Polen: Uncle Bidens kalte Schulter

Hier ist Stimmung noch gut: Militärische Kooperationsvereinbarung zwischen den USA und Polen. Bild: @USEmbassyWarsaw

Unter Trump war Warschau Steigbügelhalter der USA. Nun 
gestaltet sich das Verhältnis schwieriger, wie die vergangenen 
Wochen zeigten



Das Telefon schweigt – Andrzej Duda, Staatspräsident von Polen, 
wartet bis jetzt auf einen Anruf von US-Amtskollegen Joe Biden. 
Nun gibt es Hoffnung, doch einfach werden die bilateralen 
Gespräche kaum.




Als Grund für die kalte Schulter Bidens gilt Polens langjährige 
Unterstützung von Ex-US-Präsident Donald Trump sowie die 
Demokratie-Defizite, die die nationalkonservative Regierung mit 
Sitz an der Weichsel gerade verantwortet.




Bix Aliu, der gegenwärtige Geschäftsträger der US-Botschaft, 
erklärte in einem Interview in der vergangenen Woche, Biden 
werde sich wohl bald melden. Es ginge um die Anwesenheit US-
amerikanischer Soldaten in Polen. Noch unter Donald Trump 
verpflichteten sich die USA im vergangenen August, 1.000 Soldaten 
in Polen zu stationieren – als Signal gegenüber Russland. Daran 
wird auch der Demokrat 
festhalten.




Den Trump-Plan zum Abzug von US-Soldaten aus Deutschland hat Joe Biden jedoch bereits Anfang Februar gekippt.




Die polnische Regierung unter Mateusz Morawiecki setzte –
 unterstützt von Jaroslaw Kaczynski, dem Chef der Partei "Recht 
und Gerechtigkeit" (PiS) – lange unverblümt auf Trump. Der 
Republikaner schien ihnen Garant für das exklusive Verhältnis 
zwischen beiden Ländern. Eine mögliche künftige US-Basis nannte 
der regierungsnahe Duda schmeichlerisch "Fort Trump". Das 
Projekt scheiterte jedoch an den exorbitanten finanziellen 
Forderungen der USA.




Zugleich mischte Warschau im US-Wahlkampf mit, indem die 
öffentlich-rechtlichen Medien, die auch von einem Teil der rund 
zehn Millionen polnischstämmigen US-Amerikaner konsumiert 
werden, Biden in einem schlechten Licht darstellten.



Erst kurz vor vor Weihnachten, als die Wahlleute Biden im Amt 
bestätigte hatten, gratulierte Duda zum Sieg. Selbst den Sturm 
aufs Kapitol in Washington wollte die Führung in Warschau nicht 
kritisieren. Der ehemalige Außenminister Witold Waszczykowski 
hielt die Wahlen noch im Januar für "unredlich".

Kritik aus den USA und historische Bande




Auf der anderen Seite ist im kollektiven Gedächtnis der Polen 
hängengeblieben, dass der Wahlkämpfer Biden im vergangenen 
Jahr Ungarn wie Polen mit Weißrussland in einen Topf warf, 
als er vom "Anwachsen des Totalitarismus in der Welt" 
sprach.




Grundlage für diese Behauptung sind Eingriffe in die Justiz in 
Polen, der scharfe Ton gegen sexuelle Minderheiten sowie die 
Versuche, die privaten Medien in ihrer Unabhängigkeit zu 
schwächen.




Die USA als Bündnispartner zu betrachten, hat in Polen eine lange 
Tradition, begründet vom Republikaner Theodor Roosevelt, der 
zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Entstehung eines polnischen 
Staates unterstützte.




Seit der Unabhängigkeit Polens im Jahre 1989 wurden Besuche 
US-amerikanischer Staatsoberhäupter in Warschau zu einem 
Jubelfest, vor allem, wenn ein Republikaner kam.




Nun bricht eine neue Ära an. So hat es bereits Ende Februar ein 
Gespräch zwischen dem US-amerikanischen Außenminister 
Antony Blinken und seinem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau 
gegeben. Polen war erst der 46. Staat, den der US-Politiker 
angerufen hatte.




Gemeinsame Positionen gab es in der Ablehnung der sich im Bau 
befindlichen Gasleitung Nord Stream 2, die russisches Gas an die 
deutsche Ostseeküste liefern soll. Und in den Sanktionen gegen 
Moskau.




