Präzision mit eisernem Hammer, Feuer, Efeu und Wirbelsturm
Irak: Die USA haben einen Kurswechsel in der Bekämpfung des Widerstandes vorgenommen
Sie soll wilde Entschlossenheit signalisieren, überlegene Feuerkraft und Taktik: die belfernde Namensgebung der amerikanischen Operationen, die seit einigen Tagen dem irakischen Widerstand mit den schwersten Angriffen seit dem offiziellen Kriegsende entscheidende Schläge versetzen soll. Ob die Operationen "Wütendes Feuer" und "Efeu-Zyklon II", die jetzt auch Häuser von Terroristen zum Ziel haben, dem Widerstand das Fürchten lehren, bleibt - auch in US-Militärkreisen - umstritten. Zudem basieren die Präzisionsangriffe mit Satelliten gesteuerten Bomben auf "tauglichen Geheimdienstinformationen". Gerade die, so ein Erfahrungsbericht aus dem Irak, sind derzeit ein Manko.
"Eiserner Hammer", "Wütendes Feuer", "Efeu-Zyklon II": es funkt, klingelt, braust, rauscht und rankt ziemlich laut in der Martialpoesie der jüngsten amerikanischen Operationsbetitelung; das verbale Trommelfeuer immer neuer Operationsnamen der letzten Woche soll Schrecken unter den finsteren Widerstandsgruppen sähen und irritiert zugleich: steht der strategische Kurswechsel unter dem Motto "Mehr ist besser"? Oder werden Codenamen flugs ausgetauscht, weil sie ungewollt unpassende geschichtliche Namensverwandtschaften evozieren?
Dies suggeriert zumindest eine Meldung der San Diego Tribune, der zufolge der Codename "Iron Hammer" schon von den Nazis für einen Anschlag auf das sowjetische Stromnetz im 2.Weltkrieg verwendet wurde: "Eisenhammer" lautete der Luftwaffen-Code für den Plan, Stromkraftwerke in Moskau und in der Region um Gorki 1943 zu zerstören; nachzulesen sei dies im Universallexikon auf Infobitte.
Mit dem teuersten und schwersten Gerät, welches das Arsenal der amerikanischen Luftwaffe zu bieten hat, wurden in den letzten beiden Tagen Ziele in Bakuba, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Bagdad, und in der Hauptstadt selbst angegriffen. Weitere Angriffe, meist von Hubschraubern aus, hatten Ziele in Tikrit, Falludscha und Kirkuk im Visier.
Bis zu einer Million Dollar kosten die Satelliten gesteuerten Bomben, welcge dabei teilweise zum Einsatz kamen. Das Gewicht variiert zwischen 1000 und 2000 Pfund. Abgefeuert wurden die "smart bombs" zur Überraschung mancher Militärexperten auch auf leer stehende Häuser, die allerdings einem offiziellem Miltärsprecher nach allesamt auf "terroristische Aktivitäten" hindeuten: dort würden Bomben gebastelt, bzw. dienten einige Häuser als Unterschlupf für Terroristen, von denen aus US-Truppen wiederholt angegriffen wurden, hieß es. Ob bei diesen Angriffen Menschen ums Leben kamen, wurde bislang nicht bekannt.
Der Einsatz der Bomben, die auch auf das Haus von Kreuzkönig Issat Ibrahim ad-Duri, ohne Erfolg allerdings - die neu ausgesetzte Belohnung von 10 Millionen Dollar kann noch abgeholt werden - einschlugen, markiert einen Kurswechsel in der US-Strategie. Man will überraschen, heftig.
"Statt sie aus zwei Meilen Entfernung um die Ecke kommen zu sehen und damit Zeit für Warnungen zu geben", habe die Bombardierung von oben einen größeren Überraschungseffekt, gab ein Sprecher des US-Militärs Reuters gegenüber zu verstehen.
In der irakischen Bevölkerung stößt das Vorgehen der Amerikaner naturgemäß auf Verunsicherung statt auf ein größeres Sicherheitsgefühl. Die US-Truppen befinden sich in einem Dilemma. Bezeichnend dafür ist, dass die Truppen, wie in einem Vor-Ort-Bericht geschildert, angewiesen sind, bei ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit mit einer Hand freundlich zu winken, während die andere die Waffe abzugsbereit halten muss.
Wie der amerikanische Schriftsteller George Packer in einer beachtenswerten Reportage aus dem Irak berichtet, sieht sich die irakische Bevölkerung gegenwärtig einerseits mit Soldaten konfrontiert, die bis zur Erschöpfung Menschenmögliches tun, um bei alltäglichen Problemen zu helfen, für die sie gar nicht ausgebildet sind, die aber andrerseits immer wieder auf eine Schrecken und Angst einflößende, martialische Art in bewohnte Häuser eindringen - mit dem Gewehr im Anschlag: Bilder, die nicht nur die überraschten irakischen Kinder wahrscheinlich lange Zeit nicht vergessen werden.
Kein Wunder demnach, dass die US-Truppen außer Image-Problemen auch große Schwierigkeiten haben, an wichtige Informationen aus der Bevölkerung zu gelangen, wenn schon die Körpersprache abschreckt. Obendrein scheinen den Amerikanern mehr und mehr Übersetzer zu fehlen, was nach Meinung eines Asia-Times-Kolumnisten, ein deutliches Zeichen dafür ist, dass sie den "Informationskrieg" verlieren könnten.