RBB-Skandal: "Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien"
Seite 2: "RBB-Skandal wirkt wie ein Katalysator"
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Wie hat sich die Debatte um eine Reform entwickelt und welche Auswirkungen, denken Sie, hat der RBB-Skandal?
Sabine Schiffer: Der RBB-Skandal wirkt wie ein Katalysator, der aber die Gefahr birgt, dass man das personalisiert und darauf fixiert, also reduziert, während nachhaltig nur das Angehen des strukturellen Reformbedarfs ist. Insofern können diejenigen, die schon länger Reformen anmahnen, Frau Schlesinger & Co. fast dankbar sein, aber müssen auch aufpassen, dass die Kräfte, die meinen, das Verdecken würde sie schützen, nicht wieder Oberhand gewinnen.
"Die Zusammensetzung der Rundfunk- und Fernsehräte ist seit Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen gleichgeblieben", heißt es in der Erlangener Erklärung von 2014, die Sie mitinitiiert haben. Diese Gremien würden von Politikern, Kirchen, Bildungsinstitutionen, Gewerkschaften sowie Bauern- und Verbraucherverbände dominiert. Warum ist das ein Problem?
Sabine Schiffer: Es gibt keine Repräsentanz der Bevölkerung. Nicht nur, dass sich fast nichts an den zugelassenen Organisationen verändert hat, wie meine Studierenden der HMKW in einer systematischen Untersuchung akribisch nachvollzogen haben, es müsste insgesamt ein dynamischeres System sein. Beispielsweise jetzt kommt eine groß gewordene ukrainische Community in Deutschland dazu. So eine Veränderung müsste sich abbilden lassen.
Auch sind die Entsendeverfahren im Dunkeln. Wird berufen, gewählt? Wer wird von den Verbänden wie entsandt?
Die Erlanger Erklärung geht aber über die Partizipations- und Transparenzfrage hinaus. Wir sehen ein Problem in der Entwicklung auf der europäischen Ebene, wo alles als Markt gesehen wird und woher die Depublikationsverpflichtung auf den Websiten der öffentlich-rechtlichen Medien kommt. Das ist Verachtung der Finanziers der Medienprodukte, da gibt es andere Lösungen.
Aber auch wir haben durch unsere Forschungsergebnisse, gerade auch mit Blick auf Vorgängerorganisationen, dazu gelernt und müssen immer wieder nachjustieren – so z.B. auch die Integration gewählter Publikumsräte in den bestehenden Gremien, statt der Etablierung eines eigenen Gremiums.
Wie kann eine Transparenzpflicht umgesetzt werden?
Sabine Schiffer: Durch eine Wahl von Publikumsvertretern lassen sich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zentrale Stichworte sind die Notwendigkeit von mehr Auseinandersetzung mit Medien im Allgemeinen und mit den öffentlich-rechtlichen Medien im Besonderen. Es braucht eine Ombudsfunktion mit Berichtspflicht. Stichwort: Wiederwahl, aber auch Compliance und Bündelung von Anliegen nach innen und nach außen.
Zu lösen gibt es noch folgende Fragen: Wie lässt sich eine freie Wahl mit der Notwendigkeit von mehr Professionalität kombinieren? Wie können alle an der Wahl teilnehmen, die möchten? Wie macht man das niedrigschwellig und gerecht?
"Staatsverträge geben für Krisenmanagement nichts vor"
Der Medienwissenschaftler und Telepolis-Autor Sebastian Köhler und MDR-Rundfunkrat Heiko Hilker haben in einem Beitrag – just in Bezug auf den RBB– vor wenigen Wochen ein grundlegendes Problem angesprochen: Öffentlich-rechtliche Sender stehen gar nicht in der Pflicht, ihren "Kunden" Auskunft zu erteilen.
Sabine Schiffer: Es gibt einige strukturelle Fehlanlagen. Wie man jetzt auch merkt, geben die Staatsverträge gar nichts vor für ein Krisenmanagement, wie es gerade beim RBB erforderlich ist. Darum setzten wir uns in der Publikumsratsinitiatve von Anfang an für eine Verankerung im Staatsvertrag ein und für entsprechende Änderungen auf dieser Ebene. Denn wir brauchen hier einen institutionalisierenden Rechtsrahmen, der für die Durchschlagskraft entscheidend ist – wie wir ja jetzt merken.
Man wird die Stakeholder – also Anspruchsgruppen – der öffentlich-rechtlichen Medien nicht länger ignorieren können, weil man sonst die Akzeptanz verliert.
In den vergangenen Jahren hat das Misstrauen gegen öffentlich-rechtliche Medien zugenommen, rechte Akteure haben den Unmut gegen "Staatsfunk" und "Lügenpresse" geschürt; aber auch in der Bevölkerung allgemein sinkt das Vertrauen in "die Medien". Ist die Kluft überhaupt noch zu überwinden?
Sabine Schiffer: Das ist doch Auftrag genug, dass man eine Reform vorantreiben muss. Sonst übernehmen die destruktiven Kräfte die Stimmung im Land. Die Langzeitstudie Medienvertrauen der Universität Mainz zeigt zwar, dass entgegen allen Unkenrufen die öffentlich-rechtlichen Medien immer noch eine vergleichsweise hohe Glaubwürdigkeit genießen. Aber ich würde mich da nicht so in Sicherheit wiegen.
Wie kann der Einfluss politischer Akteure, den 2014 im Zuge einer Normenkontrollklage ja sogar das Bundesverfassungsgericht von Hamburg und Rheinland-Pfalz festgestellt hat, und von Lobbyisten eingeschränkt werden? Wie können die Öffentlich-Rechtlichen zu "unseren" Medien werden?
Sabine Schiffer: Nun, man kann auch über weitergehende Vergesellschaftungsmodelle nachdenken und tiefergreifende Reformen juristisch prüfen lassen. Dazu werden noch einige Experteninterviews mit Medienjuristen zu führen sein bzw. sind diese aufgefordert, uns ihre Expertise und Einschätzung zukommen zu lassen.
Wir sind da dran und freuen uns, wenn andere dazu beitragen zu klären, wie die öffentlich-rechtlichen Medien demokratischer werden können. Um es mit Eckart Spoo zu sagen: "Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien!"
Nochmal zur rechten Agitation gegen öffentlich-rechtliche Medien: Wie schnell wird man, wenn man hier Probleme anspricht und Reformen fordert, in diese Schublade gesteckt, inwiefern also verhindert rechte Medienfeindlichkeit eine offene und offenbar notwendige Debatte?
Sabine Schiffer: Diese Gefahr besteht hier genauso wie beim Ansprechen sozialer Probleme und anderer relevanter Themen. Und natürlich gibt es Übernahmestrategien von rechts.
Da müssen die konstruktiv Engagierten ebenso aufpassen, wie umgekehrt davor warnen, dass diejenigen, die Reformen nicht wollen, weil sie vom System profitieren wie hohe Funktionäre in den öffentlich-rechtlichen Medien oder gar die öffentlich-rechtlichen Medien vor die Wand fahren wollen wie Springer & Co., mittels strategischer Kommunikation die Bemühungen zu diskreditieren suchen. Da gibt es ja bekanntermaßen die sehr effektive Methode der Ad-hominem-Attacke, die gerne dann angewandt wird, wenn die (Gegen-)Argumente ausgehen.
Wir werden also damit rechnen müssen, dass man die Reformwilligen auf diese Art zu schwächen sucht. Die Frage ist, ob es Beteiligte gibt, die klug genug sind, etwas weiterzudenken. Chaostheoretisch wäre es nämlich sonst das Schaufeln des eigenen Grabes.