"Projekt zum Bau eines schwimmenden Kernkraftwerks erfolgreich abgeschlossen"
Die Akademik Lomonossow hat nun auch regulär ihren Betrieb aufgenommen - Russland plant eine ganze Flotte solcher Schiffe
1977 schrieb Loriot einem sprechenden Hund ein kurzes Gedicht über Atomstrom am Pol (aus dem man in Deutschland nicht zu ausgiebig zitieren darf, ohne sich rechtlich in Gefahr zu begeben). 43 Jahre später versorgen die Russen die Polarregion um ihre 1933 errichteten nördlichste Stadt Pewek tatsächlich mit Atomenergie. Mit Strom, der auf dem Schiff Akademik Lomonossow produziert wird, das am Wochenende seinen regulären Betrieb aufnahm.
Vorher lief das 144 Meter lange, 30 Meter breite und 21.000 Tonnen schwere schwimmende Kraftwerk etwa ein halbes Jahr lang im Probebetrieb. Nun sind auch die letzten Überprüfungen abgeschlossen. Der staatseigene russische Atomkonzern Rosatom vermeldete dazu, damit sei, "das Projekt zum Bau eines schwimmenden Kernkraftwerks erfolgreich abgeschlossen". Mit den 70 Megawatt, die das von 70 Arbeitern bediente nördlichste Kernkraftwerk der Welt produziert, sollen nun nicht nur Privathaushalte an der Nordostpassage, sondern auch Industriebetriebe versorgt werden, die Bodenschätzen und Energieträger suchen und fördern.
Neues Containmentsystem soll Durchschmelzen verhindern
Seine beiden 35-Megawatt-KLT-40S-Druckwasserreaktoren werden von einer 144 Meter langen und 30 Meter breiten Tragfläche über Wasser gehalten und arbeiten nicht mit hochangereichertem, sondern mit Brennstäben mit 20 Prozent Uran-235. Sicherheitsbedenken von Kernkraftgegnern hält Rosatom entgegen, dass man nicht nur sämtliche Sicherheitsstandards der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) eingehalten, sondern sogar Erdbeben der Stärke 10 simuliert habe, um einer Katastrophe vorzubeugen, wenn die Akademik Lomonosov durch einen Tsunami an Land gespült werden sollte.
Dazu hat die Firma OKBM Africantov ein Containmentsystem entwickelt, das verhindern soll, dass radioaktives Material nach außen dringt, wenn es zu einer Kernschmelze kommt.
Dieses Containmentsystem trug dazu bei, dass die bereits 2007 begonnene Konstruktion nicht wie geplant 2010, sondern erst 2018 fertiggestellt wurde. Es unterscheidet sich vom Mark-I-Containmentsystem, das in Fukushima eine Katastrophe nach einem Tsunami nicht verhindern konnte, unter anderem dadurch, dass es nicht erst geflutet werden muss, um den Reaktor so sehr zu kühlen, dass ein Durchschmelzen verhindert wird.
Dazu verbindet es ein aktives Pumpennotfallkühlsystem mit dem passiven Sicherheitskonzept, bei dem die Reaktorenergie durch Dampferzeuger abgeführt wird, wenn alle Pumpen ausfallen. Auch hierzu muss allerdings nach 24 Stunden frisches Kühlwasser zugeführt werden.
China will schwimmendes Atomkraftwerk auf umstrittenen Inseln
Für Rosatom-Chef Alexej Lichatschow ist die in Sewerodwinsk und Sankt Petersburg gebaute Akademik Lomonosov ein "Wendepunkt für die Entwicklung kleiner modularer Kernkraftwerke". Er will nach dem erfolgreichen Übergang in den Regelbetrieb eine ganze Flotte von schwimmenden Atomkraftwerken bauen lassen und diese auch in andere Länder exportieren. Wie groß dort der Bedarf danach ist, ist noch offen.
Neben Russland arbeitet derzeit vor allem China an der 1977 von den Amerikanern aufgegebenen Technologie (vgl. Schwimmendes Atomkraftwerk): Die schwimmenden Atomkraftwerke, an denen die Volksrepublik baut, sollen der dort systemrelevanten Global Times nach auf den Spratly-Inseln Strom für Flughäfen und andere militärische Anlagen liefern. Dass soll preiswerter sein als der Bau und Betrieb von Heizkraftwerken.
Die Spratly-Inseln bestehen aus insgesamt etwa 100 meist sehr kleinen, aber über eine relativ große Wasserfläche verstreuten Landerhebungen im südchinesischen Meer. Die größte davon, Taiping Dao, umfasst gerade einmal 0,5 Quadratkilometer. Trotzdem streiten sich sechs Staaten um diese Riffe und Atolle: China, Vietnam, Taiwan, Malaysia, Brunei und die Philippinen. Das Interesse resultiert zum einen aus der Rolle der Inseln für die Kontrolle über die Schifffahrt und zum anderen aus Öl- und Gasvorkommen, die unter Wasser lagern könnten.
Auch an Land setzen sowohl Russland als auch China auf die Weiterentwicklung der Atomkraft: Auf Flüssigsalzreaktoren (vgl. Probleme der Energiewende und die ganz andere Atomenergie), auf das Gewinnen von Energie aus Atommüll (vgl. Atommüll-Endlager als Geschäftsmodell) und auf Hybridreaktoren, die konventionelle Kernkrafttechnik mit Fusionstechnologie kombinieren sollen, indem sie schwerer Kerne spalten und leichte fusionieren.
Dafür arbeitet man zu 94 Prozent mit Thorium und nur zu fünf Prozent mit Uran (vgl. Thorium als Brennstoff der Zukunft?). Eine Mischung, die nicht von alleine kettenreaktionsfähig und damit sicherer ist als die der Kerntechnologien des 20. Jahrhunderts.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.