Politischer Sprengstoff
Auch innerhalb der USA mehrt sich die Kritik an den Plänen der Bush-Regierung, neue Atomwaffen zu erforschen
Mitte Januar war bekannt geworden (US-Verteidigungsminister fordert die Entwicklung von taktischen Atomwaffen), dass die US-Regierung im kommenden Jahreshaushalt erneut Finanzmittel für die Erforschung einer neuen Generation von Atomwaffen beantragen will. Nur wenige Wochen später steht sie einer geschlossenen Front von Kritikern gegenüber. Die Gegnerschaft reicht von Abrüstungsorganisationen bis hin zu Kongressabgeordneten der eigenen Republikanischen Partei. Nach Angaben der Arms Control Association (ACA, einer der einflussreichsten US-Organisationen auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle, enthält der beantragte Etat des Energieministeriums einen Posten von vier Millionen US-Dollar zur Erforschung sogenannter Robust Nuclear Earth Penetrators, bunkerbrechender Atomwaffen. Für ein ähnliches Programm des Verteidigungsministeriums seien zusätzliche 3,5 Millionen US-Dollar beantragt wurden. Die Washington Post hatte die beantragten Mittel sogar mit gut zehn Millionen US-Dollar angegeben.
Die ACA weist in einer ersten Stellungnahme nun darauf hin, dass entsprechende Anträge vom Kongress bereits für das laufende Haushaltsjahr abgelehnt wurden. Vor diesem Hintergrund wirft Daryl G. Kimball, der ACA-Direktor, der Bush-Regierung vor, "ohne Not einen erneuten Konflikt mit dem Kongress" zu provozieren. Zudem seien die Risiken des Einsatzes sogenannter bunker buster nach wie vor nicht abzuschätzen. Bunkerbrechende Atomwaffen hätten eine zu große Sprengkraft, um eine radioaktive Verseuchung des Zielgebietes zu vermeiden, so der Einwand der ACA. Die radioaktiven Niederschläge würden Soldaten wie Zivilisten daher gleichermaßen gefährden.
Bedenken gibt es auch gegen den erwogenen Beschuss von chemischen oder biologischen Kampfstofflagern, da schon "kleinste Zielabweichungen" dazu führen könnten, dass die Kampfstoffe nicht zerstört, sondern freigesetzt würden. Über solchen technischen Einwänden aber stehen die politischen Gefahren, die ein neues atomares Forschungsprogramm der USA mit sich bringen würde. Mitglieder beider Parteien im amerikanischen Kongress lehnten die radikalen Atomwaffenpläne der US-Regierung gerade wegen der unklaren politischen Konsequenzen ab, sagt Kimball.
Diese Parlamentarier verstehen, dass das Streben nach Atomwaffen, die leichter einzusetzen wären, es andererseits schwerer machen würde, von anderen Staaten eine atomare Enthaltsamkeit zu fordern.
Daryl G. Kimball
Tatsächlich wird die Front der Kritiker ausgerechnet von einem Republikanischen Senator angeführt. David Hobson aus dem US-Bundesstaat Ohio kritisiert vehement, dass gut fünfzehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges noch immer Nuklearwaffen die militärischen Strategien der USA dominieren. Die Regierung müsse sich daher der Frage stellen, "warum wir uns heute weiter auf einen bereits beendeten Krieg vorbereiten", so Hobson auf einer Tagung der ACA. Statt jährlich 6,5 Millionen US-Dollar für die Lagerung Tausender Atomsprengköpfe auszugeben, müsse die Regierung sich endlich der Gefahr des "Nuklearterrorismus" annehmen. Die Nichtverbreitung von Atomwaffen sei in diesem Kontext der einzig gangbare Weg, die Kontrolle über nukleares Material weltweit zu behalten.
Ich würde die Nichtverbreitung als eine Art kriegsvorbeugender Maßnahme bezeichnen.
David Hobson
Im Mai findet in New York die nächste Konferenz zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrages für Atomwaffen von 1968 statt. Die US-Pläne werden während der Sitzung "mit Sicherheit" eine Rolle spielen, sagte Oliver Meier, der internationale Repräsentant der ACA gegenüber Telepolis. Artikel IV des Vertrages verpflichte die Atomwaffenstaaten schließlich zur nuklearen Abrüstung. Dabei gehe es nicht nur um die quantitative Reduzierung der Bestände, sondern auch um die Begrenzung der Rolle von Atomwaffen.