Polen: Deutsche Berichterstattung gleich deutsche Einmischung

Duda-Herausforderer Rafał Trzaskowski. Bild: Platforma Obywatelska RP/CC0

Vor den Wahlen am Sonntag spielt das polnische Regierungslager mit antideutschen Ressentiments - gegen deutsche Medien, aber vor allem gegen Trzaskowski gerichtet, den liberalen Herausforderer von Duda

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"Er (Trzaskowski) ist wohl ein Wächter deutscher Interessen in Polen, der aufpasst, dass diese nicht beeinträchtigt werden", erklärte der Politologe Artur Wroblewski in den jüngsten Abendnachrichten des Staatssenders TVP - neben vielen weiteren Experten, die vor dem deutschen Einfluss warnen und sich gegen die Einflüsse des westlichen Nachbarn verwahren.

Der deutsch-polnische Konflikt begann mit einer Titelgeschichte des Boulevardblattes Fakt, das zum schweizerisch-deutschen Verlag Ringier Springer gehört. Das nach Vorbild der BILD-Zeitung konzipierte Blatt hob auf die Begnadigung eines pädophilen Täters durch Andrzej Duda ab. Dem Verurteilten wurde durch den Präsidenten Duda das Kontaktverbot zu seiner Familie auf deren Antrag erlassen.

Zuvor hatte Duda und das ihn unterstützende Regierungslager vor dem sexuellen Missbrauch von Kindern aufgrund von Einflüssen der LGBT-Bewegung gewarnt.

Die Begnadigung gilt darum intern als großer Fehler.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung Dudas, der von der nationalkonservativen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gestützt wird, zog der 48-jährige darum gegen Deutschland ins Feld, das sich in den Wahlkampf einmische. Er beschuldigte den Welt-Korrespondenten Philipp Fritz, den er namentlich erwähnte, Trzaskowski zu bevorzugen, da dieser Reparationsforderungen an Deutschland eher skeptisch sehe. Dabei hatte Fritz lediglich analysiert, Mitglieder der "Bürgerplattform" (PO) könnten "einen weniger konfrontativen Ton in den Beziehungen etwa zu Deutschland anschlagen".

Empörung

Der Chefredakteur der Welt, Ulf Poschardt, warf dem Staatspräsidenten darauf Stimmungsmache vor und lud ihn gleichzeitig zum Gespräch. Die Medien des Regierungslagers echauffierten sich en retour über den Tonfall des deutschen Journalisten gegenüber ihrem Staatsoberhaupt - die Empörungsstimmung könnte so das Elektorat mobilisieren.

In Polen werden die rund 30 Millionen Wahlberechtigten am Sonntag in der Stichwahl eine wichtige Entscheidung treffen, wobei beide Kandidaten in den Umfragen gleichauf liegen. Gewinnt Duda, wird der autoritäre Kurs der PiS, die im Herbst bei den Parlamentswahlen ein zweites Mal gewann, weitergeführt. Duda gilt als Zögling des einflussreichen PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski.

Dies bedeutet eine weitere Reform der Justiz sowie eventuell auch Einschnitte in das Medienrecht. Trzaskowski würde dies mittels seinem Vetorecht verhindern.

Als bewährtes Mittel in der politischen Auseinandersetzung gilt der Vorwurf an die PO, mehr deutsche als polnische Interessen zu vertreten. Dies klappte vor allem 2005 sehr gut: Jacek Kurski, damals PiS-Kampagnen-Chef, heute Intendant des Staatsfernsehens, gelang es so den damaligen Präsidentschaftsbewerber Donald Tusk aus dem Rennen zu werfen, der lange in den Umfragen geführt hatte.

Kurski bekam heraus, dass der Großvater des Danzigers in der Wehrmacht gedient hatte. Der Vorwurf, kein echter Pole zu sein, verunsicherte Tusk und viele Wähler - es gewann Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder von Jaroslaw.

Reparationsforderungen und deutscher Einfluss

Durch die Auseinandersetzung mit Springer sind nun wieder zwei für Berlin unangenehme Themen auf der Agenda in Warschau: die Reparationsforderungen der polnischen Regierung - es soll sich laut TVP um rund eine Billion Dollar handeln, welche jedoch noch nicht öffentlich präsentiert wurden. In dem jüngsten Spot Dudas ist kurz ein deutscher Soldat zu sehen, wie dieser einen polnischen Wappen-Adler von der Wand reißt.

Zudem kommt nun wieder der Einfluss deutschen Kapitals auf dem polnischen Zeitungsmarkt in die Schlagzeilen. Ringier Springer ist noch im Besitz der Newsweek und des Nachrichtenportals onet, wobei vor allem das Nachrichtenmagazin stark oppositionell eingestellt ist. Die Passauer Verlagsanstalt und die Bauer Gruppe dominieren vor allem bei Regional- und Lokalzeitungen.

