Pressefreiheit: Die Situation für Journalisten in Deutschland wird schlechter
Die Zahl der Angriffe auf Journalisten stieg, die Position der Bundesrepublik sank im internationalen Vergleich. Welche Faktoren noch eine Rolle spielten.
Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, doch in Deutschland gerät sie zunehmend in Bedrängnis. Im weltweiten Vergleich sackte die Bundesrepublik ab. Am Mittwoch hatte die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ihre weltweite Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht – Deutschland belegte nur noch den Platz 21.
In den Vorjahren schnitt die Bundesrepublik noch deutlich besser ab, im Jahr 2021 belegte sie den Platz 16 und im Jahr davor den Platz dreizehn. ROG begründet das Abrutschen Deutschlands einmal damit, dass sich andere Länder verbessert hätten. Gleichzeitig hätte hierzulande die Gewalt gegen Journalisten deutlich zugenommen.
Im vergangenen Jahr wurden demnach 103 Fälle von physischen Angriffen dokumentiert, was ein Höchststand ist seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015. Im Kalenderjahr 2021 seien 80 Angriffe erfasst worden, heißt es bei ROG, und 2020 seien es 65 Fälle gewesen.
Besonders häufig wurden Journalisten demnach "in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten" attackiert. 87 Übergriffe wurden in diesem Zusammenhang gezählt.
Obwohl die Corona-Pandemie 2022 abflaute, wurde, teils zu anderen Themen, weiterhin demonstriert, sodass Versammlungen auch 2022 die gefährlichsten Orte für die Presse blieben. Zwei Drittel der Angriffe passierten in Ostdeutschland (Sachsen: 24, Berlin: 17, Thüringen: 13).
Reporter ohne Grenzen
Ein bundesweites Problem sei, dass die Täter oft straflos ausgingen. Viele betroffene Journalisten hätten ihre Unzufriedenheit geäußert über die Arbeit von Polizei und Justiz, heißt es bei ROG weiter. Ein effektiver Schutz sei deshalb notwendig.
Nicht nur Gewalt gegen Reporter floss in die Bewertung ein, sondern auch, dass Regierungen und gesellschaftliche Gruppen versuchen würden, eine kritische Berichterstattung zu unterbinden.
Ein Beispiel dafür ist die katholische Kirche, wie Joachim Frank, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP), im Interview mit dem Portal feinschwarz.net darlegte.
Das offizielle Bekenntnis der Kirche zur Freiheit der Medien sei klar und deutlich, sagte er. Aber es gebe auch Einschränkungen und Grenzüberschreitungen.
Wenn führende Kirchenleute die Finanzierung "unserer Medien" mit "unserem Geld" in Frage stellen, weil sie sich an bestimmten Inhalten stoßen oder kritische Berichte als Netzbeschmutzung auffassen, dann ist diese unverhohlene Drohung mit dem Dreh am Geldhahn aus meiner Sicht ein Angriff auf die Freiheit der Berichterstattung.
Joachim Frank
Problematisch sei auch, dass Informationen bevorzugt an handverlesene Journalisten gegeben würden – "nach dem Motto ‚Wissen ist Macht‘".
Ganz und gar unsäglich sind allerdings Angriffe auf aufklärenden Journalismus mit Nazi- Vergleichen und Begriffen aus dem Wörterbuch des Unmenschen.
Joachim Frank
Die Bedrohung der Pressefreiheit ist nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Problem. Deshalb hob UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwoch ihre Bedeutung hervor. Eine freie Berichterstattung, sagte er, liefere die nötigen Fakten, um sich Meinungen zu bilden und die Mächtigen mit der Wahrheit zu konfrontieren. "Sie repräsentiert den Lebensnerv der Menschenrechte".
Dagegen ließen Desinformation und Hassreden die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion, Wissenschaft und Verschwörungstheorien verschwimmen.
Eine weitere Gefahr erblickt Guterres etwa in den ökonomischen Veränderungen in der Presselandschaft und in staatlichen Vorgaben.
Mit der zunehmenden Konzentration der Medienindustrie in den Händen einiger weniger, dem finanziellen Untergang zahlreicher unabhängiger Nachrichtenorganisationen und der Zunahme nationaler Rechts- und sonstiger Vorschriften, die journalistische Arbeit unterdrücken, greift Zensur weiter um sich und ist das Recht der freien Meinungsäußerung in Gefahr.
António Guterres
Wie der wirtschaftliche Druck und die Konzentration im Medienmarkt verhindert werden könnte, sagte Guterres nicht.
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