Plastikmüll: Von wegen, der Markt regelt es
Problembewusstsein für wachsende Kunststoffmüllberge gibt es schon lange. Doch erst seit diesem Jahr testen Drogeriemarktketten Nachfüllstationen
Wer schon als Grundschulkind im letzten Jahrtausend auf das Plastikmüllproblem aufmerksam gemacht und zum Trennen von Abfällen aufgefordert wurde, kann sich heute gut ausrechnen, wie schnell "der Markt" dergleichen regelt. "Kein Wunder, dass es schon zum guten Ton gehört, sich über die Verpackungsorgie und die Müllflut zu erregen", schrieb im Februar 1990 die Wochenzeitung Die Zeit: "Doch, bizarre Wirklichkeit, beides gehört fast untrennbar zu jener Lebensweise, die als besonders fortschrittlich gilt."
Das Problembewusstsein in Medien, Politik und Gesellschaft war damals in Deutschland vorhanden. Andererseits wurde in der "Wendezeit" von den "Brüdern und Schwestern" aus der untergehenden DDR erwartet, Westprodukte cooler zu finden als die eigenen, wenn sie dazugehören wollten. Und dies bedeutete erst mal einen größeren Markt für Produkte in aufwendigen Plastikverpackungen. Ähnliches galt im gesamten ehemaligen Ostblock und den nach Wohlstand strebenden Schwellenländern des Globalen Südens.
Rund 30 Jahre später nehmen Durchschnittsmenschen weltweit bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche über die Nahrung auf - etwa das Gewicht einer Kreditkarte. Dies jedenfalls ergab eine Studie der Umweltstiftung WWF bereits im Juni 2019. Fisch und Meeresfrüchte, die bisher wegen ihrer Omega-3-Fettsäuren als gesündeste tierische Lebensmittel galten, sind nach Angaben australischer Forscher besonders belastet, weil seit Jahrzehnten ein Großteil des Plastikmülls in den Weltmeeren landet.
Supermärkte von Vorgaben weitgehend unberührt
Das geplante EU-Einwegplastikverbot, dem in Deutschland am 6. November der Bundesrat zugestimmt hat, umfasst nach Angaben der Bundesregierung "Trinkhalme, Rührstäbchen für den Kaffee, Einweggeschirr aus konventionellem Plastik und aus Bioplastik sowie To-go-Becher und Einwegbehälter aus Styropor". Ferner werden Wattestäbchen und Luftballonstäbe genannt. In Kraft treten soll die Verordnung am 3. Juli 2021.
In der Praxis wird das Imbissbetreiber und Fastfood-Ketten zum Umdenken zwingen. In Supermärkten dürfen aber Lebensmittel und Kosmetika auf unabsehbare Zeit weiter in Einwegverpackungen aus Plastik verkauft werden.
Und was regelt der Markt? Im Oktober dieses Jahres haben in Deutschland zwei große Drogeriemarktketten begonnen, in ausgewählten Filialen Nachfüllstationen für Wasch- und Spülmittel zu testen. Rossmann hat dafür zunächst bundesweit nur fünf Filialen ausgewählt, davon zwei in Hannover und jeweils eine in Köln, Münster und München.
Etwas "eifriger" ist die Drogeriemarktkette dm, die beispielsweise auch die beiden größten deutschen Städte Berlin und Hamburg berücksichtigt hat. Insgesamt gibt es bundesweit in 15 dm-Filialen seit Oktober Nachfüllstationen für Wasch- und Spülmittel der Marke "Love Nature", einer Tochterfirma des Henkel-Konzerns. An drei weiteren Standorten wird ebenfalls testweise seit August Duschgel der Marke Nivea von Beiersdorf zum Nachfüllen angeboten.
Jahre vorher gab es bereits für etliche Produkte Nachfüllpackungen aus Einwegplastik, die nur nicht so groß und sperrig waren wie die wiederverwendbaren Flaschen für den täglichen Gebrauch. Die Nachfüllbeutel lassen sich zusammenrollen und nehmen in der Mülltonne weniger Platz weg. "Zero Waste" sieht aber anders aus.
Nachfüllstationen in Drogeriemärkten nur im Testetrieb
Das Interesse an Artikeln zum Nachfüllen sei in der Vergangenheit "nicht so ausgeprägt" gewesen, erklärt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer auf Nachfrage von Telepolis. Mittlerweile würden sich "Kunden stärker mit nachhaltigen Produktalternativen auseinandersetzen" und wollten diese ausprobieren. Die Nachfüllstationen für das Duschgel würden zunächst sechs Monate und die für Wasch- und Spülmittel zwölf Monate lang in den ausgewählten Märkten getestet, um "Erfahrungen zu sammeln und Optimierungsbedarfe zu erkennen".
Nach der Auswertung von Rückmeldungen der Filialleiter sowie Kundenreaktionen werde entschieden, "ob und in welcher Form" das neue Angebot ausgeweitet werden könne. Die Teststationen würden "von unseren Kunden gut angenommen", so Bayers Zwischenfazit am 20. November.
Es wird aber wohl noch eine Weile dauern, bis ein solches Angebot flächendeckend verfügbar wird. "Unverpackt"-Läden, die in den letzten Jahren vermehrt eröffnet wurden, bieten vorzugsweise ökologisches Waschpulver und Tabs an, die in Sprühflaschen aufgelöst werden können, um selbst Putzmittel herzustellen.
Wasch- und Putzmittel nicht in flüssiger Form anzubieten, spare auch CO2-Emissionen beim Tarnsport, betont die darauf spezialisierte Startup-Firma Everdrop, die 2019 in München gegründet wurde, auf ihrer Internetseite.
Es tut sich also hier und da etwas. Aber angesichts aktueller Studien zum voraussichtlichen Plastikmüllaufkommen der nächsten zehn bis 20 Jahre geht es noch immer viel zu langsam. Bis zum Jahr 2040 könnte sich im schlimmsten Fall die Menge der Plastikabfälle in den Ozeanen verdreifachen, wie eine Analyse der US-Umwelt- und Meeresschutzorganisation "The Pew Charitable Trusts" im Juli dieses Jahres ergab.
Bis dato geplante Gesetzesvorhaben zur Eindämmung des Problems würden es demnach nur geringfügig reduzieren. "Unternehmen konzentrieren sich auf Recycling oder anderweitige Entsorgung von Kunststoffen, statt die Verwendung von Plastik zu verringern", so das Fazit.