Prestigeoperation im Polarmeer
Die Bergung des havarierten russischen Atom-U-Boots "Kursk" soll Beweis für Transparenz der russischen Informationspolitik liefern
Am vergangenen Wochenende haben in der Barent See im nördlichen Polarmeer die Operationen zur Bergung des vor einem knappen Jahr gesunkenen russischen Atom-U-Boots "Kursk" begonnen. Anders als unmittelbar nach dem Unfall, bemühen sich die russischen Behörden um eine offene Informationspolitik. Doch bereits jetzt wird von russischer und norwegischer Seite Kritik an dem 80-Millionen-Dollar Projekt laut.
Auf dem Grund der Barent See im nördlichen Polarmeer, in 108 Metern Tiefe liegt die havarierte "Kursk", ein 154 Meter langes und rund 15'000 Tonnen schweres Monstrum von einem U-Boot. An Bord des Wracks befinden sich noch immer die Leichen von 112 russischen Seeleuten, sowie mehrere Dutzend Torpedos und Cruise Missiles vom Typ "Granit". Die mit zwei Atomreaktoren getriebene "Kursk" sank am 12. August nach mehreren Explosionen an Bord. Von russischer Seite wurde in der Folge behauptet, der Untergang sei nach einem Zusammenstoss mit einem nicht identifizierten Fahrzeug erfolgt. Doch inzwischen steht die Unfallursache längst nicht mehr im Vordergrund. Bis Mitte September soll das Wrack nämlich geborgen und in ein Trockendock im Militärhafen von Murmansk gebracht werden. Zur Zeit laufen die Vorbereitungsarbeiten auf Hochtouren. In den vergangenen Tagen wurde das Wrack von Schlamm und Schlick befreit, so dass am 8. August mit dem Abtrennen der beschädigten Rumpfpartie, die auf dem Meeresgrund zurückgelassen wird, begonnen werden kann.
Mit der Operation beauftragt ist ein Joint Venture, bestehend aus den beiden niederländischen Unternehmen Mammoet und Smit International. Mammoet ist spezialisiert auf das Heben von ungewöhnlichen Lasten und zeichnet bei der "Kursk"-Bergung verantwortlich für den Transport des Wracks nach Murmansk, während Smit International die Unterwasserarbeiten erledigt. Erst Anfang Juli kam die norwegische DSNB dazu, die den Joint Venture mit einem Transportschiff bei den Taucharbeiten unterstützt. Der geplante Ablauf der Bergung wird auf einer von Mammoet und Smit betriebenen Website mittels Videosimulation dargestellt.
Zweckoptimismus mit Zwischentönen
Zwar geben sich alle Beteiligten optimistisch, doch der 'wenn' und 'aber' sind manche zu vernehmen. Dies insbesondere im Zusammenhang mit den beiden Atomreaktoren an Bord des U-Boots. Da die Barent See zu den Fischgründen von norwegischen Unternehmen gehört, gibt es im Hinblick auf ein allfälliges Misslingen der Bergungsoperation etliche Bedenken. Zwar versichert der norwegische Krisenstab für Atomunfälle, dass selbst im Fall eines GAU in Norwegen nicht mit Gesundheitsrisiken zu rechnen sei. Ole Harbitz, der Vorsitzende des Krisenstabs sagte gegenüber der Zeitung Dagbladet, dass selbst im schlimmsten Fall die Fische einer Verstrahlung von maximal 100 bequerell pro Kilo ausgesetzt würden. Zugelassen ist in Norwegen der Verkauf von Meeresgetier mit dem sechsfachen Wert. Von russischer Seite wurde diese Einschätzung bestätigt. General Boris Alexejev sagte gegenüber der Agentur Itar-Tass, beim Austritt von Radioaktivität werde die starke Strömung für eine Verdünnung der Konzentration sorgen. Für die Messung der Radioaktivität im Wasser und in der Luft rund um die Unfallstelle sind im Zusammenhang mit der "Kursk"-Bergung jedoch offiziell nur russische Stellen betraut, was von den Norwegern kritisiert wird.
Auch die norwegisch-russische Umweltschutzorganisation Bellona weist bereits während den derzeit stattfindenden Vorbereitungsarbeiten der eigentlichen Bergung auf Ungereimtheiten hin. So kritisiert Bellona die Nichteinhaltung des Fahrplans der Operation. Taucher, die gemäß früheren Äußerungen von russischen Stellen am Donnerstag Abklärungen in der Umgebung des Wracks hätten vornehmen sollen, befänden sich derzeit immer noch im Hotel in der nord-norwegischen Stadt Kirkenes. Auch die Verschiebung des Termins zur Abtrennung des beschädigten Rumpf vom 7. auf den 8. August, wird von Bellona kritisch vermerkt.
Der Russland-Experte Thomas Nielsen von Bellona vermutet in der Bergung der Kursk in erster Linie ein politisches Prestigeprojekt der Regierung Putin. Nach dem Informationsdesaster im Nachgang zum Untergang im letzten Herbst, stehe nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des russischen Präsidenten auf dem Spiel. Eine eigens für die Bergungsoperation eingerichtete Website auf dem Regierungsserver strana.ru soll das Bemühen um größtmögliche Transparenz unterstreichen. Die englisch-sprachige Moskauer Zeitung Moscow Times sieht in der Informationsoffensive kein Zeichen von Offenheit. Dies nicht zu letzt mit einem Blick auf den Konflikt in Tschetschenien, wo alles andere als transparent über die Operationen der russischen Armee informiert werde. "Wir sind von irgendwelchen Veränderungen erst dann überzeugt, wenn wir sehen, wie der Kreml mit der nächsten Katastrophensituation umgeht", ist im Editorial vom Donnerstag zu lesen.