Laschet und die klimapolitische Leerstelle
Die Energie- und Klimawochenschau: Ein CDU-Vorsitzender ohne Klimaprogramm, nur begrenzt wirksame CO2-Preise und ein dringender Appell zu mehr Klimaanpassung
Die CDU hat mit Armin Laschet einen neuen Vorsitzenden. Das sind keine guten Neuigkeiten für die Klimapolitik, allerdings wären auch seine Mitbewerber wohl kaum ein klimapolitischer Gewinn gewesen In einem Kurzprogramm von Armin Laschet und Jens Spahn, das das Team vor der CDU-Vorsitzendenwahl verbreitete, findet das Klima keine Erwähnung.
Stattdessen will man mal wieder Ökologie und Ökonomie vereinbaren, die CO2-Reduktion marktwirtschaftlich über einen einheitlichen europäischen CO2-Preis vorantreiben, gleichzeitig aber ein "Belastungsmoratorium für die Wirtschaft". Die Förderung der Wasserstofftechnologie findet Erwähnung, nicht aber im Hinblick auf ihr Potential, Emissionen zu reduzieren. Aus fossilen Energien gewonnen, wird Wasserstoff nichts zur Emissionsreduktion beitragen. Zu innovativen Formen der Mobilität fallen Team Laschet und Spahn nur Flugtaxis und autonomes Fahren ein und erneuerbare Energien werden mit keinem Wort erwähnt.
Zudem hat sich Laschet als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen jahrelang als Freund des Braunkohleabbaus verdient gemacht. Ende Gelände bringt es am Montagmorgen mit einem Tweet auf den Punkt: "Kaum ist Laschet gewählt, werden in Lützerath die ersten Häuser abgerissen."
Natürlich steht der Abriss der Häuser in keinem kausalen Zusammenhang mit der Wahl Laschets, ist aber durchaus symbolisch für dessen Politik. Das Dorf Lützerath soll dem Tagebau Garzweiler II weichen. Noch ist das Dorf nicht einmal ganz verlassen, bis September sollen die letzten Einwohner umziehen. Ein Landwirt ist aber weiterhin entschlossen zu bleiben, genau gegenüber von seinem Grundstück reißt RWE nun Häuser ab.
Bereits seit November fällt der Konzern außerdem Bäume im Ort. Bei den anhaltenden Protesten gegen den Abriss geht es nicht nur darum, die verbleibenden Einwohner zu schützen, sondern auch die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, so die Initiative "Alle Dörfer bleiben.". Der Abriss von Lützerath ist umso skandalträchtiger vor dem Hintergrund einer Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium über ein Jahr lang unter Verschluss gehalten hat, wie Mitte Dezember bekannt wurde.
Der Studie zufolge könnte auch bei dem Kohleausstiegsdatum 2038 ein Drittel der Kohle in Garnzweiler II unter der Erde bleiben, fünf Dörfer müssten nicht abgebaggert werden, wie der Spiegel berichtete. Für Welzow und den Ortsteil Proschim im Lausitzer Braunkohlerevier gibt es dagegen endgültige Entwarnung.
Die LEAG hat bekannt gegeben, keine Erweiterung ihres Tagebaus Welzow-Süd beantragen zu wollen. Allerdings hatte sich zuvor schon die Landesregierung gegen eine solche Erweiterung ausgesprochen.
CO2-Preis alleine bewirkt keine klimafreundliche Innovation
Kommen wir zurück zum von Laschet und Spahn bevorzugten europäischen CO2-Preis als Mittel, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Leider kommt eine Studie des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) und der ETH Zürich zu dem Schluss, dass die Lenkungswirkung einer solchen Bepreisung begrenzt ist und nicht unbedingt zu einem technologischen Wandel führt.
"Wir beobachten zum Teil beachtliche Senkungen der Emissionen, allerdings nicht durch die dringend nötigen Investitionen in CO2-freie Technologien, sondern durch einen Umstieg auf andere, etwas weniger CO2-intensive Nutzungen. Für die angestrebte Klimaneutralität ist ein Umstieg von Benzin auf Diesel oder von Kohle- auf Gasstrom aber praktisch irrelevant." (Leitautor Johan Lilliestam)
Selbst in Ländern mit einem relativ hohen CO2-Preis wie den skandinavischen Ländern bewirkte dieser kaum einen Umstieg zu CO2-armen oder -neutralen Technologien. Zusätzlich zu einer CO2-Besteuerung müsste es nach Ansicht der Autoren daher Fördermaßnahmen etwa für den Ausbau erneuerbarer Energien geben. In Kombination mit solchen zusätzlichen Anreizen könnten CO2-Preise durchaus effektiv sein, wenn die Einnahmen daraus wiederum in neue Technologien investiert würden.
In Deutschland gibt es aktuell einige Beispiele für einen Umstieg auf vermeintlich klimafreundlicheres Erdgas, wodurch aber eine weitere, langjährige Festlegung auf eine fossile Technologie erfolgt. Dazu zählt der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2, der nun über eine Stiftung der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern gesichert werden soll. Dazu zählen auch mehrere geplante Flüssiggasterminals, über die Fracking-Gas aus den USA importiert werden könnte.
