Reise nach China: Klima-Innovation schlägt fossile Trägheit in Europa

Der größte Solarpark der Welt "Tengger Desert Solar Park" in Chinas nordwestlicher Provinz Ningxia. Er bietet 1,5 Gigawatt (GW) an neuer Solarstromerzeugungskapazität. Bild: NASA Earth Observatory

Meine Reise nach China zur weltgrößten Photovoltaik-Messe in Shanghai beeindruckte mich. Die ökologischen Technologieschübe sind enorm. Passiert nichts, drohen deutsche Firmen in die Bedeutungslosigkeit zu sinken.

Sowohl das Wachstum als auch die Innovationskraft der chinesischen Produktionskapazitäten nicht nur für Photovoltaik (PV), ebenso für Batterien, E-Mobilität, Wärmepumpen, Elektrolyseure und andere emissionsfreie Technologien ist – ausgehend von einem hohen Niveau – weiter atemberaubend. Die Begrünungsaktivitäten in den großen Städten und sogar Wüsten sind ebenfalls beeindruckend.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Eingeladen zu der Reise wurde ich vom Chefredakteur Sven Tetzlaff von Kathai Media & Consulting in Hangzhou. Als Deutscher berichtet und kümmert er sich um viele deutsch-chinesische Aktivitäten, nicht nur in der Wirtschaft der emissionsfreien Technologien, sondern auch in den Bereichen Politik und Kultur.

Größte Photovoltaik-Messe in Shanghai platzt aus allen Nähten

Die Messe SNEC in Shanghai platzte nach drei Jahren Corona-bedingter Abschottung Chinas aus allen Nähten. Auch wenn noch keine offiziellen Daten von der Messeleitung vorliegen, so wurden mir dennoch vorab erste Kennzahlen genannt.

Am ersten Tag besuchten mehr als eine halbe Million Menschen die Messe. Etwa 3100 Aussteller füllten die Hallen und die zusätzlich aufgestellten Zelte auf dem riesigen Shanghaier Messegelände. Die Stände waren von den Besuchern stark umringt. Deutsche Firmen waren nur noch sehr wenige unter den Ausstellern.

Viele der großen und mittleren Firmen wie Trina, BYD, Dyness und andere demonstrierten, dass sie sich sehr um die PV-Integration in das gesamte Energiesystem kümmern. Die Verbindung mit Windkraft, Bioenergie, Speichern (wie Batterien oder grüner Wasserstoff) sowie die digitalisierte Sektorenkopplung mit Wärme, Kühlung, Verkehr und Energie für die Industrie standen im Mittelpunkt.

Konzepte, die ganze Häuser, Stadtteile, Regionen oder auch Firmen mit 100 Prozent erneuerbaren Energien voll versorgen, waren oft in Modellen auf den Ständen zu sehen. Agri-Photovoltaik (Agri-PV) spielt eine zentrale Rolle. Die Verbindung mit der Landwirtschaft oder Begrünungen unter den Modulen hat in China große Bedeutung.

Ausbau der PV-Produktionskapazitäten ist kaum zu fassen

In Gesprächen mit Firmen und Verbandsvertretern staunte ich über die Ausbaugeschwindigkeiten der Produktionskapazitäten. Mitgeteilt wurde mir, dass die jährlichen PV-Produktionskapazitäten in China über alle Wertschöpfungsketten bis 2024 in den nächsten Jahren von rund 500 Gigawatt (GW) auf 1000 GW verdoppelt werden. Für 2026 sollen nochmals weitere 500 GW in der Planung sein.

Zum Vergleich: Die EU will in den kommenden drei Jahren gerade 30 GW neue Solarfabriken auf den Weg bringen.

Viele Einzelmeldungen lassen diese unglaubliche Größenordnung als plausibel erscheinen. Ein Beispiel: Allein Jinko Solar plant Produktionskapazitäten für 56 GW mit je 14 GW in vier Wertschöpfungsstufen.

Hohe Innovationskraft der chinesischen Firmen

Bei verschiedenen Firmenbesuchen und Gesprächen staunte ich, welche Ziele und Innovationen die Firmen haben. So z.B. Hytzer, die demnächst eine Festkörperbatterie auf den Markt bringen, die die Reichweiten von E-Autos auf etwa 1500 km erhöht und gleichzeitig nicht mehr brennen kann. Die Batterien können in den Rahmen der Autos eingebaut werden.

