Raketenangriffe auf Israel nach Tötung von Islamischer-Dschihad-Terroristen
Ägypten will vermitteln - Ha'aretz sieht Chancen auf Große Koalition gestiegen
Seit gestern wurden mehr als 350 Raketen auf israelisches Territorium abgefeuert. Etwa 90 Prozent konnte das Abwehrsystem Iron Dome unschädlich machen, bevor sie einschlugen. Vom Rest traf eine Rakete ein Haus in Netivot, eine den Speisesaal eines Kibbutz in Eshkol, eine beschädigte eine Hühnerfarm in Südisrael und eine verfehlte knapp fahrende Autos in der Nähe des südlich von Tel Aviv gelegenen Gan Javne. Dem israelischen Rotkreuzäquivalent Magen David Adom (MDA) zufolge hatten die Einschläge alleine gestern gut 40 Einsätze mit Verletzten zur Folge.
Urheber der Angriffe, die aus dem Gazastreifen heraus erfolgen, ist nach eigenen Angaben die "Harakat al-Dschihad al-islami", die "Bewegung des Islamischen Dschihad". Dieser Islamische Dschihad trägt der BBC zufolge zwar einen bekannten Namen, hat aber im Vergleich zur Hamas oder zur Hisbollah nur relativ wenige Mitglieder, die sich in Zellen organisieren.
Anders als die beiden letztgenannten Gruppen beteiligt er sich nicht an Wahlen, sondern konzentriert sich ganz auf Terroranschläge, die vom klassischen Selbstmordattentat über den Heckenschützen bis hin zu Raketenangriffen reichen. Zu seinen berüchtigtsten Taten zählen ein Autobombenanschlag auf einen Bus, bei dem im Juni 2002 17 Menschen starben, die Steinigung von zwei entführten 14-Jährigen 2001 und ein Sprengstoffanschlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut 1983.
Baha Abu al-Ata und Akram al-Ajouri
Mit den aktuellen Rakentenangriffen will der Islamische Dschihad nach eigenen Angaben Vergeltung für die Tötung zweier führender Mitglieder im Gazastreifen und in Syrien üben. Im Gazastreifen hatte die israelische Luftwaffe gestern mit Informationen des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet Baha Abu al-Ata getötet, wobei dem Gesundheitsministerium dieses Gebiets zufolge auch dessen Ehefrau und fünf seiner Gefolgsleute ums Leben kamen. Kurz darauf starb der syrischen Nachrichtenagentur SANA nach Akram al-Ajouri zusammen mit seinem Sohn und einer weiteren nicht identifizierten Person in seinem Haus in Damaskus.
Die israelische Armee begründete den Einsatz gegen al-Ata damit, dass der in der Öffentlichkeit eher provokant auftretende Mann nicht nur für mehrere Anschläge in der Vergangenheit verantwortlich, sondern immer noch eine "tickende Bombe" gewesen sei. Wegen "unmittelbar bevorstehender" Terroranschläge habe man aus Sicherheitsgründen "keine andere Wahl gehabt, als den Angriff auszuführen".
Luftangriffe, um Rakentenangriffe zu unterbinden
Inzwischen flog die israelische Luftwaffe noch weitere Angriffe gegen Stellungen des Islamischen Dschihads, um eigenen Angaben nach Raketenangriffe zu unterbinden und zu verhindern. Dabei sollen unter anderem eine Kommandozentrale, ein Munitionslager, und eine Werkstatt zerstört worden sein, in der in größerem Umfang Sprengköpfe für Raketen hergestellt wurden. Bei diesen Einsätzen starben dem Gaza-Gesundheitsministerium nach 16 weitere Palästinenser, 69 wurden verletzt.
Wegen der Raketen- und Luftangriffe ist Nickolay Mladenov, der Sonderkoordinator der Vereinten Nationen für den Nahost-Friedensprozess, den Informationen von Tachles zufolge heute nach Kairo gereist. Die dortige ägyptische Regierung hat angeboten, zwischen der im Gazastreifen herrschenden Hamas und der israelischen Staatsführung zu vermitteln. Angeblich soll die Hamas Kairo bereits signalisiert haben, dass sie an einer Eskalation der Lage kein Interesse hat.
So ein Interesse hat nach eigenen Angaben auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht, der den Einsatz an seinem letzten Arbeitstag als Interims-Verteidigungsminister genehmigt hatte. Netanjahu verlautbarte jedoch auch, er werde "alles tun, um uns zu schützen" und das könne "einige Zeit dauern".
Nur 30 Tage lang dauern darf der israelischen Verfassung nach der Versuch, eine Regierung zu bilden, was nach Netanjahu gerade sein Rivale Benny Gantz probiert. Der Zeitung Ha'aretz zufolge könnten seine Chancen, eine Große Koalition als Regierung der Nationalen Einheit zu bilden, durch die aktuellen Ereignisse gestiegen sein.
In jedem Fall kündigte der israelische Staatspräsidenten Reuven Rivlin heute Mittag an, sehr bald einen detaillieren Plan für so eine Einheitsregierung vorzustellen. Medienberichten nach sieht dieser Plan den Kompromiss vor, dass Netanjahu die erste und Gantz die zweite Hälfte der Legislaturperiode Ministerpräsident sein soll. Erhebt Generalstaatsanwalt Avichai Mendelblit aber Anklage gegen ihn, müsste er das Amt sofort darauf abgeben.
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