Politische Justiz: Deutsche Regierung hat ein Problem mit Ägypten

Die ägyptische Regierung verlangt die Auslieferung des al-Jazeera-Star-Journalisten Ahmed Mansour, der auf dem Flughafen Tegel festgenommen wurde. Update

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Der Festnahme des al-Jazeera-Journalisten Ahmed Mansour am Samstag auf dem Berliner Flughafen Tegel bringt die Bundesregierung in eine Zwickmühle. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl vor, allerdings weiß man auch im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt, dass Haftbefehle gegen Journalisten im gegenwärtigen Ägypten auf dünnen sachlichen und dicken politischen Beinen laufen. Und wenn die Meinungs-und Pressefreiheit immer als Säule der Demokratie dargestellt wird, dann kann man doch nicht so leicht einknicken?

Ein Auslieferungsabkommen zwischen Ägypten und Deutschland gibt es laut Medienberichten nicht. Allerdings hat die ägyptische Regierung bereits einen Antrag auf Auslieferung gestellt.

Formell ist das Berliner Kammergericht jetzt dafür zuständig, über das Auslieferungsersuchen zu entscheiden, nachdem der Haftrichter am Sonntagnachmittag befunden hatte, dass der Haftbefehl nach "formaler Prüfung des Falles" rechtmäßig ist.

Es könnte sich auf die schlechten Haftbedingungen in Ägypten berufen, wie es die die Staatsanwaltschaft in Köln 2010 in einem anderen Fall geltend machte und damit die Auslieferung ablehnen. Außenminister Steinmeier wäre gewiss nicht unglücklich, könnte er sich doch auf die Unabhängigkeit der Gerichte berufen. Auch as-Sisi beruft sich darauf, wenn die internationale Öffentlichkeit sich wieder einmal über die Todesstrafen und langjährigen Haftstrafen aufregt, die ägyptische Gerichte gegen politische Gegner der Machthaber aussprechen.

Im Fall Ahmed Mansour wird es keine leichten Wege geben, denn er hat politisches Gewicht. Sein Fall hängt hoch. Der Journalist war die letzten Jahre der Star-Anchorman von al-Jazeera, bekannt in der arabischen Öffentlichkeit. Gleichermaßen bekannt war seine offensichtliche Sympathie für die Muslimbrüder, dem Gegner der ägyptischen Regierung 8Link auf 41612).

Im Oktober letzten Jahres verurteilte ihn ein ägyptisches Gericht - in seiner Abwesenheit - zu 15 Jahren Gefängnis, vorgeworfen wurde ihm, dass er während der "ägyptischen Revolution" im Jahr 2011, einen Anwalt "gefoltert und sexuell belästigt, bzw. angegriffen" habe. Ein Vorwurf, der nach gängigen Schablonen politisch fabriziert klingt, dessen Wahrheitsgehalt vom Berliner Kammergericht wahrscheinlich nicht verifiziert werden kann.

Bis nach Berlin durchgedrungen sein dürfte aber, dass die ägyptischen Prozesse gegen andere Al-Jazeera-Journalisten Schauprozesse waren, die auf lächerlich dünnem Material basierten.

Nach Lage der Dinge liegt es nicht am Kammergericht in Berlin, sondern an der politischen Führung hier Farbe zu bekennen:

Würde das Kammergericht der Auslieferung zustimmen, dann könnte die Bundesregierung deren Vollzug aus übergeordneten Gründen verhindern. In der Praxis prüfen die zuständigen Gerichte bei derartigen Fällen auch die politischen Umstände und holen vorab Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes, des Bundesjustizministeriums und gegebenenfalls des Bundeskanzleramtes ein.

FAZ

Dem FAZ-Bericht ist auch zu entnehmen, dass die deutschen politischen Stiftungen "zurzeit massiv von Geheimdiensten und der Propagandaabteilung des Regimes, dem Staatsinformationsdienst (SIS), in ihrer Arbeit eingeschränkt werden". Der kürzlich beim Besuch von as-Sisi in vorgelegte Protokollentwurf zur Besserung dieser Situation - immerhin sind Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Haftstrafen von fünf und zwei Jahren verurteiltet worden - sei sogar hinter die bisherigen Regelungen zurückgefallen, notiert die Zeitung.

[Update:]

Wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft am Montagnachmittag Medien mitteilte, kommt Ahmed Mansour frei. Dem Rechtshilfeersuchen Ägyptens werde nicht nachgekommen. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft wird mit der Erklärung zitiert:"Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Auslieferungsverfahrens ergaben sich neben den rechtlichen Aspekten nicht ausschließbare politisch-diplomatische Bedenken."