Polen: Steckt die Opposition hinter der Abhöraffäre?

Die polnische Newsweek will Beweise für die Verwicklung der PiS besitzen, die wegen der Affäre wieder an die Macht kommen könnte

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Wer steckte hinter der Abhöraffäre, die der polnischen Regierungspartei Bürgerplattform (PO) so viel Vertrauen kostete und vermutlich am 25. Oktober eine Wahlschlappe nach sich zieht?

Die aktuelle polnische Newsweek glaubt, Beweise zu haben, dass das Umfeld der Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) dahinter steckte.

Die politische Landschaft Polens wurde 2014 von Protokollen erschüttert, die das Nachrichtenmagazin "Wprost" publizierte (Steckt der Energiesektor hinter dem Lauschangriff?). Spitzenpolitiker der PO und hohe Beamte waren beim Plausch in Restaurants abgehört worden. Polens Öffentlichkeit wurde so Zeuge von Mauscheleien, Schmähungen von Konkurrenten und Vulgarismen. Zu den heißesten Veröffentlichungen gehört Außenminister Radoslaw Sikorskis Bemerkung, das polnisch-amerikanische Bündnis sei "wertlos".

Nachdem im darauffolgenden Jahr weitere Protokolle aus dem Internet von einem Autohändler entdeckt wurden, baute Premierministerin Ewa Kopacz in diesem Juni ihr Kabinett um: Sie zwang drei Minister und drei Staatssekretäre, den bereits zum Parlamentspräsidenten degradierten Sikorski sowie den Generalstaatsanwalt zum Rücktritt, um die Glaubwürdigkeit der Regierung zu retten.

Doch das scheint nicht gelungen zu sein. Kontinuierlich hängt die PO mit zehn Prozent hinter der PiS, die im Mai bereits mit Andrzej Duda die Wahlen für das Amt des Staatspräsidenten gewonnen hat (Polen: Andrzej Duda gewinnt Präsidentschaftswahl mit Sozialversprechen). PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski plant eine gesellschaftliche Ordnung mit einem starken Staat im Stil des ungarischen Premiers Viktor Urban.

Als Täter wurden bislang der Geschäftsmann Marek Falenta und zwei Kellner, die den Lauschangriff umsetzten, festgesetzt. Die Anklage der polnischen Staatsanwaltschaft in Warschau lautet auf ein Verbrechen aus ökonomischen Gründen, gegen weitere mögliche Drahtzieher wird nicht ermittelt. Die Newsweek will jedoch im Besitz von Verhör-Unterlagen der Kellner sein, die auf PiS-Kontakte Falentas wiesen. Die Zeitschrift kann auch Ungereimtheiten in den Aussagen des Geheimdienst-Koordinators des Parlaments und PiS-Parteimitglieds Martin Bozek nachweisen, der nach Aussage eines Zeugen Falenta, den Regisseur der Abhöraktion, gekannt haben soll. Bozek bestreitet dies. Die Staatsanwaltschaft will aber diesen Verweisen und auch der Bitte des ehemaligen Außenministers Radoslaw Sikorskis nach einer Befragung Bozeks nicht nachkommen.

Die Affäre benutzt die Opposition im Wahlkampf. Da die abgehörten Gespräche vor allem in dem Restaurant "Die Eule und ihre Freunde" stattgefunden hatten, eröffnete Beata Szydlo, die PiS-Kandidatin für den Premiersposten, am Wochenende ironisch ein Restaurant in Warschau mit dem Namen "Ewa und ihre Freunde". Angespielt wird auf Ewa Kopacz. Die Besucher können die gefeuerten ehemaligen Politiker als Pappfiguren in Lebensgröße an fein gedeckten Tischen erleben. Die PO verlangt von der Staatsanwaltschaft Aufklärung.