Parteiloser Oberbürgermeisterkandidat erwirkt Herausgabe von Jobcenter-Durchwahlnummern
Das Urteil am Leipziger Verwaltungsgericht könnte bundesweite Auswirkungen auf Behörden haben
Der Leipziger Rechtsanwalt Dirk Feiertag bewirbt sich am Sonntag als unabhängiger Kandidat und mit der Idee einer "Privatisierungsbremse" auf das Amt des Leipziger Oberbürgers. Obwohl er deutlich weniger Geld zur Verfügung hat als der Favorit Burkhard Jung, bekommt er derzeit deutschlandweit viel Aufmerksamkeit.
Das liegt an einem Urteil mit dem Aktenzeichen 5 K 981/11, das der findige Rechtsanwalt vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erwirkte und dessen Begründung diese Woche bekannt wurde. Die Entscheidung könnte – wenn sie rechtskräftig wird – bundesweit erhebliche Auswirkungen auf Behörden haben. In ihm stellt das Verwaltungsgericht nämlich fest, dass sich das Leipziger Jobcenter in seiner Weigerung, die Durchwahlnummern der Sachbearbeiter herauszugeben, weder auf den Datenschutz dieser Sachbearbeiter noch auf arbeitsorganisatorische Gründe berufen kann. Beides wiegt nach Ansicht der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts nämlich weniger schwer als der Informationsanspruch der Bürger. Außerdem ist fraglich, ob es sich bei den Nachnamen zugeordneten Dienstnummern überhaupt um persönliche Daten handelt, bei denen der Datenschutz greifen würde.
Feiertag, der die Durchwahlnummern umgehend nach dem Urteilsspruch ausgehändigt bekam, veröffentlichte sie umgehend auf seiner Website und verteilte sie noch am selben Abend massenhaft während einer Wahlveranstaltung im Gewandhaus. Vor bundesweiten Auswirkungen muss das Urteil jedoch erst noch den Instanzenweg überstehen: Das Leipziger Jobcenter hat nämlich Berufung eingelegt. Gegenüber der Lokalpresse führt man dafür eher praktische als rechtliche Gründe an: Die Entscheidung stehe "im krassen Gegensatz zum Arbeitsalltag im Jobcenter" und Anrufe beim Sachbearbeiter seien "unpraktisch" und würden die Privatsphäre des Anrufers gefährden, wenn sich weitere Personen im Raum befänden.
Allerdings hatte man für solche Probleme vor der Einführung von Callcentern ganz einfache Lösungen: Sachbearbeiter reduzierten die Lautstärke des Läutens während der Parteiverkehrszeiten und gingen bei Anrufen von Außerhalb nur davor und danach an den Apparat. Weil die Parteiverkehrszeiten bekannt waren, konnten sich auch die Anrufer danach richten. Gingen Sachbearbeiter doch einmal während der Parteiverkehrszeiten ans Telefon, dann konnten sie einen Anrufer auf Datenschutzprobleme hinweisen und diesen die Entscheidung über ein Weiterführen des Gesprächs überlassen, wenn sich Dritte im Raum befanden.
Dass das Jobcenter trotz rechtlich relativ schwacher Argumente in die Berufung zieht, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass man in der Führung der Bundesagentur für Arbeit um jeden Preis verhindern will, dass die im Zuge der Hartz-IV-Umbauten eingerichteten 76 Callcenter mit bundesweit einheitlichen Hotline-Nummern und Warteschleifen nur noch dann genutzt werden, wenn sich die Anrufer davon tatsächlich eine schnellere Lösung ihres Problems versprechen. Darauf zumindest deutet ein Tweet des BA-Vorstandsmitglieds Heinrich Alt hin, der das Leipziger Urteil als "nicht praxistauglich" verdammte.
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