Pilz gegen Drogen

USA bindet Hilfsgelder für Kolumbien an großflächigen Test mit einem giftigen Pilz zur Vernichtung von Coca-Sträuchern

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Ende des letzten Monats wurde vom amerikanischen Kongress der sogenannte Plan Columbia gebilligt, ein 1,3 Milliarden Mark schweres Hilfspaket, das vor allem Militär- und Polizeihilfe zur Bekämpfung des Terrorismus und des Drogenhandels enthält, aber auch Gelder für Flüchtlinge, für Initiativen zur Durchsetzung der Menschenrechte oder zur Reformierung des Rechtssystems. Doch mit dem Hilfsprogramm gehen einige Bedingungen einher, darunter die Verpflichtung, die "gesamte Coca- und Mohnproduktion bis zum Jahr 2005 zu unterbinden. Diee Strategie schließt alternative Entwicklungsprogramme, Zerstörung der Felder durch die Hand, Versprühen von Herbiziden aus der Luft, 'getestete, für die Umwelt sichere' Mycoherbizide (Pilze, die Drogenpflanzen angreifen) und die Zerstörung von Labors zur Drogenherstellung". Interessant ist der Punkt der Mycoherbizide, denn Kolumbien soll zum ersten Testfeld eines groß angelegten Versuchs mit einer Art von Biowaffe werden, wenn es denn das Geld haben will.

Da bislang im Kampf gegen die Drogen nichts so recht geholfen hat, machen sich die USA aufgrund der Initiative des republikanischen Kongressabgeordneten Benjamin Gilman neue Hoffnung durch ein anderes Mittel, bei dem nicht Felder zerstört, Drogenhändler bekämpft oder chemische Herbizide aus der Luft über die Anpflanzungen gestreut werden. Das neue Wundermittel ist ein Pilz mit dem Namen Fusarium oxysporum. Er erzeugt Gifte, die in die Wurzeln der Pflanzen eindringen und deren Zellen auflösen. Oft gehen die Pflanzen dabei ein. Doch die Toxine könnten auch von Tieren und Menschen mit den Pflanzen aufgenommen werden, und sie bleiben jahrelang im Boden.

Auf den Pilz stieß man in den 70er Jahren, als er auf einer Forschungspflanzung von Coca-Cola auf Hawaii fast die ganzen Cocapflanzen vernichtet hatte. Mitte der 80er Jahre begann der Agricultural Research Service des US-Landwirtschaftsministeriums (ARS) mit einem zunächst geheim gehaltenen Programm, eine biologische Waffe gegen Coca zu entwickeln. Doch der großflächige Einsatz der Pilzzüchtung EN-4 erschien nicht realisierbar, weswegen das Projekt eingestellt wurde. Gleichzeitig forscht man beim ARS natürlich nach der Entwicklung von Möglichkeiten, den Fusarium oxysporum zu bekämpfen, weil er ernsthafte Schäden bei Tomaten, Melonen und anderen Nutzpflanzen verursacht.

Vor zwei Jahren wurde auch die unter der Leitung von David Sands stehende Forschung über den Drogenpflanzenkiller an der Montana State University eingestellt, weil man Angst vor Anschlägen der Drogenkartelle bekam. Und Florida, wo man plante, den Pilz auf seine Effizienz als Drogenpflanzenkiller zu testen, hat diese Pläne wegen der möglichen Gefahren für die Umwelt und die Menschen wieder aufgegeben. Kritiker hatten davor gewarnt, dass sich der Pilz schnell ausbreiten, mutieren und auch andere Pflanzen töten könne. Kolumbien ist da doch weiter, um einen großangelegten, über zwei Jahre angelegten Test mit dem Pilz durchzuführen. Gerüchte zirkulieren, dass die Amerikaner bereits vor über 10 Jahren den Pilz in Peru eingesetzt hätten, wodurch auch Nutzpflanzen und Tiere geschädigt worden seien. Die Amerikaner haben jedenfalls Praxis mit dem großflächigen Versprühen von Giften von Agent Orange im Vietnamkrieg bis zum Herbizid Glyphosat, das von Monsanto stammt, über Kolumbien. Auch hier wurden Bauern dem Gift ausgesetzt.

Wissenschaftler wie Sands glauben oder propagieren, dass man mit speziell gezüchteten Sorten dieses Pilzes nicht nur Coca, Mohn oder Marijuana, sondern auch viele andere unerwünschte Pflanzen gezielt vernichten könnte. Zugleich sei die Verwendung dieses Pilzes eine biologische Alternative zu chemischen Herbiziden oder zu gentechnisch veränderten Organismen. Allerdings ist der Großteil der Fusarium-Forschung eher darauf ausgerichtet, Mittel gegen den Pilz zu entwickeln, weil er auch Nutzpflanzen befällt. Hatte das Landwirtschaftsministerium die Entwicklung des Pilzes zur Drogenbekämpfung eingestellt, weil man für große Landflächen eine zu große Menge benötigen würde, so fand der Pflanzenpathologe David Sands, Professor an der Montana State University und mittlerweile Gründer der Ag/Bio Con (Agricultural Biological Control zur Verwertung seiner Entwicklung), eine realistische Möglichkeit zum Einsatz heraus. Samen einer in Kolumbien wachsenden Grassorte kann dazu dienen, den giftigen Pilz zu kultivieren. In einem bereits patentierten Verfahren wird der Pilz auf die Samen gesprüht, die dann über einer Anbaufläche ausgesät werden. Auf dem Boden vermehrt sich der Pilz und soll dann die dort wachsenden Coca-Sträuchern vernichten. Das Gras überwuchert dann den Boden und könnte so das weitere Wachstum der Coca-Sträuchern verhindern. Überdies soll der Pilz bis zu fünf Jahren im Boden und dort aktiv bleiben. Im Landwirtschaftsministerium wurden Ameisen zur Verbreitung benutzt. Dass die Drogenkartelle als Gegenmaßnahme zur Gentechnik greifen und gegen EN-4 resistente Sorten züchten könnten, hält Sands, der schließlich sein Produkt verkaufen will und sich dafür auch mit einem General zusammen getan hat, für unwahrscheinlich. Zumindest würde dies Jahre dauern.

