Rechtsradikale in Israel, um ihren Antisemitismus zu verstecken
Extreme Rechte: Der Islamhass wird zur dominierenden Ideologie
Der Islamhass soll Kräfte bündeln und neue Bündnisoptionen schaffen. Doch diese Strategie bleibt innerhalb des rechten Lagers umstritten. Soll man Juden mehr hassen als Araber respektive Muslime? Oder lieber umgekehrt? Ungefähr so laufen Theoriedebatten auf der extremen Rechten ab. Durch die Reise von Prominenten dieses politischen Lagers (unter ihnen die Leithammel der FPÖ aus Österreich und des Vlaams Belang aus dem flämischen Norden Belgiens) nach Israel am Montag dieser Woche wurde neues Öl ins Feuer des mitunter hitzig ausgetragenen Streits gegossen.
Die jeweiligen Vorsitzenden der FPÖ und der „Pro Deutschland-Bewegung“, Heinz-Christian Strache und Patrik Brinkman, sowie der Fraktionsvorsitzende des VB im belgischen Parlament, Filip De Winter, nahmen neben schwedischen und dänischen Rechtspopulisten an dieser Reise teil. Unter ihnen befindet sich auch René Stadtkewitz, der vor wenigen Wochen in Berlin die neue Kleinpartei "Die Freiheit" ausrief, welche sich auf die Erfolge des niederländischen Rechtspopulisten und Islamhassers Geert Wilders stützen möchte (siehe dazu: Rechtskurs bringt "Die Freiheit" ins Schlingern).
Die Rechtsaußenchefs führten in Israel „politische Gespräche“ aus Anlass einer Tagung, zu der dortige Hardlinerpolitiker in die Stadt Ashkelon am Mittelmeer geladen werden. Dabei soll ab heute über „Strategien gegen den islamischen Terror“ beraten werden. Aus Sicht der europäischen Rechtsprominenz beinhaltet das natürlich hauptsächlich die Abwehr gegen Einwanderung und die Verweigerung gleicher Rechte für in ihren jeweiligen Ländern lebende „Ausländer“. Für die beteiligten israelischen Rechten gegen es hingegen um Siedlungsbau und das Verweigern jeglichen Territorial- oder sonstigen Kompromisses mit „den Arabern“.
Aber nicht alle zu Hause, in Europa, heißen diese Reise willkommen. So gingen bei den französischen Rechtsextremen sofort einige Protagonisten in Abwehrstellung. Auf einer Webseite, die von Teilen des französischen Front National betrieben wird, wurde sofort über „national-zionistische“ Bestrebungen gehöhnt - dieser Begriff ist dort längst als Schimpfwort gebräuchlich, um über „falsche Rechte, die in Wirklichkeit im Auftrag oder am Gängelband der USA und Israels unterwegs sind“, zu spotten.
Dabei geht es jeweils um historische Perspektiven für die rassistische Rechte: Den Einen beispielsweise geht es darum, sich tunlichst (im eigenen Interesse und vordergründig) von der braunen Vergangenheit abzugrenzen und auf die Suche nach bürgerlichen Bündnispartnern zu begeben. Dazu betonen sie, nein, ein „Judenproblem“ hätten sie nun wirklich nicht – wozu sie „zum Beweis“ laut ihre Unterstützung für den Staat Israel herausbrüllen. Diese Masche ist übrigens mitnichten neu: Viele Altnazis in der westdeutschen Nachkriegsrepublik, die in der jungen Bundesrepublik von Braun nach Schwarz mutierten, posaunten in der Springerpresse und im Umfeld der CDU ihren neu erworbenen Philosemitismus umso lauter heraus. Auch als der italienische „Postfaschist“ Gianfranco Fini vor einigen Jahren seine Abwendung von einst gepflegten historischen Vorbildern bekunden wollte, unterstrich der Mann – der gut zehn Jahre früher Benito Mussolini als „größten Staatsmann“ des Jahrhunderts bezeichnet hatte – dies im Jahr 2003 mit einer Reise nach Israel.
