Penis-Nachmessen im Gerichtssaal

Warum die TAZ die verbotene Diekmann-Satire wieder veröffentlichen darf

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Ein genitales Eigentor schoss sich jüngst der Chefredakteur der BILD-Zeitung. Kai Diekmann war 2002 gegen eine deftige Satire der TAZ vorgegangen, welche die mediale Verwertung von Unterleibsthemen durch die BILD-Zeitung karikierte und dabei süffisant über das eigene Gemächt des "Enthüllungs-Journalisten" spekulierte. In der Satire von Gerhard Henschel hatte sich der BILD-Chef in Miami scheinbar einer Verlängerung unterzogen, wobei er sich des Organs einer Leiche bedient habe. Die Operation sei missglückt, so dass der angeblich entmannte Zeitungsmacher den Arzt auf Schadensersatz in Höhe stattlicher 200 $ verklagt habe.

Über den Geschmack der TAZ-Satire lässt sich wie über den der BILD-Zeitung trefflich streiten - was man auch tat, nämlich in der Pressekammer des Berliner Landgerichts. Diese sah damals die Intimsphäre Diekmanns als verletzt an, denn die Thematisierung des Unterleibs wird grundsätzlich als ein schwerwiegender Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gesehen, der nur im absoluten Ausnahmefall zulässig sein kann. Dazu reichte dem Gericht der karikierte Bezug zu den alltäglichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen der BILD-Zeitung nicht aus. Die in der Satire selbst sarkastisch aufgeworfene Frage „Hat Kai Diekmann das verdient? Steht nicht sogar dem BILD-Chef eine Privatsphäre zu?“ wurde durch das Gericht mit einer Unterlassungsverfügung zugunsten des Geschmähten beantwortet.

Eine von Diekmann darüber hinaus geforderte Geldentschädigung in Höhe von 30.000,- Euro, wie sie bei besonders krassen Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Ausnahmefall zur Kompensation gewährt wird, mochte das Gericht jedoch nicht zusprechen. Soooooo tief könne der Tiefschlag Diekmann, dessen Blatt nun einmal von Tränen, Schweiß, Blut und anderen Körperflüssigkeiten unfreiwilliger Berichtsopfer getränkt ist, dann doch nicht getroffen haben, als dass ihm zusätzlich zum Unterlassungsanspruch auch eine finanzielle Genugtuung zustehe. Eine solche erzieherische Maßnahme, ausgerechnet durch den BILD-Chef veranlasst, wäre dann doch ein bisschen zu viel der Doppelmoral gewesen.

Die Kammer hält dafür, dass derjenige, der - wie der Kläger - bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht, weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird. Denn er hat sich mit Wissen und Wollen in das Geschäft der Persönlichkeitsrechtsverletzungen begeben und wird daher - nach allgemeinen Regeln menschlichen Zusammenlebens - davon ausgehen, dass diejenigen Maßstäbe, die er anderen gegenüber anlegt, auch für ihn selbst von Belang sind. Dies gilt vor allem dann, wenn wie vorliegend, der Angriff auf ihn durch die eigene Rechtsverletzung motiviert ist.

Landgericht Berlin

Der Prozess über die Verlängerung wurde damals nicht verlängert

So blieb die schlüpfrige Satire des Autors Gerhard Henschel also verboten – bis Diekmann sie erstaunlicherweise kürzlich selbst veröffentlichte. Denn Diekmann, der selbst eher selten in den Medien verkehrt, hatte vor einigen Wochen höchstselbst die Blogosphäre betreten und das Corpus Delicti verwertet. Anlass zu dieser Selbstentblößung war die provozierende Plastik des Bildhauers Peter Lenk gewesen, welche seit 15. November an der dem Axel-Springer-Haus zugewandten Seite des TAZ-Gebäudes erstrahlt. Mit beißender Ironie verweist der Künstler Lenk auf die Penis-Berichterstattung von Diekmanns BILD-Zeitung, von der sich der BILD-Hauer zur Dramatisierung der Diekmannschen Extremität herausgefordert sah. Die Enthüllung des prächtigen Genitals war seit eineinhalb Jahren unter strengster Geheimhaltung vorbereitet worden.

Statt seine Anwälte gegen den 16 m messenden Phallus in Stellung zu bringen, richtete sich Diekmann selbst auf und stellte sich mannhaft der PR-Herausforderung. Der Satire, die selbstredend die Frage nach dem Umgang mit ihr stellte, wollte Diekmann den Wind aus den Segeln nehmen, indem er den potenten Text über seinen – wie er es formuliert: - „Piephahn“ selber in den Äther ejakulierte. Diekmann kommentierte in der FAZ, er sei in den vergangenen sieben Jahren gereift und weiser geworden und habe im Sinne der TAZ geglaubt, Satire dürfe alles.

