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Die Energie- und Klimawochenschau: Kohle für Kohlekonzerne, Proteste gegen SPD und RWE, eine Umweltstiftung für die Gaspipeline und Atomausstieg in Schweden
Wie lange geht das noch gut? Der internationale Aktienindex der Erneuerbaren RENIXX klettert in immer neue historische Höhen und zwar auf einem ziemlich steilen Weg. Seit dem vorübergehenden Corona-Absturz im März 2020 hat er seinen Wert mehr als vervierfacht.
Auch der Dax, die alte Tante der deutschen Börse, bewegt sich auf Rekordniveau, doch das in den letzten Wochen eher seitwärts. So richtig stark scheint da nichts nach oben zu drücken. Man könnte auch sagen: Trotz enormer Liquidität bei den potenziellen Anlegern, scheint doch die Angst vor dem Ende der Fahnenstange zu überwiegen.
Die wird indes früher oder später auch für den RENIXX erreicht sein. Der Index hat in seiner noch nicht allzu langen Geschichte, wie letzte Woche bereits erwähnt, schon zwei ähnlich steile Anstiege hingelegt. Ihnen folgten jedesmal dramatische Abstürze, ausgelöst jeweils - das muss der Vollständigkeit halber erwähnt werden - von externen Faktoren, die mit der Branche nichts zu tun hatten.
Groteske Entschädigungen
Freilich haben die Hersteller von Windkraftanlagen oder das Elektrohandwerk, das die Solaranlagen auf die Dächer schraubt, es ja auch nicht leicht. Ihr Anteil an der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor eher gering, und es fehlt ihnen daher an der durchsetzungsfähigen Lobby. Ganz anders da die alten Energiekonzerne oder auch einige Trittbrettfahrer, wie die tschechische EPH (Energetický a průmyslový holding), die sich zur rechten Zeit in ein absterbendes Gewerbe eingekauft hat.
Am morgigen Donnerstag wird sich das einmal mehr zeigen, wenn der Bundestag einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Kraftwerksbesitzern über den Kohleausstieg zustimmen wird. Die EPH, bzw. ihr unter dem Akronym LEAG firmierendes Geflecht aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung, soll dem Vernehmen nach eine Entschädigung von 1,75 Milliarden Euro bekommen.
Da fragt es sich schon, wofür eigentlich. Als EPH nämlich 2016 das ostdeutsche Braunkohlegeschäft von Vattenfall übernahm, musste dafür kein einziger Euro-Cent gezahlt werden. Im Gegenteil es gab vom Vorbesitzer noch 1,85 Milliarden Euro oben drauf.
Offiziell soll dieses Geld für die sogenannten Ewigkeitskosten der Tagebaue zurückgelegt werden, also für ihre Renaturierung, für die sicherlich noch sehr viele Jahrzehnte notwendige Sicherung des Grundwassers vor giftigen Einträgen aus den Gruben und für ähnliches.
Doch ob das Geld fassbar sein wird, wenn es darauf ankommt, ist mehr als fraglich. Kein Landespolitiker in Brandenburg oder Sachsen scheint sich bisher um handfeste Sicherheiten gekümmert zu haben. Ein ebenfalls zu EPH gehörendes und nicht aus dem einstigen Vattenfall-Bestand stammendes Unternehmen der Mibrag-Gruppe, das einen Tagebau in der Nähe von Leipzig betreibt, hatte, wie berichtet, vor einigen Jahren in seinen Geschäftsbericht geschrieben, erst ab 2030 Kapital für die Braunkohle-Folgekosten ansammeln zu wollen.
Das wird allerdings nur möglich sein, wenn der Ausbau der Windenergie weiter wie in den vergangenen Jahren behindert wird. Nur dann können die Braunkohlekraftwerke nämlich die letzten deutschen Atomkraftwerke beerben, die in diesem und im nächsten Jahr vom Netz gehen sollen.
Und als krönendes Sahnehäubchen gibt es dann vom Bundestag am morgigen Donnerstag aller Voraussicht nach das Versprechen geradezu grotesker Entschädigungen. Wobei das Parlament nur den Nick-Onkel macht. Änderungen am Vertrag seien nicht möglich. Der Bundestag könne nur zustimmen oder ablehnen, meint die Klimasprecherin der grünen Bundestagsfraktion auf Twitter.
Kein Geld gibt es hingegen für bayerische Hartz-IV-Empfänger, die ab kommenden Montag nur noch mit den teuren FFP2-Masken Geschäfte betreten oder den ÖPNV nutzen dürfen.
Oder auch für Flüchtlinge auf den griechischen Inseln oder dem Balkan. In Moria 2 auf Lesbos, wo die Menschen hinter Stacheldraht ohne ausreichende Lebensmittel und Warmwasser in Zelten ohne Boden hausen müssen, drohen in den nächsten Tagen schwere Niederschläge, Stürme und Minustemperaturen.
Richtig eisig wird es in den kommenden Tagen in Bosnien werden, wo seit über zwei Wochen 2.000 Menschen unter freiem Himmel campieren müssen, nachdem an der Grenze zu Kroatien ein Zeltlager abbrannte und die Behörde unfähig oder unwillig sind, die Obdachlosen in festen Unterkünften unterzubringen.
Besuch für die SPD
In Deutschland bleiben Milliarden-Geschenke für Kohlekonzerne und die weitere Unterstützung der fossilen Energieträger nicht unwidersprochen. Bereits seit letzter Woche widersetzen sich im rheinischen Dörfchen Lützerath, wie berichtet, Nachbarn und Klimaschützer aus der Region dem von RWE-Mitarbeitern durchgeführten Abriss, der Platz für die Ausweitung des Tagebaus Garzweiler 2 schaffen soll. Auch in dieser Woche gingen die Aktionen und Proteste weiter.
