RWE: Fakten schaffen im Dürresommer
Von Klimakrise und demokratischen Prozessen unbeeindruckt schafft der Braunkohlekonzern vollendete Tatsachen, um den Tagebau auf Lützerath auszuweiten.
Im rheinischen Braunkohlerevier geht Energiekonzern RWE mit ruppiger Gewalt gegen Tagebau-Gegner vor. In der vergangenen Woche wurde um das Dörfchen Lützerath ein Erdwall errichtet, der es zum Tagebaurand macht.
Der Ort wurde im Januar 21 teilweise abgerissen –Telepolis berichtete seinerzeit – und beherbergt seit dem vergangenen Jahr ein Protestcamp. Im Frühjahr 2022 war der letzte Bauer im Ort zur Aufgabe gezwungen worden.
Am Mittwoch und Donnerstag der ausgehenden Woche hatten Klimaschützer und Anwohner mit Sitzblockaden und Baggerbesetzungen gegen die Errichtung des Walls protestiert.
In einer gemeinsamen Presseerklärung üben die Netzwerke Fridays for Future und Alle Dörfer bleiben sowie die Initiative LützerathLebt! scharfe Kritik an dem Kohlekonzern, weil er erneut Fakten schaffe, bevor politische Entscheidungen getroffen würden.
CDU und Grüne hatten kürzlich in ihrem für Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Koalitionsvertrag Gespräche mit RWE über die Zukunft Lützeraths angekündigt. Dem versuche der Konzern mit seinen jüngsten Aktivitäten zuvorzukommen.
"Wer regiert hier eigentlich das Land? RWE?"
"Die Kohle unter Lützerath wird nicht benötigt. RWEs Behauptungen sind eine blanke Lüge, für die es keinerlei Beweise gibt", so Alexandra Brüne von Alle Dörfer bleiben. Von RWE hatte es zuletzt geheißen, die Kohle unter dem Ort werde wegen der Gasknappheit aufgrund des Ukraine-Krieges schon demnächst benötigt.
Allerdings sind Braunkohlekraftwerke nach AKW der zweitschlechteste Ersatz für Gaskraftwerke. Diese arbeiten meist nur stundenweise und können schnell hoch- und runtergeregelt werden, womit sie die ideale Ergänzung zu Sonnen- und Windenergie sind. Braunkohlekraftwerke sind hingegen sehr träge und daher am besten für die Grundlast geeignet. Das heißt, sie laufen oft rund um die Uhr.
Brüne weiter: "Es darf nicht sein, dass der Konzern willkürlich Lebensgrundlagen zerstört und die Landesregierung die Füße stillhält. Wer regiert hier eigentlich das Land? RWE?"
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin komme zu dem Ergebnis, dass der Tagebau Garzweiler II vor Lützerath enden müsse, wenn Deutschland sich an die in der Pariser Klimaübereinkunft verabredeten 1,5-Grad-Celsius-Grenze halten will. Es verbleibe lediglich eine Restmenge von maximal 41 Millionen Tonnen Braunkohle im Tagebau (Stand Januar 2022), die innerhalb des deutschen Klima-Budgets noch verstromt werden dürfe.
„Wenn Lützerath fällt, dann kann sich die neue Landesregierung in NRW von ihren Klimazielen verabschieden, noch bevor sie überhaupt mit ihrer Arbeit begonnen hat. Insbesondere die Grünen stehen hier in der Verantwortung. Sie müssen beweisen, dass sie weiterhin zur Einhaltung der 1,5-Grad-Celsius-Grenze stehen."
Sumejja Dizdarević, Fridays for Future
"Wir erwarten von der grünen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, dass sie in den anstehenden Gesprächen mit RWE ein sofortiges Moratorium für Lützerath erwirkt", so Dizdarević weiter.
Rabiater Sicherheitsdienst
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Proteste berichten von gewalttätigen Übergriffen der RWE-Bediensteten, die unter anderem aggressive Hunde gegen die Demonstranten eingesetzt haben, wie hier auf Twitter zu sehen ist. Zweimal habe ein Krankenwagen gerufen werden müssen. Auf der Website des Online-Bilderdienstes Flickr findet sich eine kleine Bildserie von den Aktionen, darunter Aufnahmen, die die Gewalt des RWE-Sicherheitsdienstes belegen.
„Hier zeigt sich wieder klar: Der Staat stellt sich nicht schützend vor die Menschen, sondern vor die Konzerne. Den Anspruch, Menschenrechte, wie das Recht auf eine intakte Umwelt, Wasser und saubere Luft, zu schützen, erfüllt er nicht. Stattdessen setzen Security und Polizei gewaltsam die Profitinteressen von RWE durch. Unser legitimer Protest für eine radikale Transformation, wie der Weltklimarat sie fordert, für eine Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsweise, wird hier zu Unrecht kriminalisiert.“
Lakshmi Thevasagayam, LützerathLebt.
Im Frühjahr 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht einen effektiveren Klimaschutz angemahnt, woraufhin die Ampel-Parteien im Bund nach der Wahl in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatten, den Kohleausstieg "idealerweise auf 2030 vorziehen".
Eine klare Aussage zum Erhalt von Lützerath innerhalb dieses Zeitplans wurde darin nicht gemacht. Darüber würden "die Gerichte entscheiden", hieß es. Am 7. Juli dieses Jahres befürwortete jedoch der Bundestag mehrheitlich einen Entschließungsantrag des Ausschusses für Klimaschutz und Energie für den Erhalt von Lützerath.