertreibt die Firma, 319 Euro für 250 Nutzer (Stand: 26.2.2007). Die Schwerpunkte liegen also nicht auf dem Schutz der Internetnutzer oder der Infrastruktur, sondern auf ihrer Überwachung und Kontrolle durch höhere Instanzen, wie Firmen, Netzbetreiber oder auch den Staat. Angeblich betreibt Weingarten auch "Internet-Personenschutz", indem er für Konzernvorstände und andere gesellschaftlich hoch stehende Persönlichkeiten nach Gefahren für sie sucht.
Die an dieser Stelle ursprünglich vorhandenen Logos der Firma PAN AMP wurden auf Wunsch des Unternehmens entfernt.
Investigative Berichterstattung und kommerzielle Interessen im Einklang
Deutlich wird, dass wesentliche Inhalte der Sendung vom 22.2. von der Firma Pan Amp beigesteuert wurden. So wurde von der Firma eine Zählung von Online-Spielern sog. "Killerspiele", nach eigenen Angaben "im Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt" durchgeführt. Vorstand Bert Weingarten selbst trat in längeren Interview-Passagen als "Experte" auf; tatsächlich verfügt er lediglich über technische Internetkenntnisse; psychologische oder pädagogische Qualifikationen sind nicht bekannt. Die Firma Pan Amp brachte Inhalte für das Umfeld des Spiels "Call of Duty", sowie den Aspekt, dass Modifikationen des Spiels zwecks historischer Authentizität auch NS-Symbolik einbringen. Statistische Erhebungen und längerfristige Recherchen im Internet kosten Sender Geld und Journalisten Arbeit. Da ist es ein merkwürdiger Zufall, dass eine Privatfirma Statistiken und Untersuchungsergebnisse beisteuert und die Sendungen stets eine der Firma zuträgliche Tendenz haben.
Wiederholte Kooperation: Panorama, Thomas Berndt und Pan Amp
Denn die Kooperation zwischen Panorama-Journalisten und der Firma Pan Amp ist nicht neu. So sendete Panorama am 21.9.2006 einen Beitrag über Sprengstoff im Kinderzimmer und angeblich im Internet leicht gemachten Bombenbau durch Jugendliche, zuvor am 10.8.2006 über die Terrorgefahr in London (Das virtuelle Afghanistan der Terroristen) und gegen "Baumarktbomben" hilflose Behörden. Und schon am 4.8.2005 hatte das Magazin einen Beitrag über Bomben aus dem Baumarkt und deren angebliche Verwendung durch Terroristen gesendet.
In allen Beiträgen wurden die Firma Pan Amp genannt, von ihr aufgestellte Behauptungen zitiert und der Firmenvorstand Weingarten als "Experte" für Internet-Gefahren interviewt. Wesentliche Elemente der Beiträge waren die Verschärfung des §130a im Strafgesetzbuch gegen die "Anleitung zu Straftaten", um schon die bloße Information über die Herstellung von Sprengstoff unter Strafe zu stellen, vor allem aber die Forderung nach Filterung des Internet durch den Staat und der Sperrung unerwünschter Inhalte. Der Beitragssprecher in der Sendung vom 4.8.2005 in anklagendem Ton: "Während andere Länder diese Inhalte rigoros sperren, streitet man in Deutschland untätig um Paragraphen." Verantwortlich für alle diese Beiträge, wie auch den "Killerspiel"-Beitrag vom 22.Februar 2007, zeichnet sich der Panorama-Redakteur Thomas Berndt. Ist es ein Zufall, dass eine Firma gehäuft in den Beiträgen eines bestimmten Redakteurs auftaucht und diese Beiträge dann sehr im Sinne der Firma sind?
Was macht die Firma Pan Amp so besonders?
Internet-Filter sind längst keine technische Neuigkeit mehr. "Killerspiele" dem Arbeitsgebiet IT-Sicherheit zuzuordnen, ist allerdings ungewöhnlich, zumal die Firma keine spezifische Kinder- oder Jugendschutz-Software vertreibt. Auffällig an der Firma Pan Amp ist vor allem ihre reißerische, alarmistische Öffentlichkeitsarbeit und politische Agitation. In zahlreichen Pressemeldungen und Rundfunkberichten zu angeblichen Internet-Gefahren tauchen mittlerweile Bezüge zu der Hamburger Firma auf. Weingarten spricht in den Panorama-Beiträgen von "4000 neuen Bombenbau-Anleitungen" jeden Monat im Internet und einer Gesamtzahl von rund 200.000 derartigen Instruktionen im deutschsprachigen, von 600.000 im internationalen Netz. Die Antwort auf die Frage, wie Bombenanleitungen in einer Größenordnung der Einwohnerzahl von Dortmund von einer Szene überwiegend jugendlicher "Knall-Köpfe" produziert werden können, bleibt Pan-Amp-Chef Weingarten schuldig. Heise.de kommentierte am 6.12.2006 Weingartens Zahlen mit zweifelndem Unterton, wies auf die zahlreichen Forderungen von Politikern und Polizeiorganisationen in Folge der Pan Amp-Kampagnen und die wirtschaftlichen Interessen hinter den Bedrohungsszenarien hin: "Möglicherweise sieht Weingarten in der gegenwärtigen Diskussion eine Möglichkeit, mit einer Firewall, um Deutschland gegen "Killerspiele", Bombenbauanleitungen und anderes zu wappnen, ins Geschäft zu kommen."
Auffällig ist auch die Gestaltung des Filterangebots: Während andere Hersteller alle Kategorien in einer Software anbieten, offeriert Pan Amp als separate Angebote einen "Terror-Filter", einen "Bomben-Filter" und den "Ego-Shooter-Filter". Man kann sagen: für jedes von Pan Amp forcierte Medienthema ein passender Filter! Die Nähe zur Politik sucht die Firma auch gezielt: So stellte sie 2001 für bayerische Schulen im Rahmen der Initiative "Schulen ans Netz" Filtersoftware für einen Pilotversuch zur Verfügung. Und die Pan Amp-Angehörigen versuchen, Politiker und Ministerien zur allgemein zwingenden Installation von Filtern zu bewegen [13]. Die Pan Amp-Pressemitteilungen enthalten Parolen wie "Bundesminister gefährden die Innere Sicherheit durch Tatenlosigkeit", zusammen mit Berichten, dass man gezielt Ministerien und Politiker zur Filter-Installation drängt.
"Kulturelle Harmonie" mit Zensur und Verboten
Was Weingarten mit seiner Firma den Politikern nahezulegen sucht, findet sich im Schlusssatz seiner "Killerspiele"-Meldung vom 26.2.2007 kurz und bündig zusammen gefasst: "Jeder Innenminister, der Killerspiele nicht unmittelbar in die rechtlichen Schranken verweist, versündigt sich [...] an der kulturellen Harmonie in Europa". Kulturelle Harmonie also, nach dem Gutdünken von Politikern und Sittenwächtern, unter massiver Beschneidung individueller Freiheit und Zensur! Eine Formulierung, die an Ideologien totalitärer Staaten erinnert.