Princeton-Professor klagt gegen Musikindustrie-Verband

Das Publizieren von Forschungsergebnissen über digitale Zugriffstechnologie SDMI ist "fundamental für den Fortschritt der Forschung"

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Die Anwälte der Electronic Frontier Foundation (EFF) haben heute in New Jersey gemeinsam mit Edward Felten eine Klage gegen die Recording Industry Association of America, die Secure Digital Music Initiative (SDMI), den Wasserzeichenhersteller Verance und das US-Justizdepartment eingereicht. Damit möchten die Kläger Felten das Recht zusichern, seine Forschungsergebnisse zu den SDMI-Techniken frei publizieren zu dürfen.

Edward Felten gehört zu jenen Forschern, die sich im Herbst vergangenen Jahres an dem "Hack SDMI"-Wettbewerb der Secure Digital Music Initiative (SDMI) beteiligt haben. Dieser Wettbewerb sollte eigentlich dazu dienen, mögliche Techniken zur sicheren digitalen Musikdistribution auf ihre Tauglichkeit zu testen. Nach Feltens Aussagen gelang es seinem Team jedoch, mit Ausnahme einer schlecht dokumentierten Technologie alle vorgestellten Mechanismen zu knacken. Die SDMI-Verantwortlichen dementierten dies vehement, übten aber gleichzeitig auf Felten Druck aus, um die Publikation seiner Forschungsergebnisse zu verhindern.

Als Felten im April auf dem Fourth International Information Hiding Workshop doch über die Ergebnisse seiner Gruppe sprechen wollte, meldete sich auch die RIAA zu Wort und drohte Felten offen mit juristischen Maßnahmen. Er verstoße mit der Publikation gegen den Digital Millennium Copyright Act, der die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen verbietet. Außerdem verletze er die Rechte des Wasserzeichen-Herstellers Verance und müsse deshalb damit rechnen, im Falle einer Publikation seiner Ergebnisse verklagt zu werden.

Damals hielt sich Felten noch mehr oder weniger an den Maulkorb der Musikindustrie, doch nun geht er mit Unterstützung der EFF in die Offensive. Anlässlich der Klageeinreichung erklärte er:

"Das Untersuchen von digitalen Zugriffstechnologien und das Publizieren der Forschungsergebnisse für unsere Kollegen ist beides fundamental für den Fortschritt der Forschung und die wissenschaftliche Freiheit."

Felten als Hoffnungsträger der Kopierschutzgegner

In der von der EFF publizierten Klageschrift erklären Felten und seine Mitstreiter ausführlich, wie und zu welchen Bedingungen sie an dem Hack-SDMI-Wettbewerb teilgenommen haben. Außerdem beschreiben sie, wie in den Wochen und Monaten nach dem Wettbewerb der Druck auf ihr Team zunahm, so dass sie sich schließlich gezwungen sahen, ihre Ergebnisse nicht öffentlich zu präsentieren.

Schließlich zeigen sie am Beispiel der Princeton-Forscherin Min Wu, dass der Maulkorb der Musikindustrie auch andere Wissenschaftler in der Ausübung ihrer Forschungsarbeit behindert. Min Wu hat im April 2001 ihre Dissertation zum Thema "Information Data Hiding" veröffentlicht und ist dabei auch auf die im SDMI-Wettbewerb verwendeten Techniken eingegangen. Wer die betreffenden Passagen in der Online-Ausgabe ihrer Dissertation sucht, wird jedoch enttäuscht: "Die elektronische Version ist derzeit aufgrund besonderer Umstände nicht verfügbar", heißt es dort.

Für Felten und seine Kollegen ist dies eine klare Behinderung der Freiheit der Forschung. Die Unterstützung der EFF konnte er auch deshalb gewinnen, weil diese schon länger nach einem öffentlich vorzeigbaren Mitstreiter im Kampf gegen den Kopierschutz-Wahn sucht. Im Fall des Rechtsstreits um DeCSS hatte man immer noch mit dem Hacker-Image der Beteiligten wie etwa des 2600-Herausgebers Eric Corley zu kämpfen. Grundsätzlich geht es in beiden Verfahren um sehr ähnliche Fragen, wie etwa der, ob Programme durch die Redefreiheit geschützt sind. Nur ist einem Richter die Freiheit der Forschung sicher weitaus leichter nahe zu bringen als das profane Recht einiger Linux-Nutzer, DVDs auch mit ihrem Betriebssystem anschauen zu dürfen.

SDMI weiter in der Krise

Feltens Klage ist nicht das einzige Problem, mit dem der SDMI-Zusammenschluss in diesen Tagen zu kämpfen hat. Auf dem letzten Treffen der Gruppe im Mai konnte offenbar keine Einigkeit über die weitere Strategie hinsichtlich des Wegs zu einem sicheren Musikstandard erzielt werden. Man vertagte sich ergebnislos auf September. Erst vor wenigen Tagen wurde außerdem bekannt, dass sich 27 Unternehmen aus dem Zusammenschluss verabschiedet haben. Das Online-Magazin The Register wollte anhand der Liste der Abgänge und der gleichzeitig verkündeten neun Neuzugänge bereits eine veränderte Strategie der Gruppe ausmachen. Man habe sich offenbar vom Gedanken an ein sicheres Wasserzeichen verabschiedet und konzentriere sich nun auf die Entwicklung geschützter Hardware-Player, mutmaßte der Register-Autor. Ein ehemaliges SDMI-Mitglied wollte dies jedoch nicht bestätigen. Schon die gestiegenen SDMI-Mitgliedsgebühren seien für viele Unternehmen ein Anlass, sich aus dem Gremium zu verabschieden. Daraus eine generelle Tendenz eines Richtungswechels ablesen zu wollen, sei aber verfrüht.