Polen inhaftiert kritischen Journalisten wegen angeblicher Spionage
Pablo González hat seit Montag keinen Kontakt zu seinem Anwalt oder seiner Familie. Polnische Behörden beschuldigen ihn der Spionage für Russland. Für seinen Anwalt ein absurder Vorwurf
"Die Anschuldigungen gegen Pablo González sind absurd", erklärt Gonzalo Boye gegenüber Telepolis. Seit dem späten Donnerstag weiß der Madrider Anwalt, dass der Journalist in Polen der "Spionage" für Russland beschuldigt wird. Zuvor wurde sein Mandant vier Tage an einem unbekannten Ort in Kontaktsperre gehalten. Inzwischen hat Polen eine Erklärung zum Fall veröffentlicht, wie auch die spanische Zeitung Público berichtet, für die der Baske genauso arbeitet wie für den TV-Sender La Sexta oder die baskische Tageszeitung Gara.
Noch immer hat der Journalist keinen Kontakt zu seiner Familie, wie diese gegenüber dem baskischen Fernsehen erklärt hatte. Er hat auch weiter keinen Kontakt zu seinem Anwalt, deshalb kann Boye nicht einmal sagen, "ob die Kontaktsperre aufgehoben ist oder nicht".
Der Anwalt, der vom "Königreich des Absurden" spricht, erinnert Polen aber daran, dass das Land ein EU-Mitgliedstaat ist, für den die "Grundrechtecharta der EU gilt" und dazu gehören auch die "Unschuldsvermutung und die Verteidigerrechte". In Artikel 48 der Charta heißt es: "Jeder angeklagten Person wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet". Das sei jedoch kaum der Fall, wenn der Anwalt keinen Kontakt zu seinem Mandanten hat und der tagelang ohne anwaltliche Vertretung an einem unbekannten Ort vernommen wird.
Derweil wurde aber klar, dass sich der Journalist vermutlich für die nächsten "drei Monate" in Untersuchungshaft im Gefängnis Rzeswów befindet, bis Polen entscheidet, ob man ihn vor Gericht stellt. In der Grenzstadt zur Ukraine hatte er zuletzt auch gearbeitet und von dort über die Flüchtlingsströme berichtet. Erfahren hat das sein Anwalt aber nur über das spanische Konsulat in Polen. Das hat ihm auch mitgeteilt, "dass Pablo González wegen Spionage gemäß Artikel 130.1 des polnischen Strafgesetzbuches angeklagt" wird.
Der Anwalt hat den spanischen Konsul gebeten, dem Journalisten "so schnell wie möglich diplomatischen Schutz" zu gewähren, um seine Freilassung "bei guter Gesundheit" zu ermöglichen. Im Baskenland wird allseits befürchtet, dass Gonzalez auch Misshandlungen ausgesetzt sein könnte.
Wie seine Familie hofft auch sein Anwalt, dass es sich allein um "einen Fehler der polnischen Behörden handelt". Das ist allerdings angesichts der Vorgeschichte und der Tatsache, dass González in Untersuchungshaft mit einer Anklage genommen wurde, auf die eine Haftstrafe von zehn Jahren droht, unwahrscheinlich. Das zeigt sich auch am Umgang der polnischen Behörden, deren Version vom Spiegel kritiklos übernommen wurde.
Vorverurteilungen gegen den Journalisten-Kollegen finden sich schon in den Überschriften, wo von einem "russischen Spion" gesprochen wird, der "für den russischen Militärdienst GRU arbeiten" soll. "Er gab sich als Journalist aus", wird eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt. Es wäre eine sehr leichte Übung gewesen, um festzustellen, dass er seit Jahren als Journalist für etliche Medien arbeitet, sogar akkreditiert ist.
Statt wie internationale Journalistenorganisationen, darunter auch Reporter ohne Grenzen die sofortige Freilassung des Kollegen zu fordern, die Pressefreiheit zu verteidigen und sich hinter einen kritischen Kollegen zu stellen, der sich in der Region auskennt und der Sprache mächtig ist, übernimmt das Hamburger Nachrichtenmagazin Aussagen vom "Geheimdienst ABW", die nicht überprüfbar sind.
Nach ABW-Angaben sei Gonzalez an Informationen gelangt, "deren Nutzung durch russische Geheimdienste negative Auswirkung auf die innere und äußere Sicherheit sowie auf die Verteidigungsfähigkeit" Polens haben könnten, wird berichtet.
Behauptet wird auch, der Journalist habe "seine Ausreise in die Ukraine geplant, um dort seine Agententätigkeit fortzusetzen". Auch das ist hanebüchen, wie eine einfache Recherche ergeben hätte. González hatte nämlich aus Angst vor Repressionen dieses Land erst kürzlich verlassen. Er war am 6. Februar vom ukrainischen Geheimdienst in Kiew festgenommen und verhört worden, nachdem er vor Kriegsausbruch in der Ostukraine recherchiert hatte. Schon dabei wurde er als "prorussisch" beschuldigt.
Dass der spanische Geheimdienst CNI zwischen seiner Festnahme in der Ukraine und der Verhaftung in Polen am 28. tätig wurde, spricht klar für spanische Verwicklungen in den Fall. Die Familie wurde von den Agenten zu seiner politischen Einstellung befragt. Suspekt war für die Agenten unter anderem, dass er ein Konto bei der "Laboral Kutxa" hat. Das ist die Sparkasse der baskischen Genossenschaften. Er wurde auch "gewarnt", da er auch die baskische "Gara" arbeitet, die von den Geheimdienstlern als "Pro-ETA-Medium" eingestuft wurde, das "von Russland unterstützt" werde.
All das ist so hanebüchen wie die Beschuldigungen gegen einen Kollegen, der für kritische Berichte und fundierte Recherche bekannt ist. Vielleicht sollte man den CNI einmal unterrichten, dass es die Untergrundorganisation ETA seit Jahren nicht mehr gibt, die aufgelöst und entwaffnet ist.
Es war der CNI-Besuch bei der Familie, den González dazu veranlasst hat, eilig in der Ukraine die Koffer zu packen und nach Polen auszureisen, "um seine Sicherheit zu garantieren". Das hätten ihm auch spanische Diplomaten in der Ukraine geraten. Angesichts derlei absurder Vorwürfen, für die von Polen, der Ukraine oder von Spanien nicht einmal Indizien vorgelegt wurden, kann man verstehen, wenn der Anwalt Boye warnt, dass es "auch jeden anderen Journalisten eines anderen Mediums treffen" kann.
Auffällig war in dem Fall auch, wie langsam sich spanische Behörden in den Fall eingeschaltet haben. Es musste erst starker Druck über die baskische Linkspartei EH Bildu im Parlament und von Journalistenvereinigungen aufgebaut werden, bis sich die sozialdemokratische Regierung nach Tagen bequemte, sich dem Fall anzunehmen.
Erst am Donnerstag, am vierten Tag der Kontaktsperre, hat der spanische Außenminister José Manuel Albares angekündigt, ihm "konsularischen Beistand" zu gewähren.