Rechter Vormarsch: Wann wachen die etablierten Parteien auf?
Rechte Parteien europaweit im Aufwind. Etablierte Kräfte reagieren mit Ausgrenzung statt Selbstreflexion. Doch wohin führt diese Strategie? Ein Kommentar.
Die Geschichte wiederholt sich. Nach Rom, Amsterdam, Berlin, Erfurt, Dresden, Potsdam – jetzt also Wien: Die Rechten sind auf dem Vormarsch. Und man wundert sich, dass das noch jemanden wundert.
In Österreich konnte die FPÖ unter Herbert Kickl vorwiegend im ländlichen Raum und in der Arbeiterschaft punkten und damit ihre Position deutlich stärken. Mit Spannung wird nun erwartet, wer mit der FPÖ eine Regierungskoalition bilden wird. Die Hochrechnung des Forschungsinstituts Foresight zeigt, dass die Partei hauptsächlich in der Bundeshauptstadt Wien sowie in den Bundesländern Oberösterreich und Kärnten erfolgreich war.
Damit haben die Wählerinnen und Wähler deutlich gemacht, dass sie Veränderungen wollen. Die FPÖ konnte vordergründig jene Wähler für sich gewinnen, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Es wird erwartet, dass die gestärkte Position der FPÖ die Koalitionsverhandlungen beeinflussen wird. Die politischen Akteure stehen jetzt vor der Herausforderung, stabile und tragfähige Bündnisse zu schmieden, um eine funktionsfähige Regierung zu bilden. Das wird immer schwieriger.
Auf dem Land, bei den Lohnabhängigen, bei den Enttäuschten. Ähnlich wie die AfD in Deutschland profitiert die FPÖ in Österreich vor allem von einem: der Unfähigkeit der etablierten Parteien.
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Und wie in Deutschland reagieren diese Kräfte trotzig und aggressiv. Die wachsende Wählerschaft der rechten FPÖ wird ihrer politischen Willensäußerung beraubt. Die Freiheitlichen sollen um jeden Preis von der politischen Macht ferngehalten werden. So wie die AfDler in Deutschland.
Das kann nur schiefgehen!
Langfristig kann das nur schiefgehen. Denn was ist die Perspektive? Entweder spitzt sich der Gegensatz zwischen den Rechten und allen anderen Parteien immer weiter zu, bis die Rechten über 50 Prozent der Stimmen erhalten.
Das kann sich im Moment niemand vorstellen. Aber konnte sich jemand vorstellen, dass die FPÖ in Österreich einmal die Wahlen gewinnt? Dass die AfD auf Bundesebene über 20 Prozent kommt? Dass die AfD in einigen Bundesländern stärkste Kraft wird?
Oder die Wähler von Parteien wie AfD und FPÖ kehren diesen Gruppierungen den Rücken zu, wenden sich von ihnen ab. Aber glaubt wirklich jemand, dass sie dann zu den etablierten Parteien zurückkehren? Dass sich die Enttäuschung über deren Politik legt? Dass wieder Normalität einkehrt? Oder könnte sich der Unmut auf andere – vielleicht undemokratischere und aggressivere – Weise Bahn brechen?
Realitätsverweigerung
Wie zuvor in Deutschland scheinen die bisher etablierten Parteien nicht zu begreifen, was so nahe liegt und was der Entertainer Harald Schmidt vor einigen Wochen betonte: Wem das Wahlergebnis nicht passt, der muss die Wahl abschaffen oder die Politik so ändern, dass das Wahlergebnis anders ausfällt.
Das eigentlich Verrückte an der aktuellen Situation in Europa ist, dass die zweite Option offenbar kaum jemandem in den Sinn kommt: dass die Politik der Grund für den Vormarsch der Rechten ist.
Ungelöste Probleme, verweigerte Debatten
Steigende Preise, Inflation, Energie und Sicherheit, Bevormundung, wenn auch nur gefühlt, Ideologisierung privater Lebensbereiche, die Migrationspolitik, deren Probleme unsere Gesellschaften nicht in den Griff bekommen haben, die Kosten für geopolitische Abenteuer wie in der Ukraine: All das muss offen debattiert werden. Hier und jetzt. In Berlin und in Wien.
Wer diesen Debatten aus dem Weg geht, sie womöglich sogar unterbindet, muss sich vorwerfen lassen, keine Antworten parat zu haben. Oder der Bevölkerung die Wahrheit aus Gründen des Machterhalts zu verweigern.