Rätselraten um den Absturz der ukrainischen Boeing 737 im Iran
Fluglinie glaubt nicht an technisches Versagen oder Pilotenfehler, westliche Geheimdienste und Iran gehen von Panne aus, andere schließen eine Bombe oder Rakete nicht aus
Die Stimmung ist durch den Konflikt USA-Iran mit vielen Nebenschauplätzen in der Region ebenso aufgeheizt wie das Misstrauen gegenüber allen Verlautbarungen von Regierungen. Man musste nicht lange warten, bis über den Absturz der Boeing 737-8KV von Ukraine International Airlines (UIA) am Mittwoch früh um 6:18 Ortszeit kurz nach dem Start vom Imam Khomeini-Flughafen Spekulationen über die noch ungeklärte Ursache zu zirkulieren begannen. Iran gab aus, dass der Absturz, bei dem 176 Menschen getötet wurden, erfolgte, weil die Maschine in Brand geraten war, es wurde auch von technischen Problemen gesprochen. Viele der verstreuten Leichen müssen schrecklich zugerichtet sein. Der überwiegende Teil der Passagiere waren Iraner.
Die ukrainische Botschaft in Teheran hatte zunächst die Erklärung übernommen und Terrorismus abgelehnt, dies aber dann zurückgezogen und erklärt: "Informationen zu den Ursachen des Flugzeugabsturzes werden von der Kommission geklärt. Aussagen zu den Unfallursachen vor der Entscheidung der Kommission sind unverbindlich." Der ukrainische Präsident Selenskyi befahl dem Generalstaatsanwalt, strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen. Eine Kommission müsse alle Versionen untersuchen. Er forderte alle auf, keine Spekulationen über die Absturzursache zu machen. Selenskyi scheint jedoch von Verantwortlichen auszugehen. Er sagte gestern Nachmittag nach Ankündigung, dass ein Flug mit Experten und Rettungskräften nach Teheran am Abend abfliegen wird: "Unser erstes Ziel ist es, die Wahrheit und diejenigen festzustellen, die für diese schreckliche Katastrophe verantwortlich sind."
"Es war eines unserer besten Flugzeuge"
Warum man offenbar der ersten Erklärung keinen Glauben mehr schenkt, wurde nicht mitgeteilt, allerdings ist klar, dass für erste Erkenntnisse erst einmal die beiden gefundenen Flugschreiber ausgewertet werden müssen. Einer der Flugschreiber soll beschädigt sein. Ali Abedzadeh, der Vorstand der iranischen Zivilluftfahrtorganisation, hat gleich betont, dass man diese nicht Boeing und damit den USA übergeben will. Der zuständige Minister Mohammad Eslami hat eine Kommission eingerichtet, um den Vorfall zu untersuchen. Angeblich ist noch ungeklärt, warum das Flugzeug mit einer Stunde Verspätung Richtung Kiew startete.
Die ukrainische Fluglinie teilte am Mittwochvormittag mit, dass das Flugzeug noch relativ neu war und 2016 gebaut wurde. Zuletzt sei die Maschine am 6. Januar gewartet worden. Das Flugzeug sei, so eine weitere Mitteilung am Nachmittag, bis zu einer Höhe von 2400 m aufgestiegen: "Nach der Erfahrung der Crew ist eine Irrtumswahrscheinlichkeit minimal. Wir erwägen nicht einmal eine solche Möglichkeit." Zudem sei die Crew wegen der "Komplexität und Dauer" des Fluges verstärkt worden. UIA-Präsident Jewhenij Dychne sagte: "Es war eines unserer besten Flugzeuge mit einer hervorragenden, vertrauenswürdigen Crew."
Das suggeriert, dass die Ursache weder von der Crew noch von einem technischen Fehler ausgegangen sein könnte, und nährt Spekulationen, die Richtung Terroranschlag oder Raketenangriff gehen. Dass der Iran kurz nach den Raketenangriffen auf die US-Stützpunkte, die insoweit erfolgreich waren, als die amerikanische Luftabwehr sie nicht abschießen konnte, ein Interesse am Absturz der Maschine haben könnten, durch den nach iranischen Angaben 147 Iraner ihren Tod fanden, ist kaum vorstellbar. Nach der Ukraine waren es 82 Iraner, darüber hinaus wird es auch Passagiere mit einer doppelten Staatsbürgerschaft gegeben haben, was die Differenz erklären könnte. Darauf weist auch die Liste der Namen der Passagiere hin.
