Die baskische ETA ist nun Geschichte
Die Untergrundorganisation hat sieben Jahre nach der Einstellung ihrer bewaffneten Aktivitäten die Auflösung erklärt, doch für Spanien ändert sich damit "nichts"
"Die ETA hat die Gesamtheit ihrer Strukturen aufgelöst" und nach fast 60-jähriger Geschichte hat die baskische Untergrundorganisation "ihre politische Aktivität beendet", heißt es in einer Erklärung die das bisherige Führungsmitglied Josu Urrutikoetxea für "Euskadi ta Askatasuna" (Baskenland und Freiheit/ETA) verlesen hat. Schon gestern war ein Brief, der von der ETA an verschiedene politische Akteure geschickt wurde, an die Presse durchgestochen worden, der dann auch sofort veröffentlicht wurde. Darin wurde die - ohnehin erwartete - Auflösung vorweggenommen, die für Freitag angekündigt worden war.
Es war längst klar, dass sich die ETA fast sieben Jahre nach dem Friedenskongress im baskischen Donostia (San Sebastian) auflösen würde. Auf die Forderungen aus der baskischen Zivilgesellschaft reagierte sie drei Tage nach dem Kongress und stellte einseitig und ohne Gegenleistung ihren bewaffneten Kampf "endgültig" ein.
Nun erklärte die Organisation, die kürzlich die Opfer vor der Auflösung um "Verzeihung" gebeten und die Verantwortung für "maßloses Leid" übernommen hat, dass die Auflösung die "logische Folge von der Entscheidung 2011 ist, den bewaffneten Kampf endgültig einzustellen". Damit werde ein Zyklus abgeschlossen und eine neue historische Phase beginne, schreibt die Organisation weiter, die seit 14 Uhr als Ex-ETA bezeichnet werden muss. "Die ehemaligen Militanten der ETA werden den Kampf an anderen Stellen für ein wiedervereinigtes, unabhängiges, sozialistisches, baskisch-sprachiges und feministisches Baskenland eintreten, wo jeder einzelne Militante es für sinnvoll erachtet." Die Organisation sei aus der Bevölkerung entstanden und wird sich nun in diese Bevölkerung hinein auflösen.
Sie erinnert noch daran, dass sie gegründet wurde, als das Baskenland sich in den "Krallen der Franco-Diktatur" und eines jakobinischen französischen Zentralstaats befand. Man habe dazu beigetragen, dass es 60 Jahre später, dank des Kampfes verschiedener Generationen, ein lebendiges Baskenland gäbe, das frei über seine Zukunft entscheiden will.
Die ETA beendet die Etappe der "politischen Gewalt", mit der sich das Baskenland mit den beiden Staaten Spanien und Frankreich konfrontiert habe, unter denen das Baskenland aufgeteilt ist. Sie bedauert, dass diese beiden Staaten nicht bereit sind, diese Etappe ebenfalls zu beenden. Sie hätten Angst vor einer definitiven Konfliktlösung. "Die ETA fürchtet ihrerseits kein demokratisches Szenario und hat deshalb diese historische Entscheidung getroffen, damit der Prozess für die Freiheit und Frieden auf einem anderen Weg weiter beschritten wird."
Für die Zukunft liege die große Herausforderung darin, wird mit Blick auf die Vorgänge in Katalonien erklärt (ohne dies zu benennen), weitere Kräfte zu sammeln und zu vereinen, die Bevölkerung zu aktivieren und unter Einbindung weiterer Kreise die Folgen des Konflikts und die "politische und historische Ursache" zu lösen. Das "Selbstbestimmungsrecht" und die "Anerkennung als Nation" seien die Schlüssel dafür. Einst war dies in der spanischen Republik der Fall, die von den Generälen unter Franco weggeputscht wurde.
Die Reaktionen auf die Erklärung sind sehr unterschiedlich. In Genf bestätigte die Stiftung Henry Dunant die Echtheit der Dokumente. Die Stiftung war lange Jahre in den einseitigen Friedensprozess und in Verhandlungsversuche involviert, um eine Friedenslösung zu suchen. Ihr Sprecher David Harland nannte ausdrücklich den früheren Präsidenten der baskischen Sektion der spanischen Sozialisten Jesús Egiguren, seinen früheren Parteichef und ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero, den baskischen Regierungschef Iñigo Urkullu und den Chef der linken baskischen Partei EH Bildu (Baskenland Vereinen) Arnaldo Otegi, die "diesen Tag möglich" gemacht hätten. Otegi hat sechs Jahre als angebliches ETA-Mitglied im Gefängnis gesessen, dabei hatte er an einer Friedenslösung und der Abwicklung der ETA gearbeitet.
