Gegen RWEs Profitinteressen
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Energie- und Klimawochenschau: Protest gegen Garzweiler 2 in Lützerath, Prozesse gegen eine Autobahngegnerin, der FDP im Autobahnwahn und eine dramatische Dürre am Horn von Afrika
Auf den Februar 2022, den in Deutschland ertragreichsten Windmonat aller Zeiten, folgte der März 2022, der für den Solarstrom einen neuen März-Rekord brachte. Mit 5,6 Terawattstunden (ein gutes Achtel des bundesweiten Bedarfs im zurückliegenden Monat) gab es soviel Sonnenstrom wie sonst eher in den Sommermonaten oder im Mai. Das ergibt sich aus den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme.
Windenergieanlagen lieferten zugleich 7,5 Terawattstunden, was eher ein schlechtes Märzergebnis für die Branche ist. Das Zusammentreffen von vergleichsweise viel Solar- und eher weniger Windstromernte ist allerdings auch nicht ganz zufällig, sondern lag an den ausgeprägten Hochdrucklagen, die im März lange Zeit das Wettergeschehen über Mitteleuropa bestimmten.
RWE baggert weiter
Die Warnungen vor der Zuspitzung der Klimakrise mögen immer lauter werden, doch im Rheinland wird wenige Kilometer von den zerstörten Häusern des Juli-Hochwassers weiter Braunkohle abgebaut.
Der meist feuchte Brennstoff mit niedrigem Brennwert ist die schlechteste aller Möglichkeiten, fossile Energierohstoffe in elektrischen Strom zu verwandeln. Bei kaum einem anderen Brennstoff ist der CO2-Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde so hoch. Nur Torf ist noch schlechter.
Trotzdem schaltet Deutschland nicht als erstes seine Braunkohlekraftwerke ab, sondern will diese meist noch bis in die 2030er-Jahre weiter betreiben lassen. Die Berliner Ampelkoalition konnte sich, wie seinerzeit berichtet, in ihrem Koalitionsvertrag nur mit Müh und Not auf einen faulen Kompromiss einigen, wonach der Kohleausstieg "idealerweise" bis 2030 erfolgen solle.
Zwischenzeitlich baggern Leag in Brandenburg und Sachsen und RWE im Rheinland weiter wertvolle Ackerböden und Wälder ab und zerstören immer noch Dörfer. Mühlrose in der Lausitz zum Beispiel oder Lützerath am Tagebau Garzweiler 2 zwischen Aachen und Köln.
Wir hatten letzte Woche bereits berichtet, dass RWE in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen Eckardt Heukamp recht bekommen hat. Noch vor der Entscheidung im Verfahren über die Enteignung dessen Hofs und Bauernland darf der Braunkohlekonzern diesen nun in Besitz nehmen und zerstören (hier die Presserklärung des Gerichts).
So geht das nach deutschem Bergrecht: Das Eigentum ist nur geschützt, wenn man damit Mietwucher betreibt oder Jahr für Jahr ein paar Milliarden Euro Gewinn aus seinen Automobil- oder Chemiearbeitern quetscht. Wer hingegen den Gewinninteressen im Wege steht, wird zur Seite geschoben.
So ist es auch Eckardt Heukamp gegangen. Nach jahrelangem Widerstand gegen die Ausweitung von Garzweiler 2 gibt er nun nach und verkauft notgedrungen an RWE. Das berichtet unter anderem die Berliner taz.
Heukamp wird in einer Erklärung der Initiative "Alle Dörfer bleiben" zitiert: "Nach zehn Jahren im Konflikt mit den Profitinteressen von RWE brauche ich eine Verschnaufpause. Wir sehen uns trotzdem auf der Demo am 23.4.!"
Daniel Dresen von der Initiative wohnt im Nachbardorf Kuckum. Wie Lützerath gehört es zur Stadt Erkelenz. Mit dem Kohleausstiegsgesetz wurde es gerettet, doch das Dorf ist schon halb entvölkert. Dresen weiß daher aus eigener Erfahrung, wie es Heukamp geht:
Der psychische Druck, den RWE auf Umsiedler ausübt, ist absolut unmenschlich. Das Dorf wird immer leerer, die Gebeine der Toten werden aus dem Friedhof geholt, Tag und Nacht graben die Bagger auf dein Zuhause zu, dauernd ruft der Konzern bei dir an… und wenn du nicht spurst, wie RWE es will, dann heißt es ganz schnell: Entweder ihr nehmt dieses Angebot jetzt an oder ihr könnt gucken, wo ihr bleibt. Wir sind beeindruckt, wie lange und mutig Eckardt Heukamp diesem Druck standgehalten hat.
Daniel Dresen, Kuckum
Der Verkauf des Grundstücks wird im September wirksam. Bis dahin hat RWE keine rechtliche Handhabe gegen das Protestcamp auf seinem Gelände.
Wie wir allerdings aus der Räumung des Hambacher Forsts 2018 einige Dutzend Kilometer südöstlich von Lützerath wissen, braucht man in Nordrhein-Westfalen noch für den größten Polizeieinsatz nicht immer eine Rechtsgrundlage, sofern es um die Interessen von RWE geht – oder in Hamburg jene Vattenfalls. Da fungieren die Beamten eher als Werkschutz des Dorfzerstörers.