Am gestrigen Dienstagmorgen bekam außerdem die SPD-Zentrale in Berlin Besuch. Mitglieder des Aktionsnetzwerkes Ende Gelände und der Berliner Fridays-for-Future-Bewegung demonstrierten vor dem Willy-Brandt-Haus in der Stresemann-Straße. Gegen Kohlevertrag und den Bau der Nord-Stream-2-Gaspieline, mit der russisches Erdgas aus Nordwestsibirien importiert werden soll.
"Sauberes Erdgas ist eine dreckige Lüge", stand auf einem ihrer Banner, "Pipeline in die Krise? Nicht mit uns" auf einem anderen. Ähnliche Aktionen gab es auch in der mecklenburgisch-vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin, im Ostseebad Warnemünde, am Punkt der geplanten Anlandung in der Nähe Greifswalds, in Lubmin, sowie am Sitz der Nord-Stream-2-Gesellschaft im schweizerischen Zug, so die FFF-Aktivistin Luisa Neubauer auf Twitter.
Schweriner Mogelpackung
Hintergrund ist die Entscheidung der rot-schwarzen Schweriner Landesregierung, den Bau der Pipeline mit einer neuen Stiftung vollenden zu wollen. Stiftung Klima- und Umweltschutz soll sie heißen. Ausgerechnet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht von einer Fake-Stiftung und sieht Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Stiftungsrechts sowie des EU-Beihilferechts.
Es sei nicht zulässig, dass eine Stiftung hauptsächlich den Zweck eines Geschäftsbetriebes habe. Doch genau dieser verberge sich hinter dem irreführenden Namen. Es gehe darum, ein Schutzschild für ein Privatunternehmen, die Nord Stream 2 AG, aufzubauen. So solle die Vollendung der Pipeline ermöglicht und gegen US-amerikanische Sanktionen abgeschirmt werden.
Die DUH habe daher das Schweriner Justizministerium sowie die EU-Kommission aufgefordert, die Stiftung zu verhindern. Andernfalls wolle sie weitere rechtliche Schritte einleiten.
Kontrolliert soll die Stiftung, für die sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) so ins Zeug legt, jedenfalls von der Pipelinegesellschaft werden. In Paragraph 5 Absatz 2 des Satzungsentwurfs heißt es laut eines auf Twitter verbreiteten Auszugs:
"Der erste sachverständige Geschäftsführer wird auf Vorschlag der Nord Stream 2 AG vom Stiftungsvorstand auf drei Jahre berufen und gegebenenfalls abberufen. Die für dessen eigenständiges Handeln zu erlassenden Geschäftsgrundsätze erlässt der Stiftungsvorstand im Benehmen mit der Nord Stream 2 AG."
Von verschiedenen Seiten wird die Pipeline-Diskussion gerne geopolitisch geführt. Die USA wollen sie verhindern, um für Russland eine Einnahmequelle zu verstopfen und die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen Russland und Westeuropa zu verringern. Natürlich geht es auch um den Absatz des eigenen Frackinggases, für das an der Nordseeküste neue Terminals entstehen sollen.
Ein Teil der Gegner einer verstärkten Konfrontation mit Russland unterstützt wiederum die Pipeline aus den gegenteiligen Gründen. Aus dieser Ecke kommt mitunter der Vorwurf an Umweltschützer wie der DUH, sie würden die Pipeline aber nicht die für das US-amerikanische Frackinggas bestimmten Flüssiggas-Terminals bekämpfen.
Erdgas ähnlich schädlich wie Kohle
Die DUH weist jedoch daraufhin, dass dies nicht stimme. Deutschland habe bereits genug Pipelinekapazitäten für den Import von Erdgas (z.B. aus Norwegen und Großbritannien durch die Nordsee, aus den Niederlanden und aus Russland). Weitere Kapazitäten für Flüssiggas oder eine weitere Pipeline seien nicht nur überflüssig, sondern gefährden auch das Klimaziel.
Von der Gaswirtschaft wie auch von der Pipelinegesellschaft wird gerne ins Feld geführt, dass bei der Verstromung mit Erdgas im Vergleich zur Kohle 50 Prozent weniger CO2 entstehe. Das ist nicht ganz falsch, aber nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich kann ein altes Braunkohlekraftwerk in Vergleich zu einem modernen Kraftwerk mit einer Gas- und einer Dampfturbine - ein sogenanntes GuD-Kraftwerk - pro erzeugter Kilowattstunde bis zu dreimal so viel CO2 ausstoßen.
Aber: Auch die Emissionen, die bei Transport und Förderung entstehen, müssen mitberechnet werden. Beim Erdgas sind das vor allem Methanemissionen. Methan CH4 ist zwar in der Atmosphäre wesentlich kurzlebiger als CO2, aber auch erheblich effektiver. Auf 100 Jahre umgerechnet ist der Treibhauseffekt eines Methanmoleküls etwas mehr als 20mal so groß wie der eines CO2-Moleküls.
Die Energy Watch Group, eine Experten- und Lobbyorganisation, die seit vielen Jahren Werbung für die Energiewende macht, ging 2019 in einer Publikation davon aus, dass durch die Methanemissonen ein mit konventionellem Erdgas betriebenes Kraftwerk in etwa die gleichen Treibhausgasemissionen wie ein Kohlekraftwerk verursacht.
Beim Frackinggas, bei dessen Förderung besonders viel Methan entweicht, ist die Klimaschädlichkeit sogar noch deutlich größer als die eines durchschnittlichen Kohlekraftwerks.