Panzer bringen keinen Durchbruch zum Frieden
Eine Atommacht kann mit Panzern kaum besiegt werden. Und jeder weitere Tag Krieg verursacht unermesslichen Schaden. Welche Schritte nun aus Sicht der Friedensbewegung nötig wären.
Im Vorfeld des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein am 20. Januar 2023 hat der Druck auf die Bundesregierung, Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an die Ukraine zu liefern, zugenommen. Eine Entscheidung über die Lieferung dieser Panzer ist bei dem Treffen vorerst nicht gefallen. Es hätte keine Einigung gegeben. Aber, so der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: "Die Beratungen werden weitergehen."
Vor der Konferenz hatte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew angesichts der Debatte über die Lieferung schwerer Waffen gedroht, die Niederlage einer Atommacht in einem konventionellen Krieg könne den Beginn eines Atomkriegs nach sich ziehen. Eine Drohung, die wir ernst nehmen und nicht als Bluff abtun sollten.
Wenn Russland in die Defensive gerät oder angegriffen wird, steigt das Risiko für den Einsatz von Atomwaffen. Das gilt auch bei einem Angriff, z.B. auf die Krim. Die Berichte aus den USA über die Unterstützung einer Rückeroberung der Krim sind damit alarmierend. Es ist hochgefährlich und unverantwortlich, auszuloten, wo für die russische Regierung die rote Linie liegt.
Insgesamt verengt sich die Debatte zu sehr auf die Ausweitung der Lieferung westlicher Waffensysteme. Stattdessen brauchen wir mehr diplomatische Anstrengungen für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine. Weder das Abwarten eines militärischen Patts noch Waffenlieferungen oder Sanktionen haben bisher ein Zeitfenster für Waffenstillstandsgespräche öffnen können.
Die internationale Gemeinschaft und insbesondere die mit den Konfliktparteien verbündeten Staaten stehen in der Pflicht, auf die Kriegsparteien einzuwirken und auf einen Waffenstillstand zu drängen. Nur so kann ein Fenster für Friedensverhandlungen geöffnet werden.
Es stellt sich daher die Frage, ob und wie diplomatischer Druck auf die Konfliktparteien ausgeübt werden kann, damit sie sich zu Verhandlungen und Kompromissen bereit erklären - auch wenn diese von beiden Seiten aus ihrer jeweiligen Perspektive als schmerzhaft empfunden werden.
Grundsätzlich ist denkbar, dass China, Indien und einzelne Länder des Globalen Südens sowie die UN auf die russische Regierung einwirken; die EU und die USA sind gefordert, mit der Ukraine zu sprechen. In diesem Zusammenhang wird auch die Idee diskutiert, Waffenlieferungen zu stoppen oder zu begrenzen, zum Beispiel von Prof. Dr. Johannes Varwick und Ex-Generalinspekteur Harald Kujat.
Kujat fordert, den aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her zu denken. "Ich finde es erstaunlich, dass die westlichen Regierungen das alles so hinnehmen, ohne zu versuchen, diese Eskalationsspirale zu unterbrechen und zu verhindern, dass aus dieser Situation eine Katastrophe wird, wie sie der amerikanische Präsident beschrieben hat", so der ehemalige Generalinspekteur. Bei einem Kompromiss, so Johannes Varwick, müsste der Westen allerdings einen Status quo akzeptieren, der ihm nicht gefällt.
Leiden und Risiken wachsen mit jedem Kriegstag
Angesichts der Eskalationsgefahr empfiehlt Jeffrey Sachs, Europa solle beide Kriegsparteien an den Verhandlungstisch drängen und die USA und Großbritannien auffordern, statt einer Fortsetzung des Krieges einen Kompromiss zu unterstützen. Ob es eine Chance auf Frieden in der Ukraine gebe, hänge maßgeblich von den USA ab, sagte Michael von der Schulenburg.
Als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine müssten die USA die Ukrainer dazu drängen, einem Waffenstillstand zuzustimmen, sagte auch Jack F. Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau.
US-Generalstabschef Mark Milley befürchtet einen langen Abnutzungskrieg. Da keine Seite diesen Krieg gewinnen könne, führe eine Ausweitung der Kampfhandlungen nur zu mehr regionalen Opfern und berge die Gefahr einer nuklearen Eskalation für ganz Europa mit globalen Folgen. Gewonnen werden kann nur ein "tragfähiger Frieden", nicht der Krieg.
Der russische Angriffskrieg verursacht täglich unermessliches Leid, Tod und Zerstörung. Hauptleidtragende sind die Ukrainer:innen. Seit dem 24. Februar 2022 sind fast 200.000 gefallene und verwundete Soldaten auf beiden Seiten, etwa 50.000 zivile Tote und Millionen Flüchtlinge zu beklagen. Mit jedem Kriegstag wächst die Gefahr, dass der Krieg auf andere Staaten übergreift oder Atombomben eingesetzt werden.
Die Atommächte "verhandeln, aber sie kapitulieren nicht", so die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
Statt die öffentliche Debatte allein auf Waffenlieferungen zu verengen, die letztlich die zugrunde liegenden politischen Konflikte nicht lösen und die Ukrainer:innen nicht retten können: Jetzt müssen Wege für eine diplomatische Kehrtwende gesucht werden. Solidarität mit der Ukraine heißt nicht, immer mehr Waffen zu liefern, sondern vor allem alles zu tun, um das Sterben zu beenden und den Weg zu einem gerechten Frieden zu finden.
Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat bei seinem Amtsantritt erklärt, dass der größte Teil der sogenannten Zeitenwende noch vor uns liege. Wir brauchen aber kein "Sondervermögen Bundeswehr", das ausschließlich auf militärische Sicherheit setzt, sondern massive Investitionen in eine sozial-ökologisch-friedliche Transformation, um die Klimakrise zu überwinden und einen Atomkrieg zu verhindern.
Mehr Rüstung schafft keinen Frieden. Unsere Gesellschaften haben angesichts der globalen Probleme weder die finanziellen noch die intellektuellen Ressourcen, gigantische Summen in eine neue Rüstungsspirale zu stecken. Im Sinne friedenslogischen Denkens und Handelns brauchen wir globale Kooperation, Diplomatie und kluge Investitionen zur gemeinsamen Lösung der kriegsauslösenden Konflikte.
Weitere Ideen und Ansätze zu "Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine" finden Sie in unserem Hintergrundpapier