Diesen entblößenden Schachzug wiederum nahm TAZ-Anwalt Jony Eisenberg nicht nur zum Anlass, Diekmann in Form einer „kostenlosen Rechtsberatung“ auf dessen Verstoß gegen das Urheberrecht der TAZ bzw. Henschels aufmerksam zu machen. Er forderte vielmehr Diekmann, der ja nun selbst die Satire veröffentlicht, auf, auch der TAZ selbiges ausdrücklich zu gestatten. Diekmann reagierte hierauf nicht in der gewünschten Weise, tat aber genau das, was Blogger tun, wenn sie Post vom Anwalt bekommen: Er machte den Rüffel öffentlich.

Diekmann ging nun zum satirischen Gegenangriff über und ließ, ohne seine Urheberschaft erkennen zu lassen, eine gefakte TAZ-Sonderausgabe verteilen. Hiergegen ging trotz des fragwürdigen Impressums etc. niemand vor – es gehört zur Politik des Hauses TAZ, Diekmann nicht zu verklagen.

Diekmann blieb sportlich und stattete Peter Lenks Rohrbombe, von manchen auch als „Lenk-Waffe“ bezeichnet, einen Überraschungsbesuch ab. Bei dem Quickie stieß Diekmann zufällig auf den dort in der Raucherpause befindlichen TAZ-Blogwart Mathias Bröckers, mit dem sich Diekmann zivilisiert über die Problematik des unkeuschen Kunstwerks austauschte. Diekmann hatte seine Mitbwerberin TAZ dieses Jahr durch Erwerb dreier genossenschaftlicher Anteile persönlich penetriert und sich durchaus gekonnt als TAZ-Genosse inszeniert. Das skurrile Gipfeltreffen der beiden aktuellen Bloggergrößen kann im Multi Angle View sowohl durch die Diekmann-Cam als auch durch die TAZ-Cam erfasst werden. Bei der TAZ hat man extra einen Diekman-Watch geschaltet.

Doch TAZ-Anwalt Eisenberg, den mit Diekmann eine jahrelange Prozessbekanntschaft verbindet, gab sich mit dem Schweigen des Junior-Bloggers nicht zufrieden und verwandelte die Vorlage des BILD-Chefs in einen „16-Meter“: Wenn Diekmann selbst den angeblich so erschröcklichen Text veröffentlicht, kann die Persönlichkeitsrechtsrechtsverletzung ja sooooo unerträglich dann doch nicht gewesen sein. Im Presserecht gilt nämlich der Grundsatz, dass Sachverhalte aus dem Privatleben etc., welches normalerweise durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vor der Presse geschützt wird, ausnahmsweise dann thematisiert werden dürfen, wenn sie der Betreffende selbst in die Öffentlichkeit bringt. Wer Reportern Homestorys gewährt oder mit seinem Sexualleben hausieren geht, der muss sich insoweit Berichterstattung gefallen lassen. Genau das hatte Diekmann nachträglich durch die Eigenveröffentlichung der TAZ-Satire getan und damit seiner Befindlichkeit über die angedichtete Verlängerung die Glaubwürdigkeit genommen. Also erhob Eisenberg für die TAZ eine sogenannte Vollstreckungsgegenklage und erwirkte wegen deren hohen Erfolgsaussichten eine Aussetzung der Vollstreckung des Urteils, das demnächst hinfällig sein dürfte – nach sieben Jahren Dauererektion.

Inzwischen sickerte aus gewöhnlich gut informierten Kreisen durch, dass die umstrittene Diekmannsche Siegessäule entgegen TAZ-interner und -externer Kritik nun doch standhafte zwei Jahre in den Berliner Himmel ragen wird. So muss Diekmann nun nicht nur die ungebetene Hommage hinnehmen, sondern auch vor Anwalt Eisenberg erschlaffen. Diekmann hatte übrigens den für sein Temperament bekannten Advokaten in seinem Blog vorführen wollen, indem er im Stil des Gerichtsbloggers Rolf Schälike („Buskeismus.de“) einen Gerichtstermin mitstenographieren ließ, bei dem Eisenberg gegen den Axel Springer-Verlag in eigener Sache geklagt hatte. Was Diekmann, der offenbar auf einen spektakulären Eisenberg-Auftritt gehofft hatte, wohl nicht wusste, war die Tatsache, dass sich der Advokat in eigener Sache normalerweise von seiner Kanzleikollegin Dr. Schork vertreten lässt. Und wäre der redaktionell stets an attraktiven Frauen interessierte Diekmann noch besser informiert gewesen, hätte er zum Termin zweifellos auch Gerichtszeichner geschickt.

Inzwischen hat Diekmann versöhnliche Signale gesendet. Man verhandelt sogar darüber, inwieweit aus dem BILD-Blogger sogar ein TAZ-Blogger werden könnte. Solange sich der gute Diekmann nur über die eigenen Zentimeter verbreitet, wird man es ihm wohl durchgehen lassen können.