Papandreou-Dämmerung

Bild: W. Aswestopoulos

Ein Wahlspruch, die Sozialistische Internationale, das Geld und die juristische Folgen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Herbst 2009 erklärte Giorgos Papandreou gegen besseres Wissen mitten im Wahlkampf, dass es Geld für alle gäbe. Der Wahlspot steht immer noch über dem offiziellen YouTube-Account seiner Partei, der PASOK. Geld oder gar Aussichten auf bessere Zeiten hat das Land immer noch nicht, obwohl die aktuelle Regierung alles versucht, diese Botschaft als wahr zu verkaufen.

Bild: W. Aswestopoulos

Bekanntlich verkündete der gleiche Papandreou als Premier wenige Monate später am 23.4.2010 den Gang zum IWF. Dazu wählte der ständig reisende Politiker die malerische Insel Kastelorizo als Kulisse. Die Wahl des Orts hatte eine vielfältige Symbolkraft. Sie sollte suggerieren, dass Papandreou im Interesse seines Landes rastlos umher reist und sich auch für den abgelegensten Teil des Staats, die Insel Kastelorizo, interessiert. Ebenfalls symbolträchtig ist jedoch, dass das Video der Ansprache nun unter dem Logo seines einstigen Erzfeinds, des amtierenden Premiers Samaras, bei YouTube online steht.

Auch dieser Tage ist Papandreou trotz Abgeordnetenmandat selten länger als drei Tage an einem Stück in Griechenland. Bis zum Wochenende weilte er in Las Vegas. Papandreou reist seit seinem Amtsverlust als Vortragsredner und außerordentlicher Universitätsprofessor unter anderem an der Harvard University um die Welt. Besonders stolz ist der Titelsammler auch auf den Vorsitz der Sozialistischen Internationale.

Papandreou auf der Insel Kastelorizo.

Die Sozialistische Internationale als Prestigeobjekt

Ausgerechnet dieser Posten droht nun in die Bedeutungslosigkeit zu fallen. Die SPD bastelt bekanntlich bereits an einem Alternativnetzwerk für die internationalen Beziehungen sozialdemokratischer Parteien. Besonders überraschend ist das nicht, denn bereits 2011 bemängelte die SPD die fehlende Leistung der einst von Willy Brandt geführten Sozialistischen Internationale.

Pech für Papandreou ist, dass sich sein direkter Amtsnachfolger bei der PASOK, Evangelos Venizelos, für die neue Organisation der SPD interessiert und somit dem eigenen Parteigenossen das internationale Flair abgräbt. Papandreou setzte sich mit einem wütenden Statement zur Wehr. Er klagte, dass seitens der SPD - und der deutschen Presse - seine zahlreichen Ansätze zur Lösung der Krise unterschlagen würden und die Sozialistische Internationale mitnichten tatenlos sei.

Nach Papandreous Ansicht würden die "Knochen Willy Brandts ob seiner Nachfolger in der Partei knirschen". Papandreou wirft SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, persönlich vor, dass sie ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel vom deutschen Großmachtsstreben getrieben würden. Recht heftig ist folgendes, typisch griechisch vertrackt formuliertes Zitat eines Vorwurfs an die SPD: "Sie sollten sich vor Augen halten, dass zusammen mit dem Zielen auf Papandreou, was zu ihren täglichen Gewohnheiten gehört, auch die Hetze nicht nur gegen unser Land, sondern gegen die Länder und unsere Mitmenschen an jeder Ecke des Planeten einher geht." An Selbstkritik fehlt es dem einst mit der Quadriga für seinen "Mut zur Wahrheit" ausgezeichneten Papandreou.

Dabei wäre spätestens jetzt Anlass für den sportlichen Politiker, Rede und Antwort über eigene Verfehlungen zu stehen. Denn Amtsnachfolger Venizelos setzte Buchprüfer zur Überprüfung seiner Parteikasse ein. Die PASOK, die als Koalitionspartner immer noch an der "Rettung" Griechenlands arbeitet, ist selbst hoffnungslos verschuldet. Papandreou hatte mit einer revolutionären Buchführung, nach deren Belegen immer noch gesucht wird, einen Schuldenstand von 135 Millionen Euro angehäuft, wie die Sonntagszeitung Real News in ihrer Wochenendausgabe berichtete. Real News schrieb in dicken Lettern aufs Titelblatt "PASOK - Wo ist der Staatsanwalt?"

Parteiengelder sind nach griechischen Gesetz wie öffentliche Finanzen zu verwalten. Auf Millionenunterschlagungen steht als Höchststrafe lebenslang. Eine Strafe, die in Krisenzeiten durchaus verhängt wird, wie der ehemalige Bürgermeister Thessalonikis, Vassilios Papageorgopoulos, am eigenen Leib zu spüren bekommt. Pikante Details aus Papandreous Amtsführung werden gezielt an die Presse gegeben. Mal erfahren die Griechen, dass die Reisefreudigkeit Papandreous und seiner Helfer Millionen kostete. Ein anderes Mal lesen sie über die parteifinanzierten Gymnastikzentren, Spezialfahrräder und sonstige Luxusgenüsse Papandreous.

Stellvertreterkämpfe im Ringen um die Macht

Anscheinend steckt hinter der Aufdeckungskampagne mehr als nur die Suche nach Schuldigen für die Krise. Parteichef Venizelos möchte mit der wenig populären Vergangenheit aufräumen, um bei den nächsten Wahlen sein politisches Überleben zu sichern. Dass dabei die PASOK selbst an den Rand der Spaltung und die Regierungskoalition somit in Gefahr gerät, erscheint ihm offenbar nicht zweitrangig. Denn statt die bereits vorliegenden Ergebnisse der Buchprüfung an die Staatsanwaltschaft weiter zu leiten, hält Venizelos sich öffentlich an den Codex, den eigenen Parteigenossen zu schützen. Demonstrativ gab er dem Drängen seiner Parteigenossen, Giorgos Papandreou, den Sohn des Parteigründers Andreas Papandreou, aus der Partei zu werfen, bislang nicht nach.

Stattdessen bekriegen sich die Parteigänger der beiden Kontrahenten in offenem Schlagabtausch. Venizelos Adlatus Paris Koukoulopoulos verkündete via TV, dass Papandreous Clique die Angestellten der Partei unbezahlt gelassen habe und deshalb nun den Mund halten und an Kritik sparen sollte. Sokratis Xinidis, Papandreous ehemaliger Parteisekretär, reagierte darauf mit einer Klagedrohung, falls Koukoulopoulos, der nach seiner Ansicht ein Lügner sei, seine Äußerungen nicht zurück nimmt. Es ist bei den gern temperamentsvoll reagierenden Griechen nie sicher, wann es zum Showdown der beiden zerstrittenen Fraktionen kommt.

Auf Reisen sind diese Woche außer Papandreou Premier Samaras, der in China nach Investoren sucht, und Finanzminister Yannis Stournaras, der bei der Eurogruppe die Auszahlung der notwendigen Kredittranchen aushandeln möchte.