Gehirnentwicklung durch Alkohol gestört: Forschung warnt vor Rauschtrinken

Gruppe junger Menschen stößt mit Biergläsern, riskantes Trinkverhalten bei Jugendlichen mit gesundheitlichen Folgen

Rauschtrinken ist unter Jugendlichen weitverbreitet – mit 34 Prozent der 15-16-Jährigen in Europa betreiben regelmäßig exzessiven Alkoholkonsum. Die gesundheitlichen Risiken werden dabei oft unterschätzt.

(Bild: Deborah Kolb / Shutterstock.com )

Jeder dritte Teenager in Europa betreibt Rauschtrinken. Die Gefahr wird meist unterschätzt. Was der Alkohol im jungen Gehirn anrichtet, alarmiert Experten.

Alkohol ist tief in unseren Kulturen und Gewohnheiten verwurzelt, und in den meisten westlichen Ländern genießt er aufgrund seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung einen weitaus günstigeren rechtlichen Status und eine weitaus positivere gesellschaftliche Wahrnehmung als andere Drogen.

Dies ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass Jugendliche ihn für die sicherste Droge halten, die sie konsumieren können, obwohl er der Hauptrisikofaktor für vorzeitigen Tod und Behinderung bei Menschen im Alter von 15 bis 49 Jahren ist und Mythen wie "ein Glas Wein pro Tag ist gut für die Gesundheit" gründlich widerlegt wurden. Diese Wahrnehmung wird durch seine zentrale Rolle in vielen Traditionen und Festen, die ihn mit sozialem Erfolg in Verbindung bringen, noch verstärkt.

Alkohol ist die von Jugendlichen in den westlichen Ländern am häufigsten konsumierte Droge. In Europa haben etwa acht von zehn Schülern im Alter von 15 bis 16 Jahren im letzten Jahr Alkohol getrunken. Noch alarmierender sind das frühe Einstiegsalter - 33 Prozent der unter 13-Jährigen in verschiedenen europäischen Ländern haben bereits Alkohol konsumiert – und die hohen Raten von Alkoholexzessen, von denen 34 Prozent der 15- bis 16-Jährigen in Europa im letzten Monat berichteten.

Beim Rauschtrinken, der häufigsten Form des Alkoholkonsums unter 15- bis 19-Jährigen, werden große Mengen Alkohol in kurzer Zeit konsumiert: in der Regel fünf oder mehr Getränke innerhalb von zwei bis drei Stunden. Diese Art des Alkoholkonsums ist typisch für Teenager-Partys, Feiertage und Feste wie Hochzeiten, Weihnachten und Silvester.

Überlastung der Leber

Viele von uns kennen die negativen Folgen des Alkoholkonsums wie Schlägereien, riskantes Sexualverhalten oder Verkehrsunfälle. Aber nur wenige von uns machen sich Gedanken darüber, wie sich ein paar Alkoholexzesse auf das Gehirn auswirken können, besonders wenn es sich noch in der Entwicklung befindet.

Um diese Auswirkungen zu verstehen, müssen wir uns zwei Schlüsselelemente ansehen: wie Alkohol verstoffwechselt wird und wie er das sich entwickelnde jugendliche Gehirn beeinflusst.

Alkohol wird hauptsächlich in der Leber verstoffwechselt, wo er nach der Aufnahme aus dem Verdauungstrakt verarbeitet wird. Dort wird der Alkohol durch verschiedene Enzyme abgebaut und in weniger giftige Substanzen umgewandelt, die der Körper dann ausscheiden kann. Wird Alkohol nicht vollständig abgebaut, gelangt er ins Gehirn und stört das empfindliche Gleichgewicht der Botenstoffe, die seine Funktion regulieren.

Man kann sich die Leber wie einen Schwamm vorstellen, der Alkohol aufsaugt. Ist die Leber jedoch gesättigt, verliert sie ihre Aufnahme- und Ausscheidungsfähigkeit und es kommt zu den bekannten Auswirkungen des Rausches: Enthemmung, Euphorie, Koordinationsstörungen usw.

