Portugal: Der Sommer hat gerade erst begonnen
Über die größte Dürre seit Jahrzehnten - und ihre Folgen
Der letzte offizielle Dürre- Report (16.-30. Juni 2005) geht davon aus, dass nach dem Palmer Drought Severity Index, einem meteorologischen Dürre-Index zufolge, 97% des Landes von ernsthafter und 64% von extremer Trockenheit betroffen sind. Spanien – ebenfalls fest im Griff der Trockenheit (Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden) - hat seine Ankündigung (Iberische Flüsse in Not), die Wasserfracht grenzüberschreitender Flüsse nach Portugal zu drosseln, in die Tat umgesetzt. Dem Douro am 22.6.2005 folgte am 1.7.2005 nur wenig später der Tejo. Angesichts der anhaltenden Trockenheit sind die Sorgen der Portugiesen sehr vielschichtig.
Spanien ist mit 1.300 über seinem Territorium verteilten großen und mittelgroßen Stauseen bestückt. Die Auswirkungen der intensiven Wassernutzung – auch auf die grenzüberschreitenden Flüsse nach Portugal - sind bekannt: fortschreitendes Absinken der Wasserführung, wachsende Unregelmäßigkeiten im Fluss-Regime mit längeren und häufigeren Trockenperioden, eine spürbare Abnahme der Wasserqualität und einschneidende Änderungen im Sedimenttransport.
Nun zögerte Spanien nicht lange, die Richtlinien des Abkommens von Albufeira („Abkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Gewässer der hispano-portugiesischen hydrographischen Becken") vom November 1998 hinsichtlich der Reduzierung der Wasserführung grenzüberschreitender Flüsse im Bedarfsfalle in seinem Interesse anzuwenden. Die portugiesische Seite ließ dies auffällig ruhig geschehen – die Vertreter beider Länder sprechen von Einvernehmlichkeit, die portugiesische Regierung gar von einem guten Ergebnis - es hätte auch noch ärger kommen können. Kritiker vermuten hinter dieser Haltung ein stillschweigendes Dankeschön an die spanische Regierung – für deren wohlwollende Haltung gegenüber dem umstrittenen Alqueva-Stausee-Projekt im Alentejo und das zweiseitige Abkommen über die geplante TGV-Trasse Madrid –Lissabon.
Die ebenfalls von der Dürre heimgesuchten Spanier benötigen das Wasser dringend für ihre wenig nachhaltige Landwirtschaft, z.B. auf der kastillianischen Hochebene oder in der Gegend um Murcia. Spanien hat nun beispielsweise beschlossen, in den nächsten drei Monaten 82 Kubikhektometer Tejo-Wasser abzuzweigen – das ist mehr, als nach Angaben des Instituto da Água (INAG) im ganzen Monat Juni auf portugiesischer Seite ankam.
Allein 43 Kubikhektometer sollen der Bewässerung der Obstplantagen in Murcia dienen. Dabei erlaubt ein Vertrag über die Nutzung der grenzüberschreitenden Flüsse Minho, Lima, Tejo, Guadiana und Chança aus dem Jahre 1968 der spanischen Seite bereits die Umleitung von jährlich bis zu 1000 Kubikhektometer Wasser aus dem Tejo in andere hydrografische Becken. Dieser noch vom Glauben an Fortschritt durch ungebremsten Staudammbau durchgesetzte Vertrag konzentrierte sich jedoch hauptsächlich auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft und verpflichtete beide Staaten, die für eine Minimalwasserführung nötige hydraulische Infrastruktur zu schaffen. Das Abkommen von Albufeira sollte das Problem des Wassermanagements auf eine neue, modernere Stufe heben. Doch zeigten die Verantwortlichen in den folgenden Jahren wenig Interesse – dem euphorisch angefangenen Projekt folgten nicht einmal mehr die vereinbarten regelmäßigen Treffen.
Die nun angeschlagene Gangart sorgt auch in Spanien selbst für Polemik: Während die Umleitungsmaßnahmen den Vertretern der autonomen Region Castilla-La Mancha „unverantwortlich und unverhältnismäßig“ erscheinen - die Stauseen am Oberen Tajo sind hier auf die niedrigsten Pegelstände der letzten 15 Jahre gefallen -, gehen sie der Regierung von Murcia nicht weit genug und werden hier als „absolut enttäuschend“ eingestuft. Murcia hatte 160 Kubikhektometer verlangt.
Die Verringerung der Wassermenge in Portugals großen Flüssen ruft trotz aller Beteuerungen der Regierung Befürchtungen vor unangenehmen Nebeneffekten im Gefolge hervor. Vor allem eine Frage quält die Portugiesen: was wird sein, wenn es auch im kommenden Winter nicht regnet?