Richtig getestet auf Umweltverträglichkeit und Unbedenklichkeit für Menschen wurde der Pilz nicht. Trotzdem soll Kolumbien das Versuchsfeld für die amerikanischen Drogenbekämpfer abgeben, die mittlerweile auch das UNDPC, das International Drug Control Program der UN, für ihren Plan eingespannt haben. So schreibt das Bureau of Western Hemisphere Affairs, eine US-Behörde, das die USA der UN drei Millionen Dollar zur Verfügung gestellt habe, um in Kolumbien den Pilz zu testen - mit der Zustimmung der kolumbianischen Regierung. Der Grund sei, dass nicht nur der Coca-Anbau in den letzten Jahren zugenommen habe, sondern dieser auch die Umwelt schädigt und zur Vernichtung des Regenwalds führt. Zudem würden für den Anbau viele Pestizide, Düngemittel und Gifte verwendet, die die Umwelt belasten: "Mycoherbizide sind eine Form der biologischen Kontrolle. Biologische Kontrolle ist die Wissenschaft und Technik, Unkraut durch natürlich vorkommende Feinde zu kontrollieren." Auch wenn, so die Behörde weiter, die Test von Mycoherbiziden für Coca bislang auf das Labor und kleine Anbauflächen beschränkt waren, seien doch die Ergebnisse vielversprechend gewesen. Der eingesetzte Pilz habe nur Coca-Sträuchern zerstört und sei auf keine anderen Wirtspflanzen übergesiedelt. Die Tests in Kolumbien seien notwendig, "um endgültige Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit dieser Agenten in der Umwelt, für die sie vorgesehen sind, zu erhalten."

Im März traf Sands mit Vertretern des kolumbianischen Umweltministeriums zusammen, um ihnen den Drogenpflanzenkiller schmackhaft zu machen. Dort wies man Sands darauf hin, dass das Gift des Pilzes auch für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gefährlich werden könnte, die in der Nähe der Felder leben und dem Pilz ausgesetzt würden. Weder für Sands noch für die US-Regierung scheinen diese Einwände ein Bedenken wert zu sein. Es trifft sich, dass Fusarium bereits in Kolumbien vorkommt, weil man so keine Genehmigung für die Einfuhr von nichtheimischen Arten benötigt. Allerdings meint Klaus Nyholm, UN-Repräsentant in Kolumbien, dass in Kolumbien bislang EN-4 nicht vorgekommen sei. Überdies versichert er, dass das Übereinkommen der UN mit Kolumbien nicht das sei, was die Kolumbianer, sondern was die Amerikaner wollen. Die hatten letztes Jahr denn auch versucht, die UNDPC dazu zu bringen, dass sie noch weitere Länder in das Projekt integriert.

Unklar ist, ob EN-4 tatsächlich "nur" Pflanzen der Gattung Erythroxylum angreift, zu der auch Coca gehört. Die Gattung umfasst nicht nur über 200 Arten, von denen viele in Kolumbien vorkommen, sondern ein Bericht des International Institute of Biological Control aus dem Jahr 1995 weist darauf hin, dass auch Pflanzen anderer Gattungen unter Stress gefährdet sein könnten. David Struhs, der Leiter des Amts für Umweltschutz in Florida, begründete die Ablehnung, Fusarium zur Bekämpfung von Marijuana einzusetzen: "Fusariumarten können sich sehr schnell entwickeln ... Mutagenität ist die bei weitem störendste Eigenschaft, Fusariumarten als Bioherbizide zu verwenden, Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, die Ausbreitung der Fusriumarten zu kontrollieren. Die mutierten Pilze können bei einer Vielzahl von Nutzpflanzen wie Tomaten, Paprika, Korn oder Wein Krankheiten verursachen und gelten normalerweise für Farmer als Bedrohung und nicht als Pestizid."

Allerdings könnte der Versuch, Bioherbizide zur Bekämpfung des Drogenanbaus zu entwickeln, neben allen hier bestehenden Bedenken auch ein erster Schritt dazu sein, Biowaffen für ganz andere Zwecke zu entwickeln. Schließlich könnte man auch ein feindliches Land, mit dem man im Krieg steht oder dessen Angriff man fürchtet, durch die großflächige Vernichtung seiner landwirtschaftlichen Produkte in die Knie zwingen.