Doch Blinken soll auch demokratische Werte, die Pressefreiheit 
sowie die Situation der Minderheiten angesprochen haben. Rau 
habe hingegen die biologisch definierten Unterscheidung der 
Geschlechter als in der polnischen Verfassung verankert 
verteidigt, so polnische Medien.




US-Geschäftsträger Aliu versucht nun zum einen, die Gemüter zu 
beruhigen. Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Polen 
zeichne sich durch "außergewöhnliche Beständigkeit" aus, 
versicherte er. Gleichzeitig warnte er – die USA werde "stets 
zur Verteidigung der freien Medien aktiv auftreten".

Sorge um repressive Medienpolitik Warschaus



Denn in der Medienpolitik ist die polnische Regierung besonders 
umtriebig – sie will mit einer Sondersteuer diejenigen Medien belasten, 
die durch die Corona-Krise bereits geschwächt sind.

Seit ihrem ersten Wahlsieg im Herbst 2015 versprach die Partei, 
die Medien zu "repolonisieren". Gemeint waren dabei primär drei 
Verlage in Polen mit deutschem Kapital – Ringier Axel 
Springer, die Bauer Media Group sowie die 
Verlagsgruppe Passau. Letztere verkaufte im Dezember 
über ihre Tochter, die Polska Presse fast all ihre Titel an 
den staatlich gelenkten Mineralölkonzern Orlen.




Nun scheint das Regierungslager gegen Ringier Axel 
Springer massiver vorzugehen.



Polnische Journalisten und Medien würden durch den 
"systematisch eingeschüchtert" und wegen ihrer Ansichten 
"gerichtlich verfolgt". So der Text der Kulturkommission des 
Sejms, der diese Woche publiziert wurde und dem der 
regierungsnahe "Vereinigung Polnischer Journalisten" (SDP) 
beipflichtet. Dieser sieht durch den Verlag mit deutschem und 
Schweizer Kapital das "freie Wort" und die Demokratie in 
Polen gefährdet.




Der Konzern geht gegen Journalisten gerichtlich vor, die etwa 
behaupten, er würde unter dem Diktat der deutschen Politik 
handeln.




Auf der anderen Seite soll das Regierungslager innerhalb von fünf 
Jahren knapp hundert Prozesse gegen Journalisten der Titel 
des schweizerisch-deutschen Konzerns geführt haben.

Während es beim Aufkauf der Titel von Polska Presse um 
Einflussnahme durch die 20 Regionalzeitungen und 500 
Internetportale ging, dreht es sich im Ringen mit Ringier Axel 
Springer eher darum, regierungskritische Stimmen zum 
Schweigen zu bringen.




Es sind vor allem drei Akteure – das Nachrichtenportal
onet, die nach dem 
Vorbild BILD gestaltete Boulevardzeitung 
Fakt sowie die polnische 
Ausgabe von 
Newsweek.

Bei Angriffen auf US-Interessen könnte es Ärger geben




Von Bedeutung ist dabei, dass die US-Investmentgesellschaft 
Kohlberg Kravis Roberts & Co 35,8 Prozent der Axel Springer SE 
hält. Darum könnte Washington intervenieren, wie schon 
geschehen, als die PiS-Regierung versuchte, den Privatsender 
TVN mit überzogenen Strafgebühren zu 
belasten. Der Sender gehört der 
Dicovery-Gruppe 
an.




Auf der anderen Seite fahren die USA gerade einen scharfen Kurs 
gegen Russland, wie Bidens Anschuldigung an Putin bezeugt, 
dieser sei ein "Killer". Auch in der 
Auseinandersetzung um die Erdgasleitung Nord Stream 2 
verbinden beide Staaten in der Ablehnung des deutsch-russischen 
Projekts gemeinsame Interessen.



Neben den Meinungsverschiedenheiten bezüglich Pressefreiheit, 
sexuellen Minderheiten und Rechtsstaatlichkeit könnte sich für 
Polen und die USA aber eine neue Konfliktlinie auftun – die 
Annäherung Polens an China.




Das Handelsvolumen beider Länder überstieg im vergangenen 
Jahr 30 Milliarden US-Dollar und wuchs im Vergleich zu 2019 
um zwölf Prozentpunkte an.




Bislang hat sich die Führung in Warschau noch nicht entschieden, 
den staatlich beeinflussten chinesischen Konzern Huawei beim 
Ausbau des 5-G-Netzes auszuschließen, wie es die USA von ihren 
Verbündeten fordern. Dabei hat Joe Biden den von Trump 
initiierten Bann gegen das Technologie-Unternehmen noch 
verschärft.

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