Oder die Firma Sun Harmonics: Mit hocheffizienten CIGS-Zellen entwickelten sie extrem dünne und flexible Module. Sie baut u.a. Straßenlaternen, deren runder Mast mit den flexiblen Modulen ummantelt ist. Im Mast sind die Batterien für die nächtliche Beleuchtung.

In Hangzhou stehen bereits die ersten Straßenlampen. Geeignet sind die flexiblen und superleichten Module auch für Kleidung, geschwungene Dächer, Fassaden, Autokarosserien und alles Weitere, woran die üblichen festen und sperrigen Module nicht, oder nur schwer, angebracht werden können.

Die Firma hat außerdem Mülltonnen mit PV-Deckel entwickelt, die einen Motor antreiben, der den Müll zusammenpresst, um das Überquellen zu vermeiden.

Der chinesische Binnenmarkt für PV wächst super schnell

Der chinesische PV-Markt wächst ebenfalls rasant. In diesem Jahr werden 100 Gigawatt neue Installationen erwartet. Das sind nicht nur riesige Gigawatt Freiflächenanlagen.

Etwa 50 GW sind kleinere Anwendungen auf Dächern, Fassaden oder PV-überdachte Ladestationen für elektrische Zweiräder. Balkonmodule spielen in den großen Mietshäusern eine große Rolle.

In Hangzhou muss sie der Balkonbesitzer nur kaufen, anbringen, in die Steckdose stecken und dem Netzbetreiber per Internet anzeigen. Oft wird dann sogar noch ein zurücklaufender Zähler installiert.

Unglaublich einfach und ohne Bürokratie, wenn man an den immer noch nicht ausgestandenen jahrelangen Kampf um den Bürokratieabbau von Steckermodulen in Deutschland denkt.

Wüstenbegrünungen mit riesigen PV-Freiflächenanlagen

Am spannendsten war meine Reise nach Baotou und Ordos, zwei Städte mit je gut zwei Millionen Einwohnern am Gelben Fluss in der Wüste Gobi, Innere Mongolei. Dort besuchte ich die 2,2 GW große PV-Anlage von SPIC, die einen Rekord im Guinnessbuch eingefahren hat.

Nicht wegen der unvorstellbaren Größe, da gibt es sogar noch größere, sondern weil sie das größte Kunstwerk der Welt geschaffen haben. Wegen farblicher Absetzung in den Modulen kann man aus dem Weltall oder hochfliegenden Flugzeugen ein Pferd erkennen. Pferde spielen in der Tradition der Mongolen eine große Rolle.

Am Standort der PV-Anlage war vor zehn Jahren noch unwirtliche Sandwüste. Der Aufbau der riesigen Anlage wurde mit Trackersystemen geschaffen, die Module werden also dem Sonnenstand nachgeführt.

In allen Randbereichen werden Bäume gepflanzt und unter den Modulen Begrünungen angelegt. Nur in den ersten Jahren wird eine Bewässerung benötigt, danach wachsen die meisten Pflanzen ohne Bewässerung weiter. Sie beschatten den Boden gegenseitig und verhindern weitgehend stürmische Sandstaubentwicklungen.

Der Schatten der Module unterstützt das Wachstum zusätzlich, indem Restfeuchte im Boden geschont wird. Die Bewässerung kommt aus dem Grundwasser in 500 Meter Tiefe. Die Betreiber versicherten mir, dass der Grundwasserspiegel nicht absinke, also keine Übernutzung des Wassers stattfinde.

Unter den Bäumen in den Randbereichen finden sich auch ertragreiche Sorten wie Datteln, und unter den Modulen wachsen niedrigere Büsche und Kräuter, z.B. ein in China sehr beliebtes Heilkraut, das mongolische Tragant, gehörend zur Familie Astragalus. In dieser Gegend der Inneren Mongolei, auch Kubuqi-Wüste genannt, wurde insgesamt eine Fläche so groß wie Deutschland wieder aufgeforstet. Vieles auch schon ohne PV.

Die Betreiber sagten mir, dass es in den letzten Jahren sogar eine Zunahme von Regen gegeben hätte. Viele Wildtiere haben sich wieder unter den Modulen vermehrt.

Insgesamt also eine Erfolgsgeschichte dafür, was unser Planet unbedingt braucht: Null-Emissionen in der Energieerzeugung und Begrünungen als Kohlenstoffsenken sowie Biodiversitätserhöhung.

Letztendlich wurden diese Begrünungen mit den Einnahmen aus dem PV-Stromverkauf ermöglicht. Ein großer Industriekomplex in Ordos wird nun weitgehend mit Strom aus dem PV-Park beliefert und nicht mehr vom örtlichen Kohlekraftwerk.

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