Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung? Aber wir schützen doch Tiere
In Ländern, in denen Haustierschutz kleingeschrieben wird, sind Tierschutzvereine aktiv um für ausgesetzte und/oder verletzte Tiere ein neues Heim zu finden - doch das Engagement hat teilweise bedrückende Nebenwirkungen
Vorabbemerkung: Da ich selbst mehrere Tiere aus dem Tierschutz "halte", habe ich selbst auch diverse negative Erfahrungen gemacht. Eine hiervon ist im Artikel erwähnt. Der Artikel stellt jedoch weder eine private Abrechnung mit einem Tierschutzverein noch einen persönlichen Erfahrungsbericht dar. Er wurde erst nach langwierigen Diskussionen, Anfragen und dem Austausch von Informationen und Erfahrungen etlicher Halter von Tieren aus dem Tierschutz geschrieben und soll die Gesamtsituation sowie die Probleme mit den Argumentationen abbilden.
Dreibeinig, einäugig, alt, schwer verletzt – jeder wird gerettet
Gerade in vielen beliebten europäischen Urlaubsländern, aber auch in Russland und den osteuropäischen Ländern ist Haustierschutz1 eher ein zu vernachlässigender Faktor. Auch wenn in den letzten Jahren, gerade auch durch das Engagement der Haustierschützer, so manches Tierschutzgesetz verabschiedet wurde, sind die Umsetzungen mangelhaft bis nicht existent. Es fehlt an Willen, Geldern und auch an dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, in der Tiere oft als Wegwerfartikel wahrgenommen werden.
Ein Beispiel hierfür wäre die Türkei, in der sich etliche Familien zu Beginn der Sommerferien eine möglichst junge Katze kaufen, um diese dann mit in den Urlaub zu nehmen. Nach dem Urlaub ist jedoch weder Zeit noch Platz für die Katze – und so wird diese zurückgelassen. Den Kindern erzählt man gegebenenfalls, dass die Katze problemlos alleine zurechtkommt. Im nächsten Jahr wird dann die nächste Katze gekauft, während die erste Katze bereits ihre Nachkommen in die Welt gesetzt und die Streunerpopulation erhöht hat.
Kastration ist ein Reizthema und wird von vielen Tierhaltern als obsolet angesehen - sei es, weil die Nachkommen ja anfangs so niedlich sind, oder weil es für "nur natürlich" gehalten wird, dass die Katze eben mehrmals im Jahr wirft. Für Hunde gilt Ähnliches.
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, engagieren sich Haustierschützer (teils als private NGO, teils als Tierschutzverein) in den betreffenden Ländern, bauen Auffanglager, kaufen Tiere aus Tötungsstationen frei, lassen diese tierärztlich behandeln, führen Kastrationsprojekte durch und konzentrieren sich auf die Vermittlung von möglichst jedem Tier. Weil gerade kranke, alte oder aber verletzte Tiere sich selbst überlassen werden, ähneln viele der Anzeigen solcher Tierschutzvereine einem Kaleidoskop der Behinderungen und Krankheiten.
Von einäugigen, dreibeinigen, schwanzlosen und kurzschwänzigen Tieren über welche mit schweren Verletzungen durch Misshandlung oder Unfälle bis hin zu den alten mit Herzschwächen und Tumoren oder jenen, die auf Rollstühle oder Prothesen angewiesen sind, ist alles zu finden. "Jedes Tier hat ein Anrecht auf Rettung und Leben" heißt die Devise - und so werden hohe Summen dafür investiert, Schnauzen zu rekonstruieren, Beine zu retten, Tumore zu entfernen usw. Nach den akuten Behandlungen sind dann neben den Kosten für die Auffangstationen natürlich auch die Honorare für die tierärztlichen Standardbehandlungen usw. zu tragen, sodass die Tierschutzvereine bei der Vermittlung der Tiere auf Schutzverträge und -gebühren setzen.
Wenn jedes Tier gerettet wird, dann bringen Tiere auch Profit
Das Problem, das sich durch die Maxime ergibt, möglichst viele Tiere zu retten, ist offensichtlich: Wo es Menschen gibt, die Tiere aus den Tötungsstationen retten, finden sich auch solche, die ein profitables Geschäft daraus machen. Denn oftmals ist die Rettung aus den Tötungsstationen mit Kosten für die Tierschutzvereine verbunden. Pro Tier werden 20 bis 100 Euro gezahlt. Für private Züchter ergibt sich daraus eine Situation, in der selbst die kranken und unverkäuflichen Tiere noch Rendite bringen.
Diese Situation wird oft fehlgedeutet und man nimmt an, die Tierschutzvereine würden mit den Züchtern gemeinsame Sache machen. Dem ist nicht so, doch durch das Engagement profitieren auch die Züchter sowie teilweise Mitarbeiter von Tötungsstationen, die sich die Gelder mit Züchtern teilen.
Auf welche Summen sich diese Freikaufaktionen addieren, ist unbekannt, weil viele der Vereine ihre Finanzen nicht offenlegen – angeblich (oder tatsächlich) aus Zeitmangel. Wofür welche Spendensummen genutzt werden, bleibt deshalb im Dunkeln. Die Unterstützung wird dadurch zur reinen Vertrauenssache. Zwar zeigt man Bilder von den Arbeiten vor Ort und freiwillige Helfer liefern Eindrücke - doch ein tatsächlicher allumfassender Überblick fehlt genauso wie eine Planung, wie es z. B. bei Spendeneinbrüchen weitergehen soll, wenn letztendlich von der Unterbringung der Tiere über Futter, Müllentsorgung vor Ort bis hin zu gegebenenfalls stattfindenden Umzügen bei einem Ablauf der Pachtverträge alles auf einem ausreichend hohen Einnahmefluss basiert.
Neben den Spenden sollen auch die Schutzgebühren, die je nach Tier festgelegt werden, dafür sorgen, dass zumindest allfällige Kosten wie Impfungen usw. abgegolten werden. Der Schutzvertrag, der zeitgleich zu unterzeichnen ist, birgt allerdings manche Tücke - und es ist fraglich, ob er vor Gericht Bestand haben würde.
Datenstriptease und Verzicht auf Grundrechte
Schon bevor der Schutzvertrag unterzeichnet wird, setzen viele Tierschutzvereine auf Selbstauskünfte. Die Frage, was mit den Daten passiert, wird oft eher ausweichend beantwortend – auch hier ist das Vertrauen zentral, denn Datenschutzhinweise fehlen, was gerade hinsichtlich der doch recht ausführlichen Profile, die erstellt werden, bedenklich stimmt. Neben Namen, Vornamen, Adresse, Telefonnummern und anderen Basisinformationen zielen die mehr oder minder umfangreichen Checklisten darauf ab, einen ersten Eindruck des Bewerbers um ein Tier zu erhalten. Hierfür soll er die familiäre wie auch die finanzielle Situation darlegen und geplante Umzüge schon jetzt mitteilen. Ebenso ist anzugeben, wer sich im Urlaub usw. um das Tier kümmern wird, ob schon einmal Tiere im Haus gehalten wurden, was mit ihnen passiert ist und so weiter.
Wurde diese Hürde genommen, dann werden die Daten gegebenenfalls mit von den Vereinen erstellten und zusammengeführten roten Listen abgeglichen. Diese entziehen sich der Kontrolle durch die Betroffenen ebenso wie der durch neutrale Beobachter. Auch Fragen dazu werden mit "vertraut uns" beantwortet. Es folgt eine Vorkontrolle - ein Besuch von dem Bewerber fremden Menschen, die ihn und seine Lebenssituation genau unter die Lupe nehmen. Zwar wird freundlich darauf hingewiesen, dass es nicht um Kontrolle ginge, doch so manches Vorkontrollgespräch zeigt, wie sehr Ansichten zur artgerechten Haustierhaltung auseinandergehen.
Als abschreckendes Beispiel sei hier der Fall einer Bewerberin geschildert, die auf dem Lande lebt und gefragt wurde, ob sie denn bereit wäre, sämtliche Kompostbehälter ebenso wie den Misthaufen abzudichten; ob denn dafür gesorgt werden könne, dass z. B. nie verunreinigtes Fleisch herumliegen würde etc. Die Antwort, dass auf einem Bauernhof natürlich auch Mäuse usw. hausen, weshalb das Vermittlungstier selbstverständlich auch in Kontakt mit "verunreinigten" Tieren kommen könnte, wurde dann als Begründung dafür herangezogen, dass eine Abgabe trotz der "wunderschönen Lage" zu gefährlich sei.
Ist jauch die Vorkontrolle geschafft, dann steht der Unterzeichnung des Schutzvertrages nichts mehr im Wege. Voraussetzung dafür ist, das Tier tatsächlich übereignet zu bekommen. Die Schutzverträge der diversen Tierschutzvereine ähneln sich oft. Sie eint zunächst schon, dass ein Bewerber niemals Eigentümer des Tieres wird, sondern lediglich Besitzer. Dies bedeutet, dass er zwar voll verantwortlich ist, was das neue Tier angeht, dieses jedoch im Eigentum des Tierschutzvereins verbleibt und daher auch jederzeit zurückgefordert werden kann.
Die Klausel wird mit der Angst vor Misshandlungen begründet, obwohl es bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz auch ohne diese Einschränkung möglich ist, das Tier aus dem Haushalt des neuen Eigentümers zu entfernen. Der Eigentumsvorbehalt hat für Tierschutzvereine jedoch den Vorteil, dass sie bei der Beurteilung solcher Fragen nicht auf Behörden angewiesen sind, sondern nach eigenem Gutdünken entscheiden können.
Zwar ist anzunehmen, dass bei der Vielzahl der zu vermittelnden Tiere die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass Tiere ihren Besitzern willkürlich wieder abgenommen werden - die Möglichkeit besteht jedoch schon allein durch die vage Verwendung von Begriffen wie "drohend" und "psychische Krankheit" sowie dem Fehlen näherer Hinweise darauf, dass hier ein Gutachter oder ein ähnliches neutrales Gremium eingeschaltet werden muss.
Aufmachen, aber sofort
Ist das Tier in den Besitz des einstigen Bewerbers übergegangen, so ist damit die Kontrollmöglichkeit des Tierschutzvereines bei Weitem nicht vorbei. So heißt es beispielsweise in einem Vertragstext:
Der Übernehmer erklärt sich ausdrücklich dazu bereit, mögliche Besuche durch Beauftrage des Vereins […] zur Überprüfung der Haltung und zur Sicherheit der Tiere zu gestatten und auch Änderungen der Wohnadresse oder Telefonnummer innerhalb von 14 Tagen mitzuteilen.
Was in diesem Satz fehlt, sind die Worte "jederzeit" und "unangekündigt", denn die Tierschutzvereine argumentieren oft dahin gehend, dass angekündigte Kontrollen sinnlos seien, da mit ihnen nicht gewährleistet werden kann, dass die besehene auch der normalen Situation vor Ort entspricht.
Dies ist wenig nachvollziehbar, denn ein beispielsweise über lange Zeit gequältes Tier wird kaum innerhalb von wenigen Tagen zum selbstbewussten Schmuser werden. Trotzdem werden unangekündigte Nachkontrollen anstandslos hingenommen. Die Privatsphäre wird mit diesem Regelungen, genauso wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, ausgehebelt, denn bei einem nicht gewährten Einlass droht man schon einmal mit der Polizei und "Gefahr im Verzug". Und unter Rückgriff auf das Nichts-zu-verbergen-Argument teilt der Kontrolleur mit, dass allein das Verweigern des Einlasses schon dafür stehe, dass "etwas faul ist". Da sie befürchten müssen, bei einer Zutrittsverweigerung das Tier zu verlieren, geben Betroffene solchen Drückermethoden nach. Eine derartige Situation musste ich selbst erleben.
Interessant ist, dass bei den Tierschutzvereinen bezüglich dieser Problematiken wenig Sensibilität besteht. "Es geht doch um die Tiere" dient als Standardargument, mit dem Auskunftswünsche zur konkreten Spendenverwendung genauso abgewürgt werden wie kritische Fragen zur Durchführung der Nachkontrollen. In den Foren, die viele Tierschutzvereine anbieten, werden solche Fragen oft per se als querulatorische oder sonst wie böswillige Angriffe betrachtet und entsprechend aggressiv beantwortet. Auch hier ist oft die Angst, das Tier wieder zu verlieren, ein Grund, sich zurückzuhalten. Zwar ist fraglich, ob der Schutzvertrag (oder eine Abholung des Tiers) rechtlich Bestand haben würden - doch viele scheuen den Gang vor Gericht auch wegen der Kosten oder den zu befürchtenden Folgen wie einem Eintrag in rote Listen.
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