"Ella" erneut verurteilt
Und manchmal haben sie erhebliche Probleme mit der Wahrheit. Das berichten linke Prozessbeobachter aus einem Verfahren gegen eine Baumbesetzerin, die seit der Räumung des Dannenröder Forstes Ende 2020 in Untersuchungshaft sitzt.
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte seinerzeit den Wald mit massiver Polizeigewalt räumen lassen, um den Bau eines Teilstücks der A49 gegen den Widerstand von Umweltschützern und Teilen der örtlichen Bevölkerung durchzusetzen.
Eine junge Frau, die ihre Identität nicht preisgeben will und von ihren Freunden "Ella" genannt wird, war von Polizei in rund 15 Metern Höhe über dem Waldboden geschlagen und aus einem Baumhaus gezogen worden.
Die beteiligten Beamten eines Sondereinsatzkommandos, die anders als die Umweltschützerin gesichert waren, warfen ihr vor, dabei nach ihnen getreten und sie damit erheblich gefährdet zu haben. Unabhängige Zeugen gab es nicht, und die Gerichte schenkten Beamten Glauben.
Im Juni 2021 war Ella zunächst zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Letzte Woche, am 1. April, wurde das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Gießen abgeschlossen, von dem die Hessenschau berichtet.
Auch das Landgericht befand die Aktivistin schuldig und verurteilte sie zu einem Jahr und neun Monaten Haft ohne Bewährung. Die Untersuchungshaft wird angerechnet, sodass Ella noch vier Monate absitzen muss.
Ihre Anwältin Eva Dannefeldt sprach laut Hessenschau von schwerwiegenden Verfahrensfehlern. So sei zum Beispiel entlastenden Hinweisen nicht angemessen nachgegangen worden. Dannefeldt hatte Einstellung des Verfahrens gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, vom Landgericht liegt keine Presserklärung zu dem Urteil vor.
Autobahnwahn
Die A49 ist nur ein kleiner Teil der Autobahnvorhaben im Bundesverkehrswegeplan. Über 800 Kilometer zusätzlicher Rennpisten sind dort für jenes europäische Land vorgesehen, das ohnehin bereits das dichteste Autobahnnetz des Kontinents, wenn nicht des ganzen Planeten hat.
An diesen Plänen ändert bisher weder der immer lauter werden Protest von Anwohnern und Klimaschützern noch der Eintritt der Grünen in die Regierung noch die immer dringlicheren Appelle, das Klima besser zu schützen, noch die Abhängigkeit vom russischen Öl, aus der man sich angeblich befreien möchte.
Nicht einmal ein temporäres Tempolimit, das ohne die geringsten Kosten Kraftstoff sparen und Emissionen reduzieren würde, will der liberale Koalitionspartner zulassen und führt bei dieser und anderen Fragen SPD und Grüne am Ring durch die Manege.
Mehr noch, der neue Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will auch noch den Bau neuer Autobahnen selbst gegen den Widerstand der betroffenen Landesregierungen durchsetzen.
So geht es den Berlinern gerade: An der Spree wird seit vielen Jahrzehnten um eine uralte Planung gekämpft, die einen Autobahnring um die Innenstadt vorsieht, die A100, die in weiten Teilen Westberlins bereits in den 1970er und 1980er-Jahren fertiggestellt wurde und ein einziger die Urbanität vernichtender, Abgase und viel Lärm ausstoßender Moloch ist.
Nun hat das Bundesverkekrsministerium angekündigt, den nächsten, den 17. Bauabschnitt, voranzutreiben. Für diesen müssten erneut Wohnhäuser abgerissen werden. Außerdem wird ein aufwendiger Tunnel unter S-Bahngleisen und weiteren Wohnhäusern notwendig sein. Dennoch wird die vierspurige Straße sehr dicht an Wohnbebauung vorbeigeführt.
Zurzeit wird im Osten der Stadt am 16. Bauabschnitt gebaut, der bereits heftig umstritten war. Kleingärten und Wohnhäuser mussten weichen. Das Teilstück ist lediglich 3,2 Kilometer langes Teilstück und eine wahrhafte Betonorgie, die mit gut 200 Millionen Euro pro Kilometer zu den teuersten Straßen der Republik gehört.
Noch. Der nächste Abschnitt wird vermutlich kaum günstiger werden, denn die Bauarbeiten versprechen noch mehr Komplikationen. Berlins regierende Bürgermeisterin ist dennoch dafür, steht damit in ihrer Koalition mit Grünen und Linkspartei aber alleine da.
Wie der Tagesspiegel berichtet, plant die Linkspartei eine Verfassungsklage gegen die alleinige Zuständigkeit des Bundes für den Autobahnbau. Unter anderem fordert die Partei, dass die Planfeststellungsbehörde für Bundesfernstraßen zurück an das Land Berlin übertragen wird.
Diese war erst im vergangenen Jahr in die neue Autobahn GmbH des Bundes eingegliedert worden. Die seinerzeitige grüne Verkehrssenatorin Regine Günther hätte das verhindern können, so der Tagesspiegel, davon aber keinen Gebrauch gemacht.