Quid pro quo: Niemand muss bei Deals à la Weinstein mitspielen

Seite 2: Wer sich entscheidet mitzumachen, lässt sich auf Korruption ein

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Die Wissenschaftsjournalistin Kathleen Raven, die sich hier über sexuelle Belästigung durch Bora Zivkovic beschwert, der damals einflussreich bei großen populärwissenschaftlichen Medien war, hat sich nach ihrem eigenen Bericht über Jahre ohne konkreten geschäftlichen Anlass wieder und wieder mit dem Mann getroffen, seine schlüpfrigen Gespräche und Annäherungen ertragen und seine intimen Mails beantwortet.

Es gibt keinen Grund, so etwas zu tun, wenn nicht, um das zu bekommen, was Raven tatsächlich bekam, nämlich die Förderung durch Zivkovic: Einen Platz in einem exklusiven Panel von Jungjournalisten, ausgewählt von Zivkovic, die bei einem Weltkongress zum Thema Wissenschaftskommunikation als Elite der Zunft vorgestellt wurden, und die prestigiöse Position als Wissenschaftsbloggerin bei Scientific American, ausgewählt von Zivkovic.

An dem Punkt seiner Einladung in eine Bar, als Raven ohne jeden Zweifel erkannt hatte, welches Spiel er spielte ("I knew I was putting myself in a risky situation"), hat sie sich offenbar bewusst entschieden mitzuspielen, wo andere, wie Monica Byrne, die auch mit Zivkovic Kontakt hatte, spätestens den Schlusspunkt gesetzt hätten oder haben.

Raven hat sich damit nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Geschadet hat sie jenen ehrlichen und kompetenten Mitbewerbern beiderlei Geschlechts in ihrem Beruf, die nur deshalb nicht zum Zuge kamen, weil es Leute wie sie gab und gibt, die bereit sind, den Bora Zivkovics dieser Welt zu geben, was sie wollen.

Mir ist klar, dass es Extremfälle und anders gelagerte Fälle gibt, wie wenn unreife, unsichere Minderjährige betroffen sind oder bei eindeutigen Vergewaltigungen und dass es auch fließende Übergänge zu normalen Varianten des Alltagsverhaltens im Geschäftsleben geben kann, wo ja persönliche Beziehungen aller Art oder Sympathiefragen sehr häufig eine Rolle spielen, die sie, ginge man von einer idealen Meritokratie aus, eigentlich nicht spielen sollten.

Zur Korruption gehören immer zwei

Die Rechtslage ist mir im Einzelnen nicht bekannt, vermutlich komplex und in vielen Fällen uneindeutig und/oder schwer durchsetzbar. Was bei geduldeter sexueller Übergriffigkeit von Personen geschieht, die Mittel, Positionen und Aufträge in unsicheren, begehrten Berufen kontrollieren, ist im Normalfall aber Korruption nach § 299 StGB.

Dazu gehören zwei, wenn auch nach meinem Rechtsempfinden die größere Schuld beim jeweiligen Initiator liegt (wenn das Ansinnen abgewehrt wird, ist es natürlich die alleinige Schuld). Auch in Fällen gewöhnlicher Korruption und erst recht politischer Korruption wird ja das Quid pro quo zumeist nicht eindeutig ausgesprochen, sondern verklausuliert oder impliziert. Auch hier ist die rechtliche Verfolgung der Taten bzw. der Nachweis regelmäßig schwierig, wenn nicht unmöglich.

Wenn das Framing als "sexueller Missbrauch" oder "sexuelle Belästigung" hilft, diese spezielle Form der Korruption ans Licht zu bringen, zu ächten und mit Konsequenzen zu bedrohen und wenn die so ausgelöste öffentliche Empörung korrupte Entscheider und Institutionen, die diese dulden, abschreckt, so ist mir das sehr recht. Juristisch ist dem Problem ja schwer beizukommen; Einstellungsänderungen können da mehr bewirken.

Wenn die derzeitige Diskussion allerdings zur Aufweichung und Verharmlosung des Vergewaltigungsbegriffes beiträgt oder zur Kriminalisierung normalen sexuellen Annäherungsverhaltens, ist das ein Ärgernis.

Hochrangige Leute mit grandiosem Selbstbild

Dass es in Machtpositionen überdurchschnittlich viele Leute gibt, die sich für unwiderstehlich halten und die sich bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit herausnehmen, ihre Hände und Zungen an und in attraktive andere Menschen zu stecken und sich schlicht ekelhaft zu benehmen, dürfte leider auch damit zu tun haben, dass es, wie Donald Trump vor Jahren in anderen Worten vermerkte, bislang viele gab, die hochrangigen Leuten mit grandiosem Selbstbild durchgehen lassen, was sie sich von gewöhnlichen Sterblichen nicht bieten lassen würden.

Übrigens leider auf mehr als nur der sexuellen Ebene: Obszön hohe Gehälter oder Honorare im Verhältnis zur Leistung sind ein anderer Bereich, wo gewöhnliche Maßstäbe für Personen in hoher Stellung offenbar keine Gültigkeit haben, und zwar für beide Seiten. Vermengung mit Korruption, beispielsweise, dass man sich von der grotesk hoch entlohnten Person "Gefallen" durch politische Einflussnahme im eigenen Sinne erhofft, dürfte auch hier vorkommen und ist gesellschaftlich potenziell von größerem Schaden als schmutzige Machenschaften im Mediengewerbe.