Die Anderen halten das wiederum für gefährlichen Opportunismus, der darauf hinauslaufe, dass das „nationale Lager“ von banalen konservativen Kräften nicht mehr unterscheidbar sei. Sie prangern an, dass man dabei sei, sich von der Bourgeoisie - die als Ansammlung jüdischer und anderer „Lobbys“ oder Verschwörerkreise imaginiert wird - „einkaufen“ zu lassen. Stellen manche Rechtsextreme deswegen den Staat Israel als Hort des Bösen und Quasi-Sitz der Weltverschwörung dar, so ist er den anderen ein „Fels in der Brandung“ und „Trutzburg der Zivilisation“. Ähnlich wie Europa es den Rassisten zufolge tun müsste, indem es sich gegen Einwanderung und seine südlichen Nachbarn abschotte, führe Israel vor, wie man als Wagenburg in einer feindlichen und als „barbarisch“ beschrieben Umgebung überlebe und sich mit harten militärischen Mitteln zur Wehr setzen müsse.
Wenn nun an der derzeitigen Reise auch Andreas Mölzer beteiligt ist, mangelt das in diesem Zusammenhang nicht an Pikanterie. Ist doch dieser „Intellektuelle“ der österreichischen FPÖ, der ab 2004 für mehrere Jahre ihr einziger Abgeordneter im Europaparlament geworden war – inzwischen sitzt er dort nicht mehr allein -, für seine engen Kontakte in den antisemitischen Sumpf bekannt. Andreas Mölzer, dereinst „Kulturberater“ des 2008 verstorbenen Jörg Haider zu dessen Zeiten als FPÖ-Chef, zeichnete etwa als Co-Herausgeber für das „Jahrbuch für politische Erneuerung“ der „Freiheitlichen Akademiker“ verantwortlich.
Dort erschien im Jahr 1995 ein rund fünfzig Seiten langer Artikel des deutschen Politikwissenschaftlers und NS-Sympathisanten Werner Pfeifenberger unter dem Titel „Nationalismus und Internationalismus – eine unendliche Todfeindschaft“. In diesem Artikel breitet der damals noch an der Fachhochschule Münster (und zuvor u.a. in Apartheid-Südafrika lehrende) Politologe aus, „Freimaurer“ hätten die Französische Revolution und Juden – deren Anteil an den Bolschwiki hoch gewesen sei – die Russische Revolution veranstaltet. Gemeinsam hätten diese „Internationalisten“ alles unternommen, um das positive „Sozialmodell“, das in Deutschland im Entstehen gewesen sei und zu dem Joseph Goebbels Anregungen geliefert habe, zu zerstören.
Der Artikel, für den Mölzer als Co-Herausgeber mitverantwortlich zeichnete, führte zu einem Prozess. Bevor es jedoch zu dessen Eröffnung kam, stürzte der Verfasser Werner Pfeifenberger sich im Jahr 2000 in der Nähe von Salzburg von einem Berg und beging Selbstmord
Antisemitismus nach wie vor präsent…
Es wäre falsch, anzunehmen, dass der Antisemitismus aus der extremen Rechten verschwunden sei, etwa aus taktischen Rücksichtnahmen auf bürgerliche Bündnispartner. Einige ihrer Protagonisten plädieren dafür. Und der in mancherlei Hinsicht „atypische“ niederländische Rechtsauβenpolitiker Geert Wilders - der soeben erst in Tel Aviv für eine Ausweitung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland plädierte und rund 45 mal Israel besuchte - geht noch mehrere Schritte weiter. Er scheint wirklich davon überzeugt zu sein, dass Israel wie auch „die Juden“ für Seinesgleichen Verbündete gegen „den Islam“ seien.
Darüber besteht aber keinerlei Einigkeit unter den Rechtsextremen in Europa. Eine ähnliche Strategie wie Gianfranco Fini mit seiner Jerusalem-Reise im Jahr 2003, die zu seiner „Reinwaschung“ vom Faschismus-Geruch beitragen sollte, schlug zeitweilig auch Marine Le Pen in Frankreich ein. Die Tochter des - mehrfach wegen antisemitischer oder tendenziell geschichtsrevionistischer Äuβerungen verurteilten - 82jährigen Jean-Marie Le Pen wird aller Voraussicht nach in wenigen Wochen den Parteivorsitz des Front National (FN) übernehmen. Dessen nächster Kongress wird am 15. und 16. Januar in Tours stattfinden. Im Dezember 2005 trat die Abgeordnete im Europaparlament der Parlamentariergruppe für die Beziehungen zu Israel bei und bemühte sich um eine Einladung dorthin. Daraus wurde allerdings nichts, aufgrund erwarteter Proteste wurde ihre Einreise für unerwünscht erklärt.
