Entwaffnung der baskischen Untergrundorganisation ETA
Wann gehen die neuen Faktenwächter gegen ihre eigenen Häuser vor? Unterziehen wir eine DLF-Meldung einem Check
Man nehme die Meldung aus einem der deutschen Leitmedien. Am frühen Samstag berichtete auch der Deutschlandfunk (DLF) von bevorstehenden Entwaffnung der ETA: "Fünfeinhalb Jahre nach ihrem Gewaltverzicht will die baskische Untergrundorganisation ETA heute den Behörden ihre Waffen übergeben", beginnt die DLF-Meldung.
Schon hier wird es schief. Denn die ETA hat im Oktober 2011 "endgültig"den bewaffneten Kampf eingestellt. Zuvor wurde dies von ihr auf einer internationalen Friedenskongress unter Leitung vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan "ohne Vorbedingungen" bekannt gegeben, die von den beiden großen spanischen Parteien boykottiert wurde. Der Forderung an Frankreich und Spanien, mit der ETA über die Waffenübergabe zu sprechen, kamen beide Staaten nie nach.
Dass die ETA ihre Waffen heute "den Behörden" im "französischen Bayonne" übergeben wolle, ist schlicht Unfug. Frankreich und Spanien haben bisher alles getan, um eine Entwaffnung zu torpedieren. Deshalb ist ein solches Vorgehen schlicht unmöglich. So wurden sogar renommierte Vermittler vor den spanischen Sondergerichthof in Madrid gezerrt. Die hatten, darunter auch ein Kampfgefährte von Nelson Mandela, an einer ersten Entwaffnungsaktion Anfang 2014 teilgenommen, weil weder Spanien noch Frankreich Schritte in diese Richtung unternommen hatten. Frankreich nahm im vergangenen Dezember sogar Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft fest, weil die endlich die Entwaffnung auf dem Weg zu einer Friedenslösung vorantreiben und zerstörte Waffen der ETA an die Behörden schicken wollten.
Der Deutschlandfunk berichtet: "Nach Angaben der ETA werden auch Tausende Sympathisanten der Gruppe erwartet." Wo und wann soll die ETA das verkündet haben? Quellen braucht man offenbar beim DLF nicht. In der Erklärung, welche die britische BBC gestern veröffentlich hat, ist davon jedenfalls keine Rede. Die Wortwahl entspricht dem spanischen Innen- und Justizministerium, wo sogar die zu ETA-Mitgliedern oder Unterstützern gestempelt werden, die sich für deren Entwaffnung einsetzen. Die müssen bisweilen sogar für viele Jahre hinter Gitter, weil sie an der Abwicklung der ETA gearbeitet haben.
Tatsächlich haben zahlreiche Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen dazu aufgerufen, sich heute in Baiona (franz. Bayonne) einzufinden, um die Entwaffnung durch die Zivilgesellschaft zu unterstützen, die auch von den Lokalregierungen im Baskenland und Navarra unterstützt wird. Die Regierungschefs haben sich in dieser Woche mit Vertretern der internationalen Überprüfungskommission (CIV) getroffen.
Und schließlich wird die DLF auch noch in sich widersprüchlich. Hatte man oben behauptet, die ETA übergebe die Waffen den Behörden, heißt es unten nun: "Wie die Übergabe genau verlaufen soll, ist bislang nicht bekannt." Das Problem ist, dass oben schlicht Fake verbreitet wurde. Denn die ETA wird und kann den Behörden keine Waffen übergeben. Genau deshalb wurden den "Handwerkern für den Frieden" und der internationalen Überwachungskommission die GPS-Daten übergeben, wo sich die "Zulos" (Waffenlager) befinden. Und es ist auch längst bekannt, dass die CIV-Prüfer den französischen Behörden die Daten übergeben.
Das war alles längst bis ins Detail geplant und deshalb konnten die, die schon im Dezember als "ETA-Mitglieder" von den "Qualitätsmedien" bezeichnet wurden, kürzlich ankündigen, dass die ETA am 9. April definitiv entwaffnet sein würde. Tatsächlich hat die Organisation längst keine Gewalt mehr über die Waffenlager und das hat die ETA gestern über die BBC mitgeteilt.
Auch sehr einfach zu recherchierende Fakten stimmen in der Meldung nicht. Darin heißt es, dass die ETA "2011 ihren Gewaltverzicht" verkündet und dass sie "seitdem keinerlei Anschläge mehr" verübt habe. Der letzte Anschlag der ETA wurde 2009 verübt und im März 2010 kam bei einem Feuergefecht angesichts einer versuchten Verhaftung in Frankreich ein Polizist ums Leben.
"Sie gab jedoch bisher weder ihre Waffen ab noch löste sie ihre Strukturen im Untergrund auf", wird die Meldung abgeschlossen. Wie schon ausgeführt, war die Entwaffnung bisher unmöglich und wurde torpediert. Eine Auflösung der Strukturen wäre sogar unverantwortlich, solange Sprengstoffe und Waffen nicht adäquat entsorgt sind. Offenbar wollte das ständig repressiver werdende Spanien genau eine solche Situation, damit man noch Jahrzehnte mit einer diffusen Bedrohung einer nicht entwaffneten Organisation kommen kann.
Eine solche Meldung wäre sicher ein Fall für die neuen selbsternannten Faktenwächter von ARD und Co. Sie könnten mit Aufräumarbeiten in den eigenen öffentlich- rechtlichen Anstalten beginnen, denn hier haben wir es mit zum Beispiel einer Meldung zu tun, die beim werten Hörer bestenfalls ein völlig verzerrtes Bild erzeugt und die sogar die verunglimpft, die sich für eine Friedenslösung einsetzen.