Der spanische Schritt jedenfalls befremdet diejenigen, die auf die unterschiedlichen Speicherkapazitäten beider Länder hinweisen: Nur die Einzugsgebiete von Douro, Tejo und Guadiana betrachtet, ergeben sich für Spanien rund 30 Kubikkilometer und für Portugal vier Kubikkilometer (die Fertigstellung von Alqueva wird das portugiesische Speichervermögen fast verdoppeln).
Versorgungsengpässe bei Stromversorgung erwartet
In Gondomar, einer Nachbargemeinde Portos, befindet sich seit 1999 mit der Central da Tapada do Outeiro ein modernes Gas- und Dampfkraftwerk (GUD-Kraftwerk) in Betrieb. Das mit deutscher Beteiligung errichtete 990-MW-Kraftwerk deckt derzeit 23% des portugiesischen Strombedarfs. Die Betreiber machen aufgrund der reduzierten Wasserführung des Douro eine Ausnahmesituation geltend und fordern von der Regierung eine Erlaubnis zur Erhöhung der Flusstemperatur über den geltenden Grenzwert. Ansonsten drohten starke Einschränkungen im Betrieb oder gar die Abschaltung. Im Vergleich zum Juni vergangenen Jahres stieg der Stromverbrauch in Portugal um 6,6% an, gleichzeitig sank die Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft im selben Zeitraum um 37%.
Der Zeitpunkt erscheint günstig, über abgebrochene oder vertagte umstrittene Staustufen-Gelegenheiten zu räsonieren: z.B. Foz Côa (gestoppt wegen Funden von steinzeitlichen Fels-Gravuren und Höhlenmalereien, seit Ende 1998 Weltkulturerbe); oder Rio Sabor (gilt als letzter „wilder“ Fluss Portugals), beide im Douro- Becken gelegen.
In die energetisch prekäre Situation platzt eine Meldung, die nicht nur die Weinbauern entsetzt: ein privates Konsortium beabsichtigt die Errichtung eines Atomkraftwerks im Douro-Becken, ganz ohne staatliche Unterstützung. Französische Experten kamen vor 20 Jahren zu der Erkenntnis, dass im seismisch aktiven Portugal nur das Douro-Tal sowie Teile im Alentejo die Minimalanforderungen für einen störfallfreien Betrieb erfüllen.
Mittlerweile wird auch öffentlich über Einsparmaßnahmen geredet. In Presse und Fernsehen werden Ratschläge zum sparsamen Umgang mit Wasser und Strom erteilt, der Stromversorger Energias de Portugal (EDP) verschickte diesbezügliches Informationsmaterial an die Haushalte.
Hausgemachte Probleme an der Algarve
Der Haupt-Aquifer der Algarve, der Karstgrundwasserleiter Querença-Silves, ist erschöpft und im Begriff zu versalzen; die Wasserentnahme für die anliegenden Gemeinden wurde um 50% zurückgefahren. Nun ist ein Streit entbrannt, wer der ineffektivste Wasserverwerter in der Gegend ist: die Landwirtschaft, die verdächtigt wird, 70% des Aquifers zu nutzen (andere Angaben gehen von über 90% aus); die aber selber beteuert, mit der Tröpfchenbewässerung äußerst effizient zu sein? Oder doch der Tourismus, der eine Haupteinnahmequelle der Gegend ist und der traditionell dafür sorgt, dass umweltschonende Aspekte eher zurückhaltend betrachtet werden?
Mittlerweile wird das nun gewissermaßen einer Eigendynamik folgende Zubetonieren der Landschaft zwar diskutiert, aber praktikable Lösungen sind nicht in Sicht. Im Gegenteil, in aller Öffentlichkeit wird zum Schlag gegen die letzten einigermaßen unversehrt gebliebenen Küstenabschnitte im Südwesten Alentejos ausgeholt – auch hier soll der zweifelhafte Segen der Hotel-Ressorts Einzug halten. Die Tourismusbranche als Wirtschaftsmotor in einer sonst eher strukturschwachen Gegend – wer will dort z.B. das exzessive Bewässern von Golfplätzen als unverhältnismäßig verdammen? Obwohl es an der Algarve schon 30 Golfplätze gibt, sind weitere in der Projektierungsphase – dazugehörende Hotelbauten inklusive. Unterdessen vertröstet man sich an der Algarve auf die Fertigstellung des Odelouca-Stausees im Jahre 2010.
Landwirtschaft in Nöten
Seit Monaten steht eine eventuelle Proklamation des nationalen Notstands im Zentrum der innenpolitischen Debatten – die Regierung hat das bisher abgelehnt. Sie sieht vielmehr Probleme wegen der noch nicht in ausreichendem Maße ausgeprägten Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Bauern – ein Sachverhalt, der gerade gerne und inflationär auch fast allen anderen Berufsgruppen vorgeworfen wird.