In Frankreich wird die Auflösung der ETA als "wichtigen Schritt" bezeichnet
Die Europaministerin Nathalie Loiseau hoffte beim Besuch in Madrid, dass er dazu dient, um den "letzten bewaffneten Konflikt in Europa" zu überwinden. Sie übte sich zwar im Schulterschluss mit der spanischen Regierung, so sei das Ende der ETA der Zusammenarbeit beider Staaten zu verdanken, doch es ist längst klar, dass sich Paris seit langem vom repressiven Vorgehen Spaniens absetzt. Zunächst hatte auch Frankreich im Schulterschluss mit Spanien versucht, die Entwaffnung der ETA durch die Zivilgesellschaft zu torpedieren.
Paris ließ davon aber auf Druck der Zivilgesellschaft ab und stellte das repressive Vorgehen gegen die Friedensaktivisten ein, womit eine vollständige Entwaffnung der ETA vor einem Jahr möglich gemacht wurde. In Frankreich ist längst auch Bewegung in die Gefangenenfrage gekommen, Urteile fallen zunehmend milder aus und das Land hat damit begonnen, die Doppelbestrafung für Freunde und Angehörige zu beenden. Die Gefangenen werden in Gefängnisse in Nähe des Baskenlands verlegt.
Spanien setzt weiter auf harte Repression
Bei der Volkspartei (PP), die Spanien regiert, ist davon nichts zu merken. Nicht einmal in der Gefangenenfrage bewegt sich etwas, die immer noch - gegen spanische Gesetze - weit entfernt von der Heimat inhaftiert sind. Nicht einmal tödlich erkrankte Gefangene werden freigelassen, Freigang, Hafterleichterungen … nur bei einem Kniefall gewährt. Spanien setzt weiter auf harte Repression. Noch immer werden Basken mit absurden Terrorismusvorwürfen angeklagt, wie derzeit acht Jugendliche. Nun muss eine Kneipenschlägerei herangezogen werden und dafür will man sie bis zu 62 Jahre inhaftieren.
Entsprechend fielen auch die Worte von Ministerpräsident Mariano Rajoy aus. Es werde keine "Lücke" bei der Strafverfolgung und keine Straffreiheit geben, hat der Mann erklärt, der über die Verbrechen seiner Parteigenossen im Franquismus großzügig hinwegsieht, die alle amnestiert wurden. Die Opfer liegen noch heute in Massengräbern. "Egal, was sie tun, und egal, was sie sagen, nichts wird sich verändern", erklärte Rajoy in Bezug auf die ETA.
Die PP zeigt auch hier, wie in Katalonien, ihre absolute Politikunfähigkeit. Sie bestätigt, dass ihr Vorgehen vor allem von Rache geprägt ist, womit sie auch gegen geltendes Recht und die spanische Verfassung verstößt. Damit hat sie schon eine große Masse in Katalonien gegen sich aufgebracht, wo sich in wenigen Jahren eine breite Unabhängigkeitsbewegung herausgebildet hat. Obwohl die absolut friedlich vorgeht, wird auch mit ihr nicht gesprochen oder verhandelt, sondern ebenfalls die Repressionskeule geschwungen. Es hat sich als Lüge entlarvt, dass lange Jahre den Basken erzählt wurde, dass ohne die ETA-Gewalt über "alles" gesprochen werden könne. Der Rajoy-Vorgänger José María Aznar versprach einst sogar "Großzügigkeit".
Aznar war vielleicht etwas weitsichtiger als Rajoy und verhandelte sogar mit der "Baskischen Unabhängigkeitsbewegung" und der ETA. Rajoy ist nicht einmal bereit, mit gewählten Vertretern der Katalanen zu sprechen, die er juristisch bemäntelt ins Gefängnis oder ins Exil treiben lässt. Ein solches Vorgehen wird den katalanischen Konflikt nicht beseitigen. Die Rachegelüste werden auch den Konflikt mit den Basken nicht beenden, sondern ihn weiter anfachen. Die ETA erinnerte schon im gestrigen Schreiben daran, dass der Konflikt schon vor der Gründung der Organisation bestanden hat und auch nach ihrer Auflösung weiterbestehen wird.