Westliche Geheimdienste: Keine Rakete, sondern eine technische Panne
Manchen fällt bei einer ukrainischen Passagiermaschine auch der Abschuss der MH17 über der Ostukraine ein. Hier geht das Gemeinsame Ermittlerteam unter Führung der niederländischen Staatsanwaltschaft davon aus, sie sei von einer Buk-Rakete, die aus Russland stammt, von einem Gebiet, das unter Kontrolle der Separatisten stand, abgeschossen worden. Aber es gibt weiterhin Zweifel an der Beweislage.
Eine Nähe ist, dass trotz der angespannten Lage der Luftraum weder über Iran noch über dem Irak gesperrt wurde und dass Fluglinien ihn auch noch nach dem Mordanschlag in Bagdad und den Raketenangriffen im Irak nutzten. Deutschland hat allerdings bereits am 2. und 6. Januar vor Überflügen über den Nordosten Iraks gewarnt, die Lufthansa will Flüge nach Teheran aber wieder aufnehmen. Die Raketenangriffe führten allerdings dazu, dass einige Fluglinien nicht mehr über das Gebiet fliegen, die amerikanische Luftfahrbehörde FAA untersagte amerikanischen Passagiermaschinen den Überflug, auch aus Russland gab es Warnungen. Hier werden die NOTAMs aufgelistet.
Das Luftfahrt-Bundesamt teilte den Fluglinien gestern mit, berichtet Reuters, dass kein Zusammenhang mit dem Abfeuern der Raketen aus dem Iran erkennbar sei. Das Flugzeug sei etwa drei Stunden nach den Angriffen zu Boden gegangen. Auch Luftabwehrwaffen seien nicht im Einsatz gewesen: "Gesichert ist jedoch, dass es unmittelbar nach dem Start zu einem massiven Feuerausbruch kam."
Reuters sollen auch fünf "Sicherheitsquellen", die nicht genannt werden wollten, darüber informiert haben, dass die westlichen Geheimdienste davon ausgehen, dass das Flugzeug nicht von einer Rakete abgeschossen wurde, sondern durch eine technische Panne. Der kanadische Informant sagte, es gebe Hinweise, dass eines der Triebwerke überhitzt gewesen sei. Da wären dann Iran und die westlichen Geheimdienste einer Meinung.
"Ein Abschussereignis ähnlich wie MH17"
Die OPSgroup, die die Flugsicherheit verbessern will, lehnt sich da weit hinaus. Noch sei die Absturzsache nicht geklärt, es sei auch angesichts der politischen Umstände anzunehmen, dass sie auch nicht bald über einen vernünftigen Zweifel hinaus geklärt werde: "Nur aus der Perspektive, eine Risikobeurteilung für Flüge in Teheran und ganz Iran abzugeben, legen wir die Vermutung nahe, dass es sich um ein Abschussereignis ähnlich wie MH17 handelt - bis es klare Beweise für das Gegenteil gibt."
Nach den Bildern, die OPSgroup vorliegen, gebe es "offensichtliche Löcher im Rumpf und einem Bereich eines Flügels". Ob das ein Teil der Maschine, z.B. nach einem Schaufelabriss durch einen schlagartigen Triebwerksstillstand, oder ein Raketenteil ist, bleibe fragwürdig, aber sicherer sei, nicht über dem Iran zu fliegen.
Zeev Sarig, der von 2004 bis 2010 den israelischen Flughafen Ben Gurion leitete, hat eine andere Theorie, wie er Ria Novosti sagte. Man müsse zwar die Untersuchung abwarten, aber es gebe für ihn zwei Möglichkeiten. Es könnte eine technische Panne gegeben haben, was er aber für unwahrscheinlich hält, aber es könnte auch eine Bombe an Bord gewesen sein, die mit einer Zeitschaltuhr oder einem Höhenmesser verbunden war, um die Bombe auf einer bestimmten Flughöhe zu zünden.
Schwer vorstellbar ist allerdings, wenn man von einer Bombe oder einer Rakete ausgeht, was die Täter bezweckt haben sollten. Sollte damit der Iran oder die Ukraine getroffen werden? Waren es Terroristen oder ein Sabotageakt eines Geheimdienstes? Es kommen aber auch Erinnerungen auf. 1988 hatte das US-Kriegsschiffs USS Vincennes mit dem Aegis-System eine iranische Passagiermaschine über dem Persischen Golf abgeschossen, wobei alle 290 Menschen an Bord getötet wurden. Angeblich wurde das Flugzeug mit einer Rakete verwechselt, der Iran behauptete jedoch, die Passagiermaschine sei absichtlich abgeschossen worden.