Regierungsbildung in Schweden: Schwedendemokraten (fein) raus!
Schwedens Regierungsbildung hat begonnen. Gewinner der aktuellen schwierigen politischen Situation könnten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) sein
Am vergangenen Dienstag betraute der Reichstagspräsident Andreas Norlén den Vorsitzenden der konservativ-liberalen Partei "Die Moderaten" (M), Ulf Kristersson, mit der Regierungsbildung. Dieser hat seitdem zwei Wochen Zeit. Doch ein Gelingen scheint fraglich.
Norlén, ebenfalls Mitglied der Partei, wurde am 24. September mit Hilfe der Schwedendemokraten gewählt. Auf der anderen Seite weigerten sich die Moderaten, einen der drei Stellvertreterposten mit dem SD-Kandidaten Björn Söder zu besetzen, obwohl dies der drittstärksten Fraktion nach der politischen Tradition eigentlich zustünde. Zudem ließ Norlén Stefan Löfven als Ministerpräsident sofort formal abwählen, er bleibt jedoch als Chef einer Übergangsregierung weiterhin im Amt. Jetzt zelebrieren sowohl Löfven als auch SD-Chef Jimmie Akesson ihr Beleidigtsein gegenüber Kristersson.
Zur Erinnerung: Bei den Wahlen am 9. September erreichten die Regierungspartei "Sozialdemokraten" 28,6 Prozent, die konservativ-liberalen "Moderaten" (M) 19,84 Prozent und die Schwedendemokraten 17,53 Prozent. Somit ist die traditionelle Aufteilung der politischen Landschaft Schwedens in einen sozialdemokratischen und bürgerlichen Block dahin.
In der vergangenen Woche kollidierten dann die beiden bürgerlich-liberalen Parteien "Zentrum" (C) und "Liberale" (L) mit den Christdemokraten (K) in der Frage, ob man als Minderheitsregierung eine Unterstützung der Schwedendemokraten akzeptieren soll. Die K-Chefin Edda Busch-Thor, die eine Anti-Migrationspolitik vertritt, hat gegenüber Akesson mittlerweile weit weniger Berührungsängste.
Akesson ist nun nach eigenen Angaben "streitlustig" und will den Moderaten-Chef Ulf Kristersson nicht akzeptieren, sprich - gegen ihn stimmen, wenn er dann als Regierungschef gewählt werden sollte. Auch eine Neuwahl fürchten die Rechtspopulisten derzeit anscheinend nicht. Gleichzeitig trifft sich Akesson mit Toppolitikern der Moderaten, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Nach Umfragen befürwortet eine Mehrheit der Wähler der bürgerlichen Parteien außer der Zentrumspartei eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten.
Formal haben Sozialdemokraten, Grüne (MP) und Linke (V) zwar einen Sitz mehr als die Allianz, jedoch hatte die Koalition mit den Linken schon in der vorigen Legislaturperiode nicht funktioniert, zudem kann der Reichstagspräsident den ersten Kandidaten vorschlagen.
Große Koalition wie in Deutschland als Ausweg?
Kristersson erklärte kürzlich, dass er den Sozialdemokraten kein Vetorecht einräumen will, also nicht als Minderheitsregierung von ihrem Wohl abhängig sein möchte, somit scheint die große Koalition naheliegend. Dazu habe es schon ein (heimlich geplantes) Gespräch zwischen Kristersson und Löfven gegeben, ein weiteres soll folgen.
Die große Koalition wäre auch der sicherste Weg, die Schwedendemokraten weiterhin zu schneiden, allerdings kam die "Merkel-Lösung" in der Geschichte des skandinavischen Landes noch nie vor. Und die meisten Kommentatoren warnen auch vor den Folgen. Einer der Koalitionäre würde dann massiv an Anhängern verlieren, die große Koalition habe die AfD erst möglich gemacht - somit könnten auch die Schwedendemokraten wachsen.
Schon allein, wenn man die Steuerpolitik betrachtet, gilt der Bestand einer solchen Liaison als fraglich. Kristersson will eine deutliche Senkung, das ist mit den Sozialdemokraten nicht zu machen. Auch ist es zweifelhaft, ob es zu einer Einigung in der Migrationspolitik kommen kann.
Ein weiterer Ausweg wäre eine Koalition der Sozialdemokraten, der Grünen und der beiden migrationsfreundlichen liberalen Parteien Zentrum und Liberale mit Duldung der Linkspartei, geführt von Zentrums-Chefin Annie Lööf, von 2011 bis 2014 Schwedens Wirtschaftsministerin. Sie gilt als profilierte Kritikerin der Schwedendemokraten und Befürworterin einer offenen Einwanderungspolitik. Doch im Wahlkampf hatte sie stets für eine Allianzregierung geworben.
Wie es auch kommt, bei einer Regierungskoalition werden die jeweiligen Akteure viel von ihrem politischen Profil verlieren, um einen Kompromiss schließen zu können.
Ob die Schwedendemokraten ernsthaft mitregieren wollen, ist die große Frage
Akesson hatte im Wahlkampf Löfven und Kristersson Offerten gemacht. Derzeit hält der rhetorisch versierte Rechte ausgerechnet eine Koalition seiner Partei mit den Sozialdemokraten und Christdemokraten für eine praktikable Lösung. Dabei warnen die Sozialdemokraten vor einem Einfluss der Schwedendemokraten und sammeln auf einer Website mit dem Schlagwort "Zusammen werden wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen" Stimmen gegen eine Beteiligung der Akesson-Partei.
Realistischer ist die Option, doch die Moderaten zu stützen. Sollte Kristersson bis zum 16. Oktober keine Regierung bilden können, wird der Reichstagspräsident Löfven damit betrauen, wobei auch hier die Chancen als gering gelten. Ein ausgelaugter Kristersson könnte dann schließlich unter dem Druck seiner Wähler und einiger Mitstreiter doch noch auf die Schwedendemokraten zurückkommen.
Falls nicht, werden die Schwedendemokraten als die politischen Sieger der nächsten Zeit erscheinen. Sie gingen den Moderaten mit der Wahl des Reichstagspräsidenten entgegen, haben sich politisch als kooperativ gezeigt, die anderen Parteien weisen jedoch eine Kooperation zurück.
Dann können sie ihr Geschäft wie gehabt weiter betreiben - das Kritisieren von Missständen der Regierungspolitik, ohne selbst in die Gefahr zu geraten, für eigene Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen. Viele der "Betonparteien" wie Akesson seine politischen Gegner nennt, wären dann in einem Boot und somit für sämtliche Probleme an den Pranger zu stellen. Doch auf kommunaler Ebene ist der Verantwortungsdruck gewachsen. In der Kleinstadt Hörby, Provinz Schonen, wird erstmals ein Schwedendemokrat als Bürgermeister wirken.