Uniper hat mittlerweile sein Vorhaben in Wilhelmshaven aufgrund mangelnder Nachfrage abgesagt, weiterhin geplant ist aber ein Flüssiggasterminal bei Stade. Mit der Niedersachsen Ports GmbH ist das Land Niedersachsen indirekt an dem Vorhaben beteiligt. Die Deutsche Umwelthilfe hält das Projekt nach einem neuen Rechtsgutachten für nicht genehmigungsfähig. Die anvisierte jährliche Importmenge von 12 Milliarden Kubimeter Flüssiggas wäre mit einem CO2-Ausstoß von 21 Millionen Tonnen verbunden, die Klima- und Umweltauswirkungen wären in der bisherigen Planung nicht beachtet worden.
Nach einer EU-Richtlinie von 2014 muss bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch berücksichtigt werden, inwieweit ein Vorhaben den Klimawandel vorantreibt. Laut Gutachten hätten hier sowohl der Energiebedarf für die Errichtung des Terminals als auch die Auswirkungen des Betriebs auf das Klima einfließen müssen, was aber nicht geschehen ist. Zudem gibt es schifffahrtsrechtliche Bedenken, unter anderem ein Kollisionsrisiko großer Schiffe in der Unterelbe.
Klimaanpassung wird immer teurer
Die aktuellen Ereignisse wie auch die Wissenschaft zeigen also einmal mehr, dass das Pariser Klimaziel mit einem "weiter so" nicht eingehalten werden kann. Umso wichtiger ist es, dass gerade die ärmeren und am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder sich besser auf Klimafolgen vorbereiten. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sieht noch große Defizite bei der Klimaanpassung der Staaten.
Dies geht aus dem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten "Adaption Gap Report" hervor. Obwohl drei Viertel aller Staaten eine Klimaanpassungsstrategie haben, mangelt es vielfach an deren Finanzierung und Umsetzung. Auch wenn mittlerweile mehr Mittel für die Klimaanpassung zur Verfügung stehen, drohen die Kosten der Anpassung schneller zu steigen, als dass neue Finanzierungen bereitstehen.
So belaufen sich die Anpassungskosten der Entwicklungsländer nach Schätzungen der UNEP derzeit auf 70 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2030 würden schon 140 bis 300 Milliarden, 2050 280 bis 500 Milliarden US-Dollar benötigt. Zwar laufen immer mehr und auch größere Anpassungsprojekte an, es fehlt aber an Informationen, wie effektiv diese letztlich sein werden. Und aufgrund des weiterhin hohen globalen Treibhausgasausstoßes könnten auch die Klimarisiken derart ansteigen, dass bisher ergriffene Anpassungsstrategien in Zukunft nicht mehr ausreichen.
Einen besonderen Fokus setzt der Bericht der UNEP auf naturbasierte Lösungen. Hierzu zählen beispielsweise der Schutz von Korallenriffen, Mangroven und Seegraswiesen, um Küsten vor Überflutungen und Erosion zu schützen. Im Binnenland können Auen und Moore helfen, Überschwemmungen zu verhindern. Der Schutz von Wäldern, Aufforstungen sowie Agroforstsysteme können Erosion und Dürre entgegenwirken. Seit der Jahrtausendwende verzeichnet UNEP rund 70 neue Projekte naturbasierter Lösungen pro Jahr.
Diese könnten neben der Vermeidung von Klimaschäden auch soziale und wirtschaftliche Vorteile für lokale und indigene Gemeinden sowie für Frauen mit sich bringen. Auch wenn die Anpassungsleistungen verbessert werden müssen, wesentlich bleibt es, die Klimaerwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, um zukünftig noch höhere Verluste durch Klimafolgeschäden zu vermeiden.
Kamera ausschalten
Zum Schluss noch eine gute Nachricht für alle von Online-Konferenzen Geplagten in Zeiten der Pandemie: Endlich gibt es einen überzeugenden Grund, die Kamera während der Konferenz ausgeschaltet zu lassen und Chefs und Kollegen nicht die Corona-Frisur zu präsentieren. Ohne Video verbraucht die Online-Konferenz nämlich 96 Prozent weniger Ressourcen, haben Wissenschaftler der Purdue University berechnet.
Zwar hat das Arbeiten von zu Hause aus zu einem Rückgang von Emissionen im Jahr 2020 geführt, die Emissionen aus internetbasierten Anwendungen wie Online-Konferenzen und Videostreaming steigen aber stetig. Bei einer Stunde Konferenz mit Video fielen 150 bis 1.000 Gramm CO2 an, so die Wissenschaftler, außerdem werden 2 bis 12 Liter Wasser verbraucht und eine Landfläche von der Größe eines iPads. Und auch immer höher auflösende Videostreams tragen zum Energieverbrauch und CO2-Ausstoß bei. Beim Streaming könnte der Fußabdruck um 86 Prozent gesenkt werden, indem statt einer hohen Auflösung nur die Standardauflösung gewählt würde. Einige Länder hätten seit März 2020 eine Zunahme des Datenverkehrs um 20 Prozent verzeichnet.
Und noch eine wahrhaft gute Nachricht: Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat offenbar vor, bereits an seinem ersten Tag im Amt die Genehmigung für die Pipeline Keystone XL zurückzuziehen. Eigentlich hat bereits sein Vorvorgänger im Amt, Barack Obama, das hochumstrittene Projekt ad acta gelegt, Donald Trump hatte es dann wieder aufgenommen.
Über die Pipeline sollte aus Teersanden gewonnenes Öl aus Kanada in die USA transportiert werden. Die Gewinnung von Ölsanden ist verglichen mit anderen fossilen Energieträgern besonders umwelt- und klimaschädlich. Die Pipeline war außerdem umkämpft, weil sie über wichtige Grundwasservorkommen geführt hätte.