Aber dagegen toben und geifern andere „nationale Rechte“ in ihrem eigenen Land. Um sich davon ein Bild zu machen, genügt es, in das Lager ihres Gegenkandidaten für den Parteivorsitz des FN - des früheren Juraprofessors Bruno Gollnisch, der infolge von Holocaustleugnung auf einer Pressekonferenz am 11. Oktober 2004 aus dem Universitätsdienst ausgeschlossen wurde - zu blicken. Dessen Anhänger, zusammen mit anderen Rechten, die den FN in den letzten Jahren aufgrund „ideologischer Aufweichungstendenzen“ (in ihren Augen meistens verknüpft mit dem Namen Marine Le Pen) verließen, nehmen da kein Blatt vor dem Mund.
Beispielsweise auf einem Treffen mit rund 400 Teilnehmern, das am 11. November dieses Jahres in Paris stattfand. An ihm war auch ein Vertreter der „Pro Deutschland“-Bewegung, Markus Wiener von ,Pro Köln’, als Gastredner beteiligt.
Einer der Redner dort war der 37jährige Jérôme Bourbon, Direktor der Zeitung ,Rivarol’, die 1952 als Sammelbecken der französischen Vichy-Nostalgiker gegründet worden war. Er agitiert mit bebender, sich überschlagender Stimme gegen Marine Le Pen: Diese lebe, Gipfels des Abscheus, „in wilder Ehe mit dem Juden Louis Aliot zusammen!“Der 41jährige Aliot - dass er jüdischer Herkunft sei, ist äuβerst unwahrscheinlich - war bis vor kurzem Generalsekretär des FN und zog sich von diesem Amt zurück, um sich dem innerparteilichen Wahlkampf auf Seiten Marine Le Pens zu widmen. Um fortzufahren: „Sie weiß genau, wo die Macht sitzt, und richtet sich daran aus, in ihrem öffentlichen wie in ihrem Privatleben.“ Und Bourbon spuckte auch Sätze wie folgenden aus: „Die jüdischen Medien verhätscheln Marine Le Pen, denn sie wissen, dass mit ihr dem Nationalismus die Glieder gebrochen sein werden!“ Marine Le Pen sei 2003 „auf Einladung einer jüdischen Organisation in die USA gefahren“, fuhr er fort. in Wirklichkeit hielt sie sich dort im Oktober 2003 auf Einladung einer Frauenvereinigung der Republikanischen Partei hin auf, die sie nach New York und Washington führte.
….aber er büβt seinen Status als dominierende Ideologie zugunsten des Islamhass ein
Manche auf der extremen Rechten benötigen den Antisemitismus als Welterklärungsideologie, die ihnen Schlüssel für das vermeintliche Verständnis der Welt - dank der Vorstellung einer internationalen Verschwörung - und für einen scheinbar rebellischen, sozialen Ansatz („Hinter dem Geld stecken die Juden“) liefert. Nichtsdestotrotz schwört die Mehrheit dieses politischen Lagers heute dem Antisemitismus, vordergründig oder tatsächlich, ab und hält ihn mindestens für hoffnungslos überholt. Die Schlachten von gestern zu schlagen, die man bereits verloren habe, interessiere sie nicht, befindet etwa Marine Le Pen.
An die leer gewordene Stelle der Zentralideologie setzen viele von ihnen den Islam- und Moslemhass. Dieser besitzt zwar nicht dieselben ideologischen „Qualitäten“, etwa in Gestalt einer Welterklärung durch den Verschwörungsgedanken - auch wenn manche fanatischen Moslemhasser ebenfalls Verschwörungsideologen ausbrüten. Beispielsweise indem sie so tun, als stünden ganz unterschiedliche Phänomene (die Präsenz und Bedeutung von Kopftüchern in Paris, Berlin, Algier und Teheran) in einem engen Zusammenhang miteinander, der sich auf den Nenner eines geplanten „Angriffs auf Europa“ bringen lasse.