Von der lang anhaltenden Trockenheit besonders betroffen ist die Landwirtschaft. Bei Weizen, Gerste, Roggen, Triticale und Sonnenblumen wurden Einbrüche von 65–78% verzeichnet. Bei Reis sind es 30%, bei Kartoffeln 25%. Eine vorgezogene Zahlung von EU-Hilfsgeldern (250 Millionen Euro) soll die verheerende Entwicklung auf dem Getreidesektor abfedern.
Die Viehzüchter, die ihre Tiere noch zur Schlachtreife bringen können, haben Schwierigkeiten mit dem Verkauf, denn die Aufkäufer machen nun aufgrund der Knappheit von natürlichem Tierfutter in den letzten Monaten mangelnde Qualität geltend – die Preise sind im freien Fall begriffen. Während ein Lamm normalerweise 130 € einbringt, sind es momentan 30 €; ein Kalb für vormals 300 € bringt jetzt nur noch 50 €. Die Bauern fragen wütend, ob irgendjemand bemerkt hätte, dass die Preise für die Verbraucher gesunken seien. Züchter von Schafen und Ziegen im Alentejo und in Beira Interior haben zusätzlich noch den Ausbruch einer Epidemie der Blauzungenkrankheit zu Jahresbeginn zu verdauen.
Nach eigenen Angaben hat die portugiesische Regierung bisher mehr als 36 Millionen Euro zur Verringerung der Dürreschäden ausgegeben. Seit Juli werden 200.000 Agrar-Unternehmer von den Zahlungen der fälligen Sozialversicherungsbeiträge befreit. Doch die Bürokratie zur Verteilung der Hilfsmittel arbeitet langsam – ehe sie eintrifft, wird so mancher Bauer seinen Hof bereits aufgegeben haben. Im Alentejo verkaufen mehr und mehr Bauern ihr Land an Spanier, die eine solche Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Sollte der Notstand doch noch ausgerufen werden, kommen die zusätzlich frei werdenden Gelder nur versicherten Bauern zugute – also jedem Zwölften.
Waldbrandgefahr wächst zusehends
Einer der besorgniserregendsten Aspekte der Trockenheit ist die Gefahr von Waldbränden. Noch tief sitzt die Erinnerung an das katastrophale Jahr 2003, in dem 420.000 Hektar verbrannten.
Die Arbeit der Feuerwehrleute ist in manchen Gegenden des Landes zweigeteilt, denn neben der Brandbekämpfung sind sie dort auch für die Wasserversorgung der Bevölkerung zuständig. Momentan müssen 22.000 Menschen in 39 Gemeinden von Nord bis Süd aus fahrbaren Wassertanks versorgt werden – nun tritt das Fehlen von Infrastrukturen zur Wasserversorgung der Bevölkerung besonders in den ländlichen Gebieten zum Vorschein.
Jedes Jahr appelliert der Landesverband der Berufsfeuerwehren (Associacão Nacional de Bombeiros Profissionais) aufs Neue an die Regierung, nun endlich geeignete Mittel wie oftmals fehlende Schutzausrüstungen bereitzustellen. Und trotz anders lautender Beteuerungen aus Regierungskreisen wurden bisher auch nicht die chronischen Rückstände bei der Lohnauszahlung aus der Welt geschafft. Dabei ist der Ausgang der diesjährigen Waldbrandsaison auch für die aktuelle Regierung ein Gradmesser für ihre im Wahlkampf angepriesene Kompetenz.
Immer wieder wird festgestellt, dass viele Brände nicht allein auf die klimatischen Bedingungen zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf das sorglose Verhalten von Teilen der Bevölkerung angesichts der Situation. Brandstiftungen aus ökonomischen oder persönlichen Gründen sind keine Seltenheit.
Auch Spanien wird von Bränden heimgesucht – bei einem besonders tragischen Vorfall am Wochenende verbrannten bei Guadalajara 6.000 Hektar Wald; ein Grill-„Unfall“ - elf Feuerwehrleute starben in den Flammen.
Zu den traditionellen Sommerfesten in Portugal gehören zünftige Feuerwerke. Die Portugiesen sind schwer davon abzubringen – selbst bei Waldbrandgefahr. In Vale da Silva, einem kleinen Dorf bei Miranda do Corvo südlich von Coimbra, gelang dies mit einem Trick: Als Ersatz wurde eine CD mit Aufnahmen von Feuerwerksgeräuschen abgespielt, um die Feierlichkeiten wenigstens mit dem gewohnt festlichen Lärmpegel zu versorgen.