Seit fünf Jahren wird ein Zwangsverkauf, eine "Repolonisierung der Medien", immer wieder von PiS-Politkern, wie etwa dem Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, angekündigt und jüngst erklärte Justizminister Zbigniew Ziobro, dass man sich nach den Wahlen darum kümmern werde. Wohl auch nach den Wahlen kann erst die deutsche Vertretung in Polen wieder mit einem Botschafter besetzt werden.

Arndt Freytag von Loringhoven wartet weiterhin auf sein Agrément vonseiten des polnischen Außenministeriums. Die Botschaft in Warschau bestätigte auf Anfrage die Verzögerung, ohne sich zu möglichen Gründen zu äußern. Doch sowohl die regierungskritische wie die regierungsfreundlichen Medien an der Weichsel sehen den Grund klar in der aktuellen Auseinandersetzung mit Springer.

Dieser Konflikt kann auch Konsequenzen für andere deutsche Medienvertreter haben: Der Politologe Tomasz Zukowski erklärt im Nachrichtender TVP INFO deren wahre Bestimmung. Die deutschen Korrespondenten würden sich um die Staatsräson ihres Landes bemühen, die von der atlantischen Linie zu einer Linie Bismarks umgeschwenkt sei, es ginge um nichts anderes als "Geopolitik".

Die Anspielung darauf, dass Deutschland und Russland zusammen wieder gegen Polen agieren könnten, ist mit einer tief verwurzelten Angst in Polen verbunden, die nicht allein PiS-Wähler haben. Das Rollenverständnis von Journalismus, dass hier zum Tragen kommt, rührt wohl noch vom Kalten Krieg - Auslandskorrespondenten von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs wurde im Berichtsgebiet angelastet, eine politische Mission ihres Heimatlandes mitzubringen.

Wer so denkt, dem kann man kaum vermitteln, dass die Aufgabe der Journalisten darin besteht, das jeweilige Land, seine Bewohner, die Motive der Politik, dem heimischen Lesern, Zuhörern und Zuschauern zu erklären.

Die Rolle deutscher Journalisten

Den deutschen Journalisten in Polen und den Redakteuren in Berlin, die sich zum östlichen Nachbarn äußern, kommt in der Praxis noch eine weitere Rolle zu - die des Akteurs der polnischen Innenpolitik - die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen, der SZ, der Welt und der FAZ über die Politik des Landes erfährt ein großes Echo in Polen.

Von der liberalen Seite werden kritische Töne aufgegriffen, um zu zeigen, wie sich die Nationalkonservativen mal wieder danebenbenommen haben. Medien des Regierungslagers nutzen die Berichte, um sich, wie aktuell, zu empören, oder man verweist darauf, dass Warschau nun eine eigenständige Politik betreibe und Berlin nicht zu gefallen brauche.

Dass Trzaskowski und dessen Partei beim Gros der Medien in Deutschland mehr Sympathien besitzt als das Regierungslager, lässt sich nicht von der Hand weisen.

Nach dem konservativen belgischen Historiker David Engels seien diese in den Augen der Deutschen "kosmopolitische Helden in leuchtender Rüstung, die versuchen, ihr Land vor dem wirtschaftlichen Ruin, klerikalen Pädophilen, intoleranten Homo- und Islamophoben sowie bösen und diktatorischen Ministern zu retten. Da würde ihre Aufgabe von sturen, seelenlosen und einfach gestrickten Bauern aus Osteuropa behindert".

Diese übertriebene Darstellung, die das Springerblatt "Dziennik" am Mittwoch druckte, entspricht sicherlich der Sicht vieler PiS-Politiker, die sich ungerecht bewertet fühlen.

Dass nun der Staatspräsident einen Korrespondenten auf einer Wahlveranstaltung persönlich angreift, ist jedoch eine neue Qualität. Dies führte auch zu Solidaritätsbekundungen deutscher Journalisten sowie deutscher Politiker, womit gerade ein wenig genau die Lagerhaltung entsteht, die sich die Nationalkonservativen vorstellen. Dies soll keine Kritik an den Reaktionen in Deutschland sein, Solidaritätsadressen sind notwendig, lediglich eine Beobachtung.

Der Autor dieser Zeilen hat bislang kaum schlechte Erfahrungen bei Gesprächen mit PiS-Anhängern und PiS-Politikern gemacht. Oft waren das nette Leute, die einen von ihrer Mission überzeugen wollten. Sollte jedoch das Dudasche Denken Schule machen, dass deutsche Auslandsberichterstatter nicht mehr analysieren dürfen, stehen spannende Zeiten an.

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