Redefreiheit versus Copyright

Richter im DVD-Prozess will Stellungnahmen über Auswirkungen des Falles auf Redefreiheit

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Die Einvernahme der Zeugen im DVD-Prozess in Manhattan ging gestern, Dienstag, zu Ende. Die Streitparteien wurden von Richter Kaplan dazu aufgefordert, bis zum 8.August schriftliche Unterlagen einzureichen. Danach könnte der Fall relativ bald entschieden sein.

Die Motion Picture Association of America (MPAA) hatte den Herausgeber des Magazins 2600: The Hacker Quarterly, Eric Corley alias Emmanuel Goldstein, wegen der Verbreitung des Programms DeCSS verklagt. Die MPAA behauptete, DeCSS würde dem Raupkopieren von auf DVD verbreiteten Filmen Tür und Tor öffnen. Der Angeklagte und die ihn unterstützende Electronic Frontier Foundation hatten jedoch dagegengehalten, dass es bei DeCSS nie um Piraterie gegangen sei. DVDs sind auch auf anderem Wege kopierbar. DeCSS schaltet den kryptografischen Zugangsschutz CSS aus, indem es die Daten entschlüsselt und im Klartext auf die Festplatte schreibt. Der Zweck für das Reverse Engineering von CSS, das die Entwicklung von DeCSS ermöglichte, sei es gewesen, einen DVD-Player für die Linux-Plattform zu entwickeln. Die Verbreitung von DeCSS sei einerseits als Teil eines Diskurses zwischen Programmierern erfolgt, zum anderen sei es darum gegangen, einen DVD-Player für Linux zu entwickeln, da diese Plattform von der Lizenzvergabe der DVDCCA nicht berücksichtigt worden war.

Der Projektleiter des Linuxvideo-Projekts (Livid), Matt Pavlovich, hatte am Freitag vergangener Woche ausgesagt, dass es dem Livid-Projekt möglich gewesen sei, auf der Basis der Arbeit, die für DeCSS geleistet wurde, einen Open-Source-DVD-Player für Linux zu schreiben. Die EFF feierte dies als einen überraschenden Sieg gegen die Anklage. Bei der Einvernahme des Angeklagten Corley ebenfalls am Freitag hatten die Anwälte der Klagepartei versucht, Corley als Hacker darzustellen. Doch Corley verwies darauf, dass er über keine besonderen Programmierkenntnisse verfügen würde und seine Arbeit rein journalistisch sei. Er habe DeCSS auf seiner Website zum Download angeboten, weil es dem journalistischen Ethos seines Magazins entspreche, über Fälle nicht nur zu berichten, sondern wenn möglich Quellen auch zur Überprüfung zugänglich zu machen.

Gestern, Dienstag, sagte unter anderem der Informatiker David Touretzky von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh aus. Er appellierte an den Richter, zugunsten Corleys zu entscheiden, da sonst ernsthafte Konsequenzen für die Zukunft der Informatik zu befürchten seien. Für ihn sei Code eine Ausdrucksform, sagte der Informatiker. Der Richter schien von Touretzkys Aussagen beeindruckt zu sein und forderte die Parteien auf, schriftliche Unterlagen darüber einzureichen, welche Rolle ihrer Meinung nach das "First Amendment", der Paragraph in der amerikanischen Verfassung, der den Schutz der Redefreit garantiert, in Bezug auf den Fall spielt.

In Anlehnung an eine vergleichende Redewendung, die der Richter schon vergangene Woche bemüht hatte, forderte er die Parteien auch auf, dazu Stellung zu nehmen, was bezüglich der im Januar erlassenen Verfügung gegen Corley geschehen solle, falls er zu der Ansicht komme, "dass das Pferd bereits aus dem Stall raus ist". Der Richter hatte damit auf den Umstand verwiesen, dass trotz der Verfügung gegen Corley, DeCSS nicht zu verbreiten, das Programm über zahlreiche sogenannte "Mirrors" im Umlauf ist. Nach dem Eingang der Papiere ist eine Entscheidung des Einzelrichters innerhalb weniger Tage zu erwarten.

Zusammenfassung des Falls und der ersten Verhandlungswoche: Showdown im Gerichtssaal