Auch fehlen dem puren Moslem- und Einwandererhass ein wenig die pseudo-„sozialrevolutionären“ Qualitäten des historischen Antisemitismus, der durchzubuchstabieren wusste, wer angeblich hinter Macht und Geld stecke. Allerdings vermag der antimuslimische Rassismus seinerseits Sozialneidgefühle zu erwecken, wenn er etwa behauptet, (moslemische) Einwanderer würden angeblich - und sei es aufgrund höherer Kinderzahl - bei Sozialleistungen „bevorzugt“. Besonders aber erlaubt der Islamhass den Brückenschlag auch in konservative und liberale Kreise, die bei Regungen von Antisemitismus gröβerenteils sofort abgestoβen würden.
Anlässlich einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu „Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa“ am 5. November dieses Jahres in Berlin führte etwa der österreichische sozialdemokratische Europaparlamentarier Hannes Swoboda aus, welche Vorzüge strategischer Art die extreme Rechte in einer Konzentration auf den Islamhass finden könne. So seien die Rechten bislang eher als Anhänger einer reaktionären Sozialkonzeption, was etwa die Rechte von Frauen oder generell der Einzelnen in der Gesellschaft oder Familie betrifft, erschienen. Durch die Agitation gegen „die moslemischen Frauenunterdrücker“ dagegen vermögen sie auf einmal, sich zu „Verteidigern (auch) der Frauenrechte“ aufzuschwingen.
Auch könnten sie dadurch ihren Antisemitismus demonstrativ hintanstellen, indem sie - zur Verteidigung des Abendlands gegen die „moslemische Gefahr“ - plötzlich das „bedrohte Erbe der gemeinsamen christlich-jüdischen Werte“ beschwören. Dabei vergessen machend, dass es in Europa zumindest bis 1945, eher jedoch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil - bei dem die katholische Kirche in den sechziger Jahre ihre theologische Aussöhnung mit dem Judentum proklamierte - keine „gemeinsamen christlich-jüdischen Werte“ gab. Weil die Juden mindestens ausgegrenzt und phasenweise verfolgt wurden.
Update/Ergänzungen
Die rechtsradikalen Politiker aus halb Europa, die zu einer Konferenz über „islamischen Terror“ nach Israel reisten, halten sich dort zur Stunde nach wie vor auf. Unter ihnen befinden sich: Heinz-Christian Strache, Andreas Mölzer und Hilmar Kabas von den österreichischen „Freiheitlichen“, Filip Dewinter und Franck Creyelmans vom Vlaams Belang aus Belgien, Patrik Brinkman von „Pro Deutschland“ und Kent Ekeroth von den „Schwedendemokraten“.
Am gestrigen Dienstag besuchten sie, unter ihnen FPÖ-Chef Strache (in seiner Jugend noch Teilnehmer an neonazistischen Wehrsport-Übungen in österreichischen Wäldern), eine Sitzung der Knesset. Begleitet wurden sie im israelischen Parlament dabei durch Ariel Shomer, den früheren Kabinettschef von Präsident Ezer Weizmann. Im Anschluss konnten sie Gespräche mit einzelnen Abgeordneten wie dem Rabbiner Nissim Zeev von der religiösen Shas-Partei führen.
Die Politiker besuchten ferner Siedler im besetzten Westjordanland. Daneben trafen sie den Bürgermeister von Ariel, Elyakim Haetsni, einen Anwalt der radikalen Siedlerbewegung. Auch eine Visite bei einem Minister des rechtsnationalistischen Likud-Blocks, Ayood Kara, stand für den belgischen Rechtsextremisten Filip Dewinter auf dem Programm. Der Minister verlautbarte laut einer rechtsextremen Homepage, die Aufgabe sei es, „gemeinsam gegen den Islam zu kämpfen“.
Die Reiseteilnehmer verabschiedeten eine so genannte „Jerusalamer Erklärung“, die betont soft und in „demokratisch“ klingendem Tonfall formuliert ist, allerdings eine klare Spitze gegen den Islam und dessen Gläubige enthält.
Fraglich bleibt unter anderem, warum man diesen Herren – von denen zumindest einige in unzweifelhaft (post)nazistischer Tradition Politik betreiben – nicht die Einreise in den Staat Israel verweigert hat, was bei anderen Individuen mitunter aus weitaus nichtigeren Gründen geschieht.
Der aktuelle Besuch von Prominenz mehrerer Rechtsauβenpartei steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, der sich am vergangenen Wochenende in Israel aufhielt. Jener traf dabei mit dem als „Ultranationalist“ geltenden Auβenminister Avigdor Lieberman zusammen.