Verletzliche Gehirne von Teenagern

Leider haben alkoholische Getränke nicht nur vorübergehende Auswirkungen auf die Funktionsweise unseres Gehirns, sondern auch langfristige Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Nervensystems. Sie können auch das Immunsystem beeinträchtigen und Entzündungsprozesse auslösen, die die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.

Es ist wichtig zu wissen, dass das Gehirn während seiner Entwicklung – bis zum Alter von 25 bis 30 Jahren – am anfälligsten für die Auswirkungen von Drogen ist. In diesem Zeitraum ist Alkohol besonders schädlich, da er zwei wichtige Phänomene der neurologischen Entwicklung beeinträchtigen kann: die Myelinisierung, bei der die Nervenzellen ihre Axone mit Myelin umhüllen, um die Signalübertragung zu verbessern, und die synaptische Reduktion, bei der unnötige neuronale Verbindungen entfernt werden, um die Gehirnfunktion zu optimieren.

Diese Veränderungen führen auch dazu, dass bestimmte Bereiche des Gehirns früher reifen als andere. Insbesondere Bereiche, die für die Verarbeitung von Belohnungen zuständig sind (wie das ventrale Striatum), entwickeln sich schneller als Bereiche, die für Entscheidungsfindung und langfristige Planung zuständig sind (wie der präfrontale Cortex). Diese Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Belohnungs-, Impulskontroll- und Entscheidungssysteme des Gehirns könnte erklären, warum Jugendliche eher zu Risikoverhalten neigen.

Schadensbewertung

Neuroimaging-Studien haben gezeigt, dass sich die Gehirne von Jugendlichen, die häufig exzessiv trinken, strukturell und funktionell unterscheiden.

Zu den auffälligsten strukturellen Befunden gehört eine verminderte Integrität der weißen Substanz, eines Teils des Nervensystems, der für eine effiziente Informationsübertragung von entscheidender Bedeutung ist.

Auch in der grauen Substanz wurden Veränderungen festgestellt, mit Zu- oder Abnahmen in Bereichen wie dem ventralen Striatum, dem anterioren cingulären Cortex und dem medialen frontalen Gyrus, die für die Verarbeitung von Belohnungen, die Überwachung wichtiger Reize und das Arbeitsgedächtnis von entscheidender Bedeutung sind.

Im Hinblick auf die funktionelle Konnektivität – die Art und Weise, wie verschiedene Bereiche des Gehirns miteinander interagieren – wird Rauschtrinken mit Anomalien in der Konfiguration verschiedener Netzwerke in Verbindung gebracht, wie z. B. den Salienz- und/oder frontoparietalen Netzwerken. Diese lenken unsere Aufmerksamkeit dorthin, wo sie sein sollte, und regulieren unser Verhalten, um sowohl kurz- als auch langfristige Ziele zu erreichen.

Ferner zeigen bildgebende Verfahren eine übermäßige Aktivierung in Hirnstrukturen, die an der Impulskontrolle, der Entscheidungsfindung und der Verarbeitung alkoholbedingter Reize beteiligt sind.

Hervorzuheben ist der Zusammenhang zwischen dem Alter, in dem mit dem Alkoholkonsum begonnen wird, und späteren Problemen wie Drogenmissbrauch, früh einsetzender Demenz oder Herzerkrankungen. Die Daten sind eindeutig: Je früher jemand mit dem Trinken beginnt, desto größer ist das Risiko, diese Krankheiten zu entwickeln.

Dies unterstreicht die Tatsache, dass es keine gesunde Dosis Alkohol und kein harmloses Rauschtrinken gibt. Dem Alkoholkonsum von Jugendlichen muss daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Samuel Suárez Suárez ist Assistenzprofessor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Abteilung für Grundlagenpsychologie, Universität Burgos.

Jose Manuel Pérez García ist Dozent am Fachbereich Pädagogische Psychologie und Psychobiologie der UNIR – Universidad Internacional de La Rioja.

Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel. Übersetzer: Bernd Müller