Putin hat den Ukraine-Krieg verloren
- Putin hat den Ukraine-Krieg verloren
- Die Geschichte lehrt: Alle Kriege gehen zu Ende
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Ende 2022 gab sich Putin überzeugt von seinem Sieg in der Ukraine. Selenskyj sagte: "Wir gewinnen, weil wir einig sind." Ein Kommentar zur aktuellen Lage.
Tatsächlich hat Putin den Krieg bereits verloren. Er hatte am Anfang des Krieges drei Kriegsziele und bisher keines davon erreicht: Er wollte die ukrainische Regierung stürzen, die Ukraine zu einem territorialen Anhängsel Russlands machen und er träumte vom Mythos der Auferstehung eines "heiligen Russland". Stattdessen hat er die Ukraine als Nation gestärkt und ebenso die westliche Solidarität mit der Ukraine.
Wichtiger aber als die Frage nach einem militärischen Sieg dieses Putin'schen Aggressionskriegs ist die nach einem dauerhaften und gerechten Frieden. Wie ist 2023 Frieden möglich? Ich stelle diese Frage als Real-Pazifist, denn:
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.
Vaclav Havel
Was bedeutet diese Hoffnung mitten im Ukraine-Krieg?
Wir hoffen auf eine Welt ohne permanente Vernichtungsdrohung mit militärischer und atomarer Gewalt. Diese Drohung macht die Welt nicht sicherer, sondern ängstlicher; nicht freier, sondern unmenschlicher. Deshalb müssen wir endlich den altrömischen Grundsatz "Si vis pacem, para bellum – wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor" überwinden und nach dem Grundsatz handeln "Wenn du wirklich Frieden willst, bereite den Frieden vor". Das heißt, nicht mehr siegen und herrschen, sondern miteinander leben wollen.
"Ich wurde nicht geboren, um zu hassen, sondern um zu lieben", wusste schon Sophokles‘ Antigone in der Antike. Und hier kommt die "Feindesliebe" des wunderbaren jungen Mannes aus Nazareth ins Spiel.
Aber: "Das geht doch nicht. Das ist doch alles schöne Theorie. Wir brauchen Realpolitik", höre ich tausendfach als Gegenthese. Auch ich plädiere als Realpazifist für Realpolitik. Ein Realpolitiker war zum Beispiel Michail Gorbatschow.
Er hat vor 35 Jahren "Abrüstung statt ewiger Aufrüstung" verlangt und durchgesetzt, weil er den Mut hatte zum ersten Schritt und weil er begriffen hatte, was "Feindesliebe" konkret und praktisch heißen kann: Versetze dich in die Lage deines "Feindes". "Feindesliebe" heißt ja nicht: Lass dir alles bieten, sondern: Sei klüger als dein Feind. Jesus war kein Spinner.
Weil Gorbi das verstanden hatte, wurde Ende der Achtziger und in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts Abrüstung tatsächlich möglich. 80 Prozent der damaligen Atomwaffen in Europa wurden kontrolliert verschrottet. Realpolitik zwischen dem Realpolitiker und Friedensfreund Gorbatschow und dem "Kalten Krieger" Reagan. Dadurch wurde die friedliche deutsche Wiedervereinigung möglich. Frieden ist immer möglich.
Oder ein aktuelles Beispiel: In Äthiopien haben die Zentralregierung und eine nördliche Provinzregierung jahrelang einen blutigen und brutalen Bürgerkrieg geführt. Frieden schien lange unmöglich. Aber vor wenigen Wochen haben beide Seiten endlich ein Dialog begonnen, einen Waffenstillstand und sogar einen Friedensvertrag geschlossen und sich gegenseitig als "Brüder" angeredet.