Positives Stalking
Wie die Arbeitsagentur die Arbeit fördert
Stalking ist eine besonders drastische Art der Belästigung. Häufig trifft das Übel Prominente, aber nicht selten auch ganz gewöhnliche Menschen, die von verstoßenen Liebhabern oder eingebildeten Schutzengeln nicht in Ruhe gelassen werden. Die wilde Lust, einen geliebten Menschen zu verfolgen, gern auch mit Telefonterror zu überziehen, ist aber nicht nur eine Macke – sie hat auch eine starke Seite. Ja, ist stalkende Hartnäckigkeit nicht auch ein Segen, in Zeiten, in denen das liberale Motto „Leben und leben lassen“ wahrlich ausgedient hat und uns das neoliberale Motto „Streben und streben lassen“ glücklich machen wird!? Sollte das Ruck-Zuck-aus-dem-Jammertal-Deutschland nicht von solcher Hartnäckigkeit profitieren dürfen – ja müssen!?
Die Fürsorgepflicht von Sozialämtern in Klientenbadezimmern zum Beispiel, die ihren ledigen Kunden dorthin folgen, um sie des gemeinschaftlichen Zahnbürstengebrauchs mit einem Partner zu überführen, der nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes und also an Amtes Statt alimentierungspflichtig ist – diese Fürsorgepflicht wird von Jammerdeutschland noch immer als eine Art des Auflauerns diffamiert und ist in Wahrheit doch bereits von der Mentalität eines positiven Stalking nicht allzu weit entfernt.
Im Ruhrpott, in dem schon immer gerne Tacheles geredet, das offene Wort von Mensch zu Mensch also gepflogen wird, genauer gesagt: in Oberhausen, macht das positive Stalking gerade eine ganze Behörde froh. Die Behörde, die die Früchte positiven Stalkings ernten will, heißt ARGE, eine Vereinigung von Arbeitsagentur und kommunaler Selbstverwaltung.
Ihre Kunden sind da, um Arbeit zu suchen und zu finden oder das Ganze sein zu lassen. Und die ARGE ist dazu da, dasselbe zu tun. Also hat die ARGE Oberhausen neue Arbeitsplätze geschaffen, besser gesagt: die durch ihre Oberaufsicht, die Bundesagentur für Arbeit, neu geschaffenen Arbeitsplätze mit Aufträgen versorgt: Eine „Service-Center Kundenbetreuung SGB II“ mit Sitz in Hamburg, Offenburg und Göppingen, deren Dienste die Bundesagentur allen nachgeordneten Arbeitsbehörden im Lande in einem neuen Pilotprojekt andient, wird ab sofort Erwerbslose in Oberhausen telefonisch terrorisieren.
Ab heute (12. Januar) werden im Rahmen eines Pilotprojektes erwerbsfähige Hilfebedürftige, die arbeitslos sind, telefonisch im Hinblick auf eventuelle Veränderungen in ihrer Arbeitslosigkeit befragt. Mit der telefonischen Aktualisierung der Bewerberdaten sollen die persönlichen Betreuungs- und Vermittlungsaktivitäten vorbereitet und unterstützt werden. Daneben kann hierdurch auch der Kontakt zu arbeitslosen Arbeitslosengeld II-Beziehern im Sinne von „Fördern und Fordern“ intensiviert werden.
Ankündigung des Pilotprojekts
Die Stalker in Hamburg, Offenburg und Göppingen, die von der Oberhausener ARGE mit der Kundenbetreuung der Oberhausener Erwerbslosen beauftragt werden, haben freie Hand, zumindest tagsüber: Positiv gestalkt wird Montags bis Freitags von 8.00 bis 20.00 Uhr.
Die Arbeitsplätze der „Service-Center Kundenbetreuung SGB II“ sind gut bezahlt und mit hoch qualifizierten, also hartnäckigen Stalkern besetzt. Wer anderweitig wegen Stalkings rausgeflogen ist und als schwer vermittelbar galt: Hier findet er womöglich eine neue Heimat. Und was, wenn nicht die Vermittlung schwer Vermittelbarer, soll und muss ein Herzensanliegen der Arbeitsbehörden sein!? So können zahlreiche Begabte, die bislang als Stalker auf dem individuellen Spielfeld ohne Einkommen agiert haben, ihre auf behördlichem Kampffeld positiv eingesetzte Hartnäckigkeit zum Wohle der Gemeinschaft voll entfalten.
Denn die Erwerbslosen in Oberhausen, die ja ohnehin wenig qualifiziert und in der Regel nicht mit der Hartnäckigkeit ihrer neuen telefonischen Kundenbetreuer begabt sind, haben auf einen Arbeitsplatz keine Chance. Weshalb sollen sie sich also stundenlang und womöglich ganze Tage außer Haus und unkontrolliert auf der Suche nach Beschäftigung in der Stadt herumtreiben, ihr Geld für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben oder womöglich in der Aufwärmstube einen teuren Kaffee trinken? Wenn sie sich von acht bis zwanzig Uhr daheim am Telefon von geübten Fachkräften den arbeitsmarktlichen Spiegel der Hoffnungslosigkeit vorhalten lassen, wird das irgendwann ausreichen, damit sie schlussendlich das Handtuch werfen, ausscheiden aus dem Heer der alimentierten Sozialempfänger und ganz Oberhausen froh machen, nicht nur seine ARGE.