Polen plant erstmals seit 30 Jahren Haushalt ohne Defizit

Die Entwicklung des polnischen Haushaltsdefizits seit 1995. Grafik: TP

Opposition zweifelt, dass das Wahlversprechen hält

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Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat diese Woche bekannt gegeben, dass der Staatshaushalt für das Jahr 2020, den sein Kabinett gerade verabschiedet hat, erstmals seit 30 Jahren ohne Defizit auskommen soll. Die geplanten Ausgaben sind darin mit 429,5 Milliarden Złoty (oder umgerechnet 98 Milliarden Euro) genauso hoch wie die geplanten Einnahmen. Nun wird der Plan den beiden Parlamentskammern zu Genehmigung vorgelegt.

Die oppositionelle Platforma Obywatelska (PO), die sich auf europäischer Ebene der christdemokratischen EVP angeschlossen hat, kritisierte das Vorhaben vorab. Ihre Vertreter äußerten die Erwartung, dass die "schwarze Null" vor allem die Stimmung vor der nächsten Sejm- und Senatswahl am 13. Oktober verbessern soll und nicht bis zum 31. Dezember 2020 standhalten wird. Ihre Zweifel sind nicht ganz ohne Grundlage: Dass die Regierung keine unvorhergesehenen Ausgabensteigerungen einkalkuliert, bewerten Ökonomen als ähnlich sportlich wie die Schätzung der Mehrwertsteuereinnahmen auf 20 Milliarden Złoty.

Schuldenmachen oder Streichen?

Es ist deshalb nicht ganz unwahrscheinlich, dass die sozialkonservative Regierungspartei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) eines ihrer Wahlversprechen brechen muss: Entweder erlaubt sie 2020 doch ein Defizit (was haushaltsrechtlich kein großes Problem wäre), oder sie streicht einige der "sozialen Wohltaten", die sie seit 2015 eingeführt hat. Möglich wäre beispielsweise eine Kürzung der Subventionen für Familien mit Kindern oder eine Wiedereinführung der erst im Juli weggefallenen Einkommensteuerpflicht für Polen, die das 26. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

Morawiecki hält seinen Plan eines Haushalts ohne Defizit allerdings für realistisch und verweist dabei unter anderem auf erwartete höhere Einnahmen durch das "Schließen von Steuerschlupflöchern", auf eine höhere Alkoholsteuer, auf den Verkauf von "Treibhausgaszertifikaten", auf die Versteigerung von Lizenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G, auf Stellenstreichungen im Verwaltungsbereich und auf das polnische Wirtschaftswachstum, das 2020 mit 3,7 Prozent voraussichtlich drei Mal so hoch sein wird wie das in der Eurozone. Den Beitritt zu dieser Zone lehnt die polnische Regierung ebenso ab wie die wirtschaftlich ähnlich erfolgreichen Länder Polen und Ungarn (vgl. "Nur die Schwachen drängen noch in den Euro").

Keine Anzeichen für Rezession

Anders als in Deutschland zeigen sich in Polen bislang auch keine Anzeichen für eine Rezession. Im Gegenteil: Der Ericsson-Konzern, der einer der Oligopolisten für die 5G-Infrastruktur ist, hat gerade in Aussicht gestellt, die Hardware dafür in einem neuen Werk im kaschubischen Dirschau fertigen zu lassen.

Die deutsche Daimler AG will eine neue Fabrik im niederschlesischen Jauer sogar noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen. Dort werden neben Diesel-, Benzin- und Hybridfahrzeugmotoren auch Elektrobatterien entstehen. Die Umwelt- und Baugenehmigungen dafür erhielt man den Angaben des Autoherstellers nach "rekordverdächtig schnell". Daimler ist nur eine von insgesamt über 6.500 deutschen Firmen die inzwischen in Polen investiert haben. Einer Umfrage der Außenhandelskammer nach sind 95 Prozent davon so zufrieden, dass sie den Standort erneut wählen würden.

Gedüngt durch solche Investitionen gedeihen auch polnische Gründungen. Michael Kern, dem Geschäftsführer der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer zufolge, gibt es in der polnischen Wirtschaft mittlerweile "einige mittelständische Unternehmen, die in den kommenden Jahren zu internationalen Akteuren aufsteigen können". Eines davon ist der Bushersteller Solaris, ein anderes die Asseco-Gruppe, der sechstgrößter IT-Anbieter in der EU.

Ein weiterer wichtiger Wirtschaftsfaktor sollen Kernkraftwerke werden, mit denen das Land in Paris und Brüssel eigegangene Verpflichtungen erfüllen und seinen Kohleanteil an der Stromproduktion bis 2030 von etwa 80 auf 60 Prozent reduzieren will. Mit ihnen könnte Strom auch exportiert werden, wenn die deutsche Energiewende nicht so läuft wie von der dortigen Politik versprochen. Eine ganz ähnliche Politik verfolgt man im Nachbarland Tschechien.

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