Raketentest: US-Regierung verwarnt Iran
Teheran spricht von Unerfahrenheit der US-Regierung und will die Tests, die keine Erlaubnis von außen bräuchten, fortsetzen
Dass es zwischen Irans Führung und der neuen US-Regierung rumpeln würde, war abzusehen. Trump hatte im Wahlkampf und in Interviews vor seinem Amtsantritt aller Welt verkündet, dass er keine Entspannungspolitik mit Iran verfolgt. Die Atomvereinbarung (JCPOA), die für eine Entspannungspolitik steht, bezeichnete er wiederholt als "schlechten Deal". Bekannt war auch die Ausrichtung mancher Schlüssel-Besetzungen in der neuen US-Regierung, die aus ihrer Gegnerschaft zu Obamas Iran-Politik kein Hehl machten.
Wie erklärt sich dann, dass Iran ausgerechnet in den ersten Tagen der neuen US-Regierung einen ballistischen Raketentest durchführt? Weil die Fraktion in der Teheraner Führung, die am engsten mit dem Militär verbunden ist, die Grenzen dessen, was der Mittelmacht möglich ist, ausloten wollte? Weil das nun der Zeitgeist ist: Hauptsache militärische Stärke zeigen, vor allem im Showroom Naher Osten?
"Statt dankbar zu sein..."
So fiel auch die Washingtoner Antwort auf den Raketentest vom Sonntag, den Vertreter der iranischen Regierung zunächst nicht bestätigen wollten, was am Mittwoch aber dann doch nachgeholt wurde, an sich nicht überraschend aus. In ihr steckt aber eine Formulierung, die dem Gegenüber in Teheran und den Nahost-Experten zu denken gibt.
"Statt den Vereinigten Staaten für die Vereinbarung dankbar zu sein, fühlt sich Iran nun ermutigt. Seit heute haben wir Iran offiziell verwarnt", endet das Statement des Weißen Hauses, das auf den Raketentest Bezug nimmt und auf Angriffe von jemenitischen Houthis, die vom Iran unterstützt würden, "auf saudi-arabische Schiffe und solchen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten".
In Tweets bekräftigte der US-Präsident die offizielle Verwarnung ("Iran put on notice"), Vorwürfe gegen die Interventionspolitik Irans im Fall Irak und sein Ceterum censeo, dass der Iran-Atomdeal schlecht ist und Iran das wirtschaftliche Überleben gesichert hat.
Wer den Tonfall hören will, in dem die Vorwürfe eingebettet sind, sei auf ein Video verwiesen, das bei Fox zu sehen ist. Trumps nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn verkündet das offizielle Statement der Regierung ausführlich und markant. Was Flynn über Iran denkt, hatte er in einem Interview mit al-Jazeera Anfang 2016 unmissverständlich erklärt:
Ich könnte mich den ganzen Tag über Iran und ihr Verhalten auslassen, wissen Sie, und über ihre Lügen, ganz offensichtliche Lügen und ihr Ausspucken von fortwährendem Hass, wann immer sie sprechen.
Michael Flynn
Kurz: Flynn wirft Iran bzw. der iranischen Führung List und Tücke vor und ein beständig schlechtes Verhalten, das fortwährende Nichteinhalten von Regeln. Diese Überzeugung hat er vermutlich auch als Nationaler Sicherheitsberater behalten und, so der Eindruck, er steht damit in der neuen Regierung nicht alleine.
Konsequenzen der Ermahnung?
Experten rätseln nun darüber, was "Put on notice" nun politisch zu bedeuten hat, welche konkreten Konsequenzen der Ermahnung Irans folgen sollen. Ist das nur ein scharfes Wort, das Grenzen setzt; ein Test, wie Iran auf verbale Zurechtweisung reagiert oder eine ernsthafte Androhung, dass die Regierung Trump auch ins nächste Level wechseln könnte? "Alle Optionen liegen auf dem Tisch", heißt es auch in der neuen US-Regierung.
Aus Teheran kommen zweierlei Äußerungen. Die Nachrichtenagentur Reuters übermittelte schon früh, nach den ersten US-Vorwürfen gegen den Raketentest, Äußerungen von Außenminister Zarif. Erstens, die Raketen würden nicht Teil der Atomvereinbarung sein, zweitens würde Iran niemals dort produzierte Raketen benutzen, um ein anderes Land anzugreifen, und drittens produziere man keine iranischen Raketen, die nukleare Sprengköpfe tragen.
Später, als der Test offiziell zugegeben wurde, äußerte Verteidigungsminister Hossein Dehghan, dass er plangemäß erfolgt sei und man keine Einmischung in Verteidigungsangelegenheiten von außen erlaube. Der Berater des obersten Führers Ayatollah Khamenei, Ali Akbar Velayati, bekräftigte ebenfalls, dass der Test in Übereinstimmung mit dem Nuklearabkommen stehe und schickte ein paar Spitzen nach Washington:
Es ist nicht das erste Mal, dass eine unerfahrene Person Iran bedroht hat. Iran ist die stärkste Macht in der Region und hat eine große politische, ökonomische und politische Macht. (…) Amerika sollte vorsichtig mit leeren Drohungen umgehen, die an Iran gerichtet sind. (…) Wir werden mit den Tests ballistischer Fähigkeiten fortfahren, ohne nach Erlaubnis zu fragen.
Ali Akbar Velayati
"Iran verstößt gegen den Geist des Atomabkommens"
Laut Tagesschau-Informationen, die sich auf den US-Sender Fox berufen, wurde am Sonntag eine "ballistische Rakete vom Typ Chorramschahr" getestet, die von einem bekannten Testgelände rund 225 Kilometer östlich von Teheran gestartet worden und nach knapp 1000 Kilometern beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre explodiert sei.
Nach Auffassung von Kennern der Materie, den Autoren Kelsey Davenport und Daryl Kimball von der Arms Control Association, verstoße Iran damit nicht gegen Vorgaben des Nukleardeals, aber sehr wohl gegen den Geist des Abkommens. Das Land liege damit im Clinch mit Begrenzungsvorgaben der UN-Sicherheitsratsresolution 2231.
Davenport und Kimball raten dem Sicherheitsrat zu einer Überprüfung der Sache und der US-Führung dazu, Iran über andere Abkommen - z.B. der Proliferation Security Initiative (PSI) und dem Missile Technology Control Regime (MTCR) - Grenzen aufzuerlegen, falls nötig mit Sanktionen.
Eine Erklärung für die Waffendemonstration Irans liegt darin, dass seit der Amtsübernahme Trumps eine größere Unterstützung der USA für Israel deutlich wurde und es sieht auch ganz danach aus, als ob Trump die spezielle US-saudi-arabische Partnerschaft ungebrochen fortsetzen will. Der lange Weg der Deeskalierung über Abkommen ist angesichts der krisen-, kriegs-, kampf- und machtshow-betonten Realität im Nahen Osten derjenige, der momentan am weitesten entfernt ist.