"Progressive" Atomkraft-Laufzeitverlängerung durch die Corona-Hintertür
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt verlängert die Linksregierung die Laufzeit der "Zeitbombe" Almaraz bis 2028 - Ein Kommentar
"Man könnte es einen kopernikanischen Schwenk nennen, den die sozialistische spanische Regierung in der Atompolitik hinlegt", hatte ich 2011 zur Tatsache bemerkt, dass die Sozialdemokraten im Rahmen der Finanzkrise durch die Hintertür die Laufzeitbegrenzung auf 40 Jahre für Atomkraftwerke aufgehoben hatten. Dabei war schon damals José Luis Rodriguez Zapatero mit dem Versprechen gewählt worden, aus der Atomkraft aussteigen zu wollen.
Doch Tradition bleibt Tradition, wenn es um Wählerbetrug bei den Sozialdemokraten (PSOE) geht. Nur geht es nun, obwohl die Sozialdemokraten zudem noch mit der Linkskoalition "Unidas Podemos" regieren, die sie eigentlich in einer Koalition kontrollieren wollten, beim Wahlbetrug noch viel schneller. Brauchte der Sozialdemokrat Zapatero Jahre, um sein Ausstiegsversprechen zu versenken, geht das bei Pedro Sánchez in nur wenigen Monaten, der gerne links blinkt, um rechts zu überholen.
Denn gewählt wurde auch Sánchez unter anderem deshalb, weil er die maroden Alt-Reaktoren schließen wollte. So hatte auch die Umweltministerin angekündigt, dass nun kein Atomkraftwerk länger als die 40 Jahre laufen werde, für die sie längstens ausgelegt waren. Eigentlich sollte deshalb die Abschaltung der beiden Schrottreaktoren des Atomkraftwerks Almaraz umgesetzt werden. Kennt man aber die Partei, die gerne auch als "Spezialdemokratie" betitelt wird, war es nicht schwer vorherzusagen, dass "man solche Ankündigungen nicht sonderlich ernst nehmen" muss. Und tatsächlich wurden die nötigen Gesetzesänderungen nicht vorgenommen.
In einer Zeit, wo in Spanien faktisch unter dem Alarmzustand ein Ausnahmezustand herrscht, in dem sogar unter Aushebelung der Grundrechte ein Demonstrationsverbot herrscht, benutzt man nun das von Zapatero 2011 durch die Hintertür geänderte Gesetz, um die Laufzeit von Almaraz bis 2028 zu verlängern. Das hatte der atomfreundliche Nukleare Sicherheitsrat (CSN) in diesen Tage mitgeteilt. Wieder einmal wird eine Krise genutzt, um das hinter dem Rücken der Gesellschaft in einer Zeit durchzuziehen, in der Nachrichten über die Coronaviruskatastrophe alles dominieren. In diese Katastrophe hat diese Regierung das Land allerdings auch wegen einer unbegreiflichen Untätigkeit bis Mitte März angeführt.
Das positive Gutachten des CSN ist ganz im Sinne der Regierung und des Industrieministeriums. Denn bei den Plänen, die erneuerbaren Energien auszubauen, um die Treibhausgase wie versprochen zu verringern, hängt das Land auch zurück, das sich seit Jahren in der politischen Dauerkrise befindet. Die Atomlobby übt natürlich auch Druck aus. Sie hat kein Interesse an der Abschaltung der Gelddruckmaschinen. Die Uraltmeiler sind abgeschrieben und das absurde Tarifsystem, das sogar die EU-Kommission eine Änderung anmahnte, sorgt für riesige Gewinne.
Die Umweltorganisatoren sind entsetzt. Die Umweltschutzorganisation "Ecologistas en Acción" und das Iberische Anti-Atombündnis (MIA) lehnen das Vorhaben ab. Sie bezeichnen es als "frustrierend", dass der Vorgang ohne jede Debatte in der Öffentlichkeit stattfindet. Frustriert sind wohl auch diese Aktivisten von einer Regierung, die sich selbst als "progressiv" bezeichnet, die aber all ihre Versprechungen nicht einhält. Das Industrieministerium habe sogar die Behandlung angesichts des baldigen Auslaufens der Betriebsgenehmigung beschleunigt, wird kritisiert.
Angeschlossen hat sich der Kritik auch die Gewerkschaft CGT, die davon spricht, dass die "Geschichte weitergeht, die den Betreiberfirmen enorme Gewinne beschert", und das Kraftwerk als das "obsoleteste und damit gefährlichste" bezeichnet. Die Stellungnahmen hören sich allesamt nicht so an, als hofften die Aktivisten noch darauf, die Laufzeitverlängerung verhindern zu können.
Widerstand in Portugal
Es bleibt ihnen auch in dieser Frage nur die Hoffnung auf Portugal, an deren Grenze die Schrottmeiler stehen und nun die bis zu 47 Jahre laufen sollen. Das portugiesische Parlament hatte schon 2016 einstimmig von Spanien gefordert, den Abschalttermin 2020 einzuhalten. Im gleichen Jahr demonstrierten viele Portugiesen für die Abschaltung der Meiler in der spanischen Hauptstadt Madrid. Sie verwiesen auf einen Bericht von Technikern der Aufsichtsbehörde, dass es massive Kühlprobleme in dem Kraftwerk gibt. Wegen der veralteten Technologie sei nicht garantiert, dass bei einem Störfall die Kernschmelze verhindert werden könne. Zudem mangelt es an Hochwasserschutz.
2017 kam es schon einmal zum Eklat zwischen Spanien und Portugal, weil Spanien in Almaraz zusätzlich noch ein Temporäres Atomlager (ATI) einrichten wollte. Erneut waren sich alle Parteien einig und sie unterstützten den Kurs der sozialistischen Regierung, die ein geplantes Treffen mit Spanien aus Protest absagte. Nun fordern nicht nur Umweltorganisationen in Portugal von der Regierung, sofort Beschwerde in Madrid einzulegen. Der Präsident der Umweltkommission im Parlament, Pedro Soares, fordert auch, dass die Regierung eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung fordern müsse. Wegen des Atomlagers hatte sich Portugal schon einmal an die EU-Kommission gewandt, weil grenzüberschreitende Auswirkungen nicht bewertet und Portugal nicht einmal gehört wurde.
In Portugal sind längst viele der Meinung, dass viel zu viele Zugeständnisse an Spanien in der Frage gemacht wurden und jetzt damit wegen gravierender Sicherheitsmängel Schluss sein müsse. Im Jahr 2017 gelang es der Linksregierung zwar, das Atomlager zeitweise zu stoppen. Es wurde dann aber doch gebaut und soll nun sogar noch erweitert werden. Sollte es zu einem schwereren Störfall in Almaraz kommen, würde die austretende Radioaktivität über den Tajo und über den Wind ins Nachbarland transportiert. Der Fluss, dessen Wasser zur Kühlung benutzt wird, mündet ausgerechnet